Skin-Care-Routine: Wer Influencern auf Instagram oder Tiktok folgt, kennt dieses Wort. Mit dem Begriff werden Videos und Postings behashtaggt, in denen sich Frauen und Männer unter perfekter Ausleuchtung diverse Seren, Cremes und Lotionen ins Gesicht schmieren – meist gesponsert von Kosmetikherstellern und begleitet von wundersamen Versprechungen. Zum Trending Topic wurde Hautpflege aber nicht nur online. Eine Analyse des Marktforschungsinstituts GfK belegt, dass die Österreicher im ersten Pandemiejahr 2020 durchschnittlich 75 Euro für Hautpflege ausgegeben haben – sechs Euro mehr als im Vorjahr.

"Wir haben mehr Zeit mit uns selbst verbracht", sagt die Dermatologin Daisy Kopera. "Das hat uns dazu gebracht, mehr auf uns zu schauen, mehr zu schmieren, kritischer zu sein." Kopera ist auf Hautalterungsforschung, ästhetische Medizin und weißen Hautkrebs spezialisiert. Dass Influencer Trends in Sachen Hautpflege setzen, sieht sie skeptisch. "Mit welchem Hintergrund, mit welcher Begründung und fachlichen Expertise machen die das?", fragt Kopera. Behauptungen könne man viele aufstellen, ohne Beweise zu liefern. Die Follower könnten den Empfehlungen bedenkenlos folgen, die Medizinerin befürchtet eine "Lemming-Mentalität".

Schmerzhafte Nadelstiche

Was also ist dran an den sozialmedialen Hautpflegetrends? Während sich einige um harmlose Gadgets drehen, können andere Pickel geradezu heranzüchten, warnt Kopera.

Auf Instagram werden selbst martialischste Hautpflege-Gadgets in zuckersüßen Bonbonfarben inszeniert.

Der Dermaroller sieht zum Beispiel aus wie ein Nassrasierer. Wäre da nicht die Walze mit den vielen kleinen Nadeln vorn dran. So aggressiv das Gerät aussieht, so martialisch ist sein Zweck. Die Nadeln sollen Mikroverletzungen in der Haut verursachen. Dadurch werde die Kollagenbildung der Haut angeregt, Falten und Narben vermindert – so zumindest das Versprechen. "Grundsätzlich ist das medizinische Needling eine gute Methode", sagt Kopera. Die Dermaroller für den Heimgebrauch hätten aber kürzere Nadeln als professionelle Geräte. Dazu sei die Prozedur schmerzhaft. "Die Hemmschwelle, sich selbst wehzutun, ist hoch. Das wird fast niemand zu Hause so anwenden, dass es wirklich etwas bringt", sagt die Medizinerin. Dazu kommt, dass auch kleinste Verletzungen Wunden sind. "Die Gefahr, sich oberflächlich Infektionen zuzuziehen, ist relativ groß."

Edelsteine für schöne Haut

Weniger schmerzhaft ist eine Gua-Sha-Gesichtsmassage. Das Verfahren hat seine Wurzeln in der traditionellen chinesischen Medizin. Instagram-tauglich ist es, seitdem Beautyshops abgerundete Edelsteine in Regenbogenfarben anbieten. In bestimmten Bewegungen soll mit den Teilen das Gesicht massiert und die Durchblutung angeregt werden. "Das mag im Einzelfall zutreffen", sagt Kopera, "ist aber nicht mit Evidenz bewiesen." Medizinischen Nutzen sieht sie deshalb nicht.

Verschiedene Gua-Sha-Massagesteine.

Ähnlich hübsch anzusehen wie Gua-Cha-Steine sind Edelsteinroller. Wer mit ihnen über sein Gesicht fährt, soll ebenfalls die Durchblutung und den Lymphfluss anregen. "So ein Roller kann sicherlich nicht schaden", sagt die Hautexpertin Kopera. "Ob er viel bringt, wage ich aber zu bezweifeln." Medizinische Studien, die eine Wirkung der Edelsteinroller belegen, kennt sie nicht.

Beim Dermaplaning gibt es keine bunten Steine, sondern scharfe Klingen. Ein Skalpell entfernt feinste Härchen und alte Haut, was den Teint frisch erstrahlen lassen soll. "Ziemlich martialisch", sagt Kopera. Vor allem sei die Verletzungsgefahr bei einer so scharfen Klinge hoch. Den gleichen Effekt mit weniger Risiko hätten chemische Peelings.

Dermaplaning-Gesichtsrasierer.

Fettschicht für mehr Feuchtigkeit

Im Vergleich zu den anderen Trends ist "Slugging" der günstigste. Eine Schicht Vaseline auf dem Gesicht soll Feuchtigkeit über Nacht einschließen. Das stimmt aus Koperas Sicht auch. "Ich schaffe aber auch die Möglichkeit, Mitesser zu züchten", sagt die Hautexpertin. Sie würde Vaseline deshalb niemandem als Dauerpflege empfehlen.

Ein grundsätzlicher Pflegetrend scheint zu sein, dass mehr Mittel mehr helfen. Doch ist es wirklich notwendig, neben einer Hautcreme auch noch Seren, Booster und Peelings zu verwenden? Koperas Antwort ist zweigeteilt: "Es ist vernünftig, die Haut nach einem Tag von Make-up und Schmutz zu reinigen." Dazu können auch Exfolianten wie etwa Beta-Hydroxysäure (BHA) eingesetzt werden. In geringer Dosierung sind die Mittel auch für Konsumenten erhältlich. "Die niedrigprozentigen Produkte, etwa mit zwei Prozent BHA, lösen keine großen Nebenwirkungen aus", sagt Kopera. Gleichzeitig würden diese Heimprodukte aber auch relativ wenig bewirken. Und wie wirksam sind Treatments und Seren gegen die ersten Anzeichen der Hautalterung? "Am meisten bringt das dem, der es verkauft", hält Kopera nüchtern fest.


"Es gibt eine Pflege, die jeder Mensch verwenden sollte, unabhängig vom Hauttyp: einen Lichtschutz."

Daisy Kopera

Natur gegen Labor

Packungen in Erdtönen und mit viel Brimborium darum, was im Produkt eben genau nicht enthalten ist: Naturkosmetikhersteller werben damit, dass die beste Pflege aus der Natur und nicht dem Labor kommt. Für Kopera ein Trugschluss: "Ich kann mit einem ätherischen Öl aus irgendeinem Kräuterl viel größere Schäden an der Haut anrichten als mit einer Creme, die weitgehend aus künstlich hergestellten Inhaltsstoffen besteht." Es komme bei jedem Produkt darauf an, warum welche Inhaltsstoffe in welcher Dosierung genutzt werden.

Die Dermatologin betrachtet zwar einige der Social-Media-Trends kritisch, betont aber auch die Wichtigkeit, überhaupt etwas für Hautpflege zu tun. Entscheidend sei der Hauttyp. "Mein Credo ist, dass Haut auf den Typ abgestimmt in bestimmtem Maß Fett und Feuchtigkeit benötigt", sagt Kopera. Trockene Haut brauche mehr, fettende Haut eben etwas weniger Pflege.

Nur eine Pflege sollte jeder Mensch verwenden, egal welcher Hauttyp: Lichtschutz. Nicht nur die Sonne im Urlaub schade der Haut, sondern auch das tägliche UV-Licht. "Das macht lästige Falten, Runzeln und weißen Hautkrebs", sagt die Expertin. Einfache Pflegeprodukte mit Lichtschutzfaktor könnten dagegen helfen. "Das muss kein goldumrandetes Luxusprodukt sein", sagt Kopera, "Hauptsache ist, Sie nutzen es." (Ana Grujić, 20.10.2021)