Aus Tannin erzeugter Bioschaum ist ein echtes Leichtgewicht und bietet sich als Ersatz für Styropor-Verpackungen oder Dämmmaterial an.

Foto: Thomas Sepperer / FH Salzburg

Rindenmulch zur Gartengestaltung oder einfach zur thermischen Verwertung – besonders einfallsreich ist man im Holzland Österreich aktuell noch nicht, was die bei der Holzgewinnung anfallende Baumrinde angeht. Immerhin geht es um ein Volumen von rund zwei Millionen Kubikmeter pro Jahr.

Zwar gibt es paar Ausnahmen wie etwa das Halleiner Start-up-Unternehmen Barkinsulation, das schon seit Jahren Baumrinde als Dämmmaterial verwendet, im großen Stil wurde die Baumrinde bis dato allerdings nicht eingesetzt.

Lärchen- und Fichtenrinde

Das könnte sich in absehbarer Zukunft ändern. Die Forschungsgruppe Holz und biogene Technologien an der Fachhochschule Salzburg unter der Leitung von Thomas Schnabel widmet sich schon seit Jahren intensiv der Baumrinde.

Im Mittelpunkt des Interesses von Schnabel und seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Thomas Sepperer steht dabei das Tannin. Lärchen- und Fichtenrinde besteht bis zu elf Prozent aus der Gerbsäure, die vor allem Rotweinliebhabern ein Begriff ist. Der Gehalt und die Art dieser natürlichen Polyphenole sind entscheidend für Geschmack und Qualität des Weines – sie dienen dem Weinstock und den Trauben als Schutz vor Pflanzenfressern und vor Bakterienbefall. Diese Schutzfunktion haben auch die Tannine in der Baumrinde.

Im Kelomat auskochen

Chemisch seien Tannine annähernd so reaktiv wie erdölbasierte Chemikalien, erläutern Schnabel und Sepperer im STANDARD- Gespräch. Und genau das ist der Ansatz: Es geht um den Ersatz von erdölbasiertem Polystyrol (umgangssprachlich bekannt unter der Bezeichnung Styropor).

Ein wesentlicher Vorteil des Tannins ist die denkbar einfache Gewinnung. Die Rinde wird in einem Druckkochtopf in Wasser ausgekocht, das Wasser wird abgeseiht, verdampft, und übrig bleibt das Tannin in Pulverform. Die übrige Rinde kann nach dem Auskochen wie gehabt verbrannt werden.

Kuchenbacken

Zur Produktion von Bioschäumen braucht es noch ein weiteres Produkt: Furfurylalkohol. Dieser wird aus Maisspindeln gewonnen, also ebenfalls aus einem nachwachsenden Rohstoff. Zurzeit wird der Furfurylalkohol in großem Stil vor allem zur Erzeugung von Harzen in der Bauwirtschaft erzeugt.

"Der Rest ist wie beim Kuchenbacken", sagen die beiden Holztechnologen. Das Tanninpulver wird mit dem Alkohol und mit Wasser gemischt, dann kommt noch Seife dazu, um den Schaumprozess zu starten; dann füllt man das Gemisch in eine Form, es wird gebacken, getrocknet, und fertig ist der Bioschaum und Styropor-Ersatz aus nachwachsenden Rohstoffen.

Schematische Darstellung der Produktion von Bioschaum.
Foto: Thomas Sepperer / FH Salzburg

Im Labor ist man schon sehr weit, die anfangs sehr leicht zerbrechlichen Schäume sind inzwischen stabil und verwendbar. Das Interesse von Industrie und Gewerbe für den Einstieg in eine Produktion sei jedenfalls vorhanden, sagen Schnabel und Sepperer. Denn der Bioschaum hat noch einen Vorteil. Im Unterschied zu erdölbasierten Produkten ist er so gut wie unbrennbar. Aus Baumrinde gewonnenes Tannin als Erdölersatz zu verwenden ist nur ein Forschungsstrang am Campus Kuchl der FH Salzburg. Die Forschungsgruppe Holztechnologien arbeitet gemeinsam mit dem Salzburg Center for Smart Materials auch daran, das aus Baumrinde gewonnene Tannin für die Landwirtschaft einzusetzen. Hier könnte Tannin dazu dienen, die Ammoniak-Problematik in den Griff zu bekommen.

Ammoniak reduzieren

In Österreich werden Jahr für Jahr rund 65.000 Tonnen Ammoniak emittiert. Der Großteil davon in der Landwirtschaft durch die Lagerung und vor allem das Ausbringen von Gülle als Wirtschaftsdünger. Das Problem dabei: Ammoniak (NH3) ist ein Stickstoffgas und gehört mit zu den klimaschädlichen Substanzen. Laut EU-Richtlinie muss Österreich die Ammoniak-Emission bis 2030 um etwa 20 Prozent reduzieren. Davon ist man derzeit weit entfernt.

Der Kreislauf der Rinde vom Baum zum Tanninpulver, zum Tanninschaum und weiter als Zusatz zur Jauche zur Reduktion der Ammoniak-Abgasung.
Foto: Thomas Sepperer / FH Salzburg

Ein Lösungsansatz wurde an der FH Salzburg entwickelt. "Wir starten jetzt mit der Höheren Bundeslehranstalt für landwirtschaftliche Berufe in Ursprung die ersten Feldversuche", sagen Schnabel und Sepperer. Die Laborversuche sind jedenfalls vielversprechend: Es sei gelungen, durch die Beimengung von feingemahlenem Tanninschaum die Emissionen um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Im größeren Maßstab – also durch die Beimengung von Tanninpulver – liege die Reduktion der Abgasung bei etwa 60 Prozent.

Abgasung vermindern

Und wie funktioniert das? Das Rindenextrakt liegt im sauren Milieu und senkt so den pH-Wert der Jauche; das wiederum reduziert die Umwandlung von Ammonium in das flüchtige Ammoniakgas.

Dazu kommt, dass Tannine Stickstoff an sich binden und so die Abgasung weiter vermindern. Bei den Feldversuchen an der HBLA Ursprung soll nun geklärt werden, wie sich die Tannine in der Gülle auf das Pflanzenwachstum auswirken. (Thomas Neuhold, 24.10.2021)