Auf einen Überraschungseffekt hat Google dieses Mal eher nicht gesetzt: Im Verlauf der vergangenen Wochen hat das Unternehmen zahlreiche Informationen zu seiner neuen Smartphone-Generation vorab ausgeplaudert. Selbst Bilder wurden bereitwillig geteilt, in einigen Ländern wird gar schon auf großen Plakaten sowie in TV-Spots für die neuen Geräte geworben. Da könnte man schon fast vergessen, dass es noch gar keinen offiziellen Launch-Event gab. Diesen hat Google nun am Dienstagabend nachgeholt und damit auch die letzten offenen Fragen beantwortet.

Vorstellung

Mit dem Pixel 6 und dem Pixel 6 Pro gibt es auch heuer wieder zwei neue Smartphones von Google, und doch ist dabei einiges anders als in den Vorjahren. Denn wo sich die beiden Modelle zuletzt nur in der Größe unterschieden, ist dieses Mal auch die restliche Hardwareausstattung in signifikanten Punkten anders – was wohl auch der Grund ist, warum die größere Variante nun "Pro" statt "XL" heißt.

Gleichzeitig ist der Größenunterschied nicht gar so groß wie in früheren Jahren: Das Pixel 6 hat einen 6,4 Zoll großen Bildschirm, das Pro-Modell einen mit 6,7 Zoll. Die zugehörigen Abmessungen sind 158,6 x 74,8 x 8,9 beziehungsweise 163,9 x 75,9 x 8,9 Millimeter. Im Vergleich zum direkten Vorgänger – dem Pixel 5 – sind das also beides sehr große Smartphones. Und auch schwere: Das Gewicht liegt bei 207 bzw. 210 Gramm.

Das Pixel 6 Pro in "Sorta Sunny". Alternativ stehen auch noch "Cloudy White" und "Stormy Black" zur Wahl.
Grafik: Google

Displays

Deutlicher werden die Unterschiede dann schon bei einem näheren Blick auf die verwendeten Bildschirme: Während das Pixel 6 ein FHD+-Panel (2.340 x 1.080 Pixel) mit 90 Hz einsetzt, gibt es bei der Pro-Ausführung 3.120 x 1.440 Pixel (QHD+). Vor allem aber kommt bei letzterem ein LTPO-Display mit einer variablen Bildwiederholrate zum Einsatz, die zwischen 10 und 120 Hz an die jeweiligen Aufgaben angepasst werden kann. Das hilft beim Stromsparen und ist auch schon von aktuellen Apple- und Samsung-Topgeräten her bekannt.

Google Tensor im Zentrum

Schon im Vorfeld sprach der Android-Hersteller vom ersten "echten" Google-Smartphone. Der Grund dafür ist im Inneren des Geräts verborgen: Erstmals befindet sich dort nämlich ein SoC von Google selbst, das Unternehmen will also künftig Hard- und Software im Einklang entwickeln – ganz wie es Apple tut. "Tensor" nennt sich sich dieser Chip und soll bei CPU- und Grafikleistung mit anderen aktuellen Top-Geräten mithalten können. Google spricht hier nur recht vage von einer um 80 Prozent gesteigerten Performance gegenüber dem Pixel 5. Ist relativ gesehen viel, freilich sollte nicht vergessen werden, dass das Vorjahresmodell mit einem Chip aus der oberen Mittelklasse ausgestattet war.

Die wahre Stärke sieht man aber bei den Maschinenlernfähigkeiten von Tensor, die für allerlei smarte Features sowie die Verbesserung der Kamera genutzt werden. Auch der eigene Sicherheitschip Titan ist in einer neuen Generation – M2 – dabei und soll noch besser sein. Das RAM liegt je nach Modell bei 8 oder 12 GB (LPDDR5x).

Neues Design

Mit der Pixel-6-Generation geht ein komplettes Redesign des Äußeren einher. Dabei setzt man auf einen Look, der das Kameramodul deutlich hervorhebt und über die gesamte Breite gehen lässt. Grund für dieses auffällige Design ist, dass es ein komplett neues Kamerasystem gibt, das auch entsprechend mehr Platz braucht. Und anstatt dies mehr oder weniger schlecht zu verstecken, wie es die meisten anderen Hersteller tun, betont man diesen Look gar noch.

Neue Kamera

Die Eckdaten für die neue Google-Kamera sind jedenfalls vielsprechend, hat das Unternehmen doch über die Jahre eindrucksvoll bewiesen, dass man schon aus vergleichsweise schwacher Hardware dank der eigenen Software sehr viel mehr als andere Hersteller herausholen kann.

Der Hardware-Rückstand ist nun jedenfalls Geschichte. Die Hauptkamera ist mit 50 Megapixel angegeben, wobei hier von Haus aus Binning mit 2x2 Pixel betrieben wird, um am Abend besonders lichtstarke Aufnahmen zu bekommen. Die Pixelgröße liegt bei 1,2 μm, durch das Binning entstehen dann wieder Bilder mit 12 Megapixel, die also eine virtuelle Pixelgröße von 2,4 μm aufweisen. Das heißt auch, dass der Sensor physisch erheblich größer (1/1,31 Zoll) ist als jener, den Google zuvor jahrelang eingesetzt hat. 150 Prozent mehr Licht soll er einfangen können, die Blende liegt übrigens bei ƒ/1.85.

Das Kameramodul des Pixel 6 Pro. Der kleineren Ausführung fehlt die Teleskopkamera.
Grafik: Google

Die Hardware ist hier aber aber eben nur die halbe Geschichte. Zu den neuen Software-Möglichkeiten gehört ein Feature namens "Magic Eraser", das mithilfe von künstlicher Intelligenz störende Objekte oder Personen aus einer Aufnahme entfernen kann. Wie gut das wirklich klappt, müssen natürlich erst Tests zeigen. Ähnlich ist das beim "Face Deblur", der bei flotten Aufnahmen Gesichter weniger verschwommen machen soll. Besonderen Fokus hat man zudem darauf gelegt, dunklere Hautfarben besser abzubilden, "Real Tone" nennt Google diese Neuerung. Historisch gibt es hier bei Smartphones üblicherweise grobe Defizite.

Dazu kommt dann noch ein "Bewegungsmodus", der für aktionsreiche Aufnahmen gedacht ist, also etwa um eine Szene mit einem verschwommenen Hintergrund zu versehen. Auch eine echte Langzeitbelichtung für dramatische Aufnahmen von Wasserfällen oder ähnlichen Motiven gibt es.

Besonders hervor hebt man die Verbesserungen bei den Videofähigkeiten. Dank der durchgängigen Verwendung von HDRNet – einer KI-Lösung, die bisher schon bei den Pixel-Geräten genutzt wird, um eine möglichst realistische Vorschau im Viewfinder zu bekommen – soll es hier einen gehörigen Sprung in der Bildqualität geben. Konkret spricht man von besseren Farben und generell ausgeglicheneren Aufnahmen – und zwar selbst bis 4K60.

Pro-Exklusiv

Nur am Pixel 6 Pro gibt es hingegen eine Periskopkamera mit einem 48-Megapixel-Sensor und einer vierfachen Vergrößerung. Dank Googles "SuperResZoom"-Technologie, die aus der Kombination mehrerer Bilder und der leichten Perspektivenveränderung aufgrund des Wackelns der Hand mehr Details als ein klassischer digitaler Zoom herausholt, sollen sich damit aber noch bis zu einem Faktor 20 ansehnliche Aufnahmen ergeben – so zumindest das Versprechen. Dazu kommt bei beiden Modellen noch eine Ultraweitkamera mit 12 Megapixel, die Aufnahmen mit 114 Grad Blickwinkel ermöglicht.

Für Selfies gibt es beim Pixel 6 eine recht konventionelle 8-Megapixel-Kamera. Beim Pro-Modell wird hingegen nicht nur ein 11,1-Megapixel-Sensor verwendet, es handelt sich dabei vor allem um eine Ultraweitwinkelkamera mit einem Betrachtungswinkel von 94 Grad. Anders gesagt: Die Gruppen-Selfies des Pixel 3 geben ein Comeback. Zudem kann die Frontkamera des Pixel 6 Pro auch 4K-Videos aufnehmen.

Akku

Ein neuer Chip bedeutet natürlich auch, dass die Akkulaufzeit der Geräte nur schwer einschätzbar ist. Zumindest gibt es aber mal die Nominalwerte: Der Akku des Pixel 6 ist mit 4.620 mAh angegeben, jener des Pixel 6 Pro mit 5.000 mAh. Im Vergleich zu den Vorgängermodellen wurde die Ladegeschwindigkeit deutlich gesteigert – und zwar sowohl via Kabel als auch drahtlos. Über USB-C gibt es künftig 30 Watt, beim Pixel 5 waren es noch 18 Watt. Drahtloses Laden geht mit bis zu 21 bzw. 23 Watt (letzteres beim Pro-Modell). Dazu passend gibt es eine neue Ladestation von Google, die ähnlich wie jene von Oneplus aktiv gekühlt wird – also einen Lüfter hat. All das sind aber optionale Extras, ein Ladegerät wird nämlich nicht mitgeliefert. Google folgt also in dieser Hinsicht dem Vorbild von Samsung und Apple.

Es gibt 5G-Support, wobei die Unterstützung für mmWave den US-Modellen vorbehalten ist. Angesichts dessen, dass diese Technologie in Europa noch keinerlei Rolle spielt, dürfte das aber für die meisten keinen sonderlichen Verlust darstellen. Dazu passend gibt es Dual-SIM-Support in der Kombination aus E-SIM und Nano-SIM. Auch sonst ist die Hardware in Netzwerkfragen auf dem neuesten Stand, es gibt WLAN 6E sowie Unterstützung für "Ultra Wide Band" (UWB). Die Fingerabdruckerkennung ist von der Rückseite ins Display gewandert. Der lokale Speicherplatz liegt bei wahlweise 128 oder 256 GByte (UFS 3.1), in den USA gibt es auch eine Variante des Pro-Modells mit 512 GByte. Das Pixel 6 (Pro) ist wie gewohnt nach IP68 vor Staub und Wasser geschützt und hat Stereo-Lautsprecher.

Das Pixel 6 besteht dank IP68-Schutz auch im Regen. Hier zu sehen in "Sorta Seafoam", es gibt auch die Farben "Kinda Coral" und "Stormy Black".
Foto: Google

Android 12

Als Software läuft auf den neuen Geräten bereits das nicht minder neue Android 12, wobei dies dank dem Tensor-Chip noch um einige smarte Features erweitert wurde. Dazu gehört etwa die Echtzeitübersetzung von Text, Sprache und Bildern in bis zu 55 Sprachen – und zwar komplett ohne Internet, all das funktioniert also direkt auf dem Gerät und offline. Auch eine neue Sicherheitszentrale sowie eine Erweiterung des Home-Screen-Widgets "At a glance" werden beworben. Bei letzterem sollen künftig allerlei aktuell gerade relevante Inhalte angezeigt werden, etwa bei der Ankunft am Flughafen automatisch der passende Boarding Pass dargeboten werden.

Fünf Jahre Updates

Der neue Chip macht aber noch etwas anderes möglich, und das ist in der Android-Welt tatsächlich ein großer Schritt. Für das Pixel 6 (Pro) baut Google sein Update-Versprechen nämlich deutlich aus. Beide Modelle sollen mindestens drei große Versionssprünge sowie – ebenfalls mindestens – fünf Jahre lang Sicherheitsaktualisierungen erhalten – ab dem Verkaufsstart gerechnet.

Kampfpreise

Bleibt die Frage nach dem Preis, und der verdeutlicht, dass es Google dieses Mal wirklich ernst meint: So wird das Pixel 6 ab 649 Euro verkauft, womit es nur 20 Euro über dem Pixel 5 liegt – obwohl es erheblich stärker ausgestattet ist. Die 899 Euro, die für das Pixel 6 Pro verlangt werden, sind zwar deutlich mehr, aber auch das liegt noch am unteren Ende dessen, was Smartphone-Hersteller derzeit im High-End-Bereich verlangen. An Farbvarianten gibt es Schwarz, Mint und Rot beim Pixel 6, das Pro-Modell ist in Schwarz, Weiß und Gelb erhältlich.

Die Österreich-Lücke

Weniger erfreulich sieht es dann bei der Verfügbarkeit aus: Österreich findet sich nämlich einmal mehr nicht auf der Liste der offiziellen Startländer. Allerdings ist es üblicherweise problemlos möglich, Geräte im deutschen Google Store zu bestellen und über einen Paketweiterleitungsdienst nach Österreich schicken zu lassen – oder darauf zu warten, bis lokale Händler die Geräte selbst importieren. Dieses Jahr hat man zumindest mit der globalen Chipkrise, die einer Ausweitung der offiziellen Verfügbarkeit im Weg stehen könnte, eine taugliche Ausrede.

Theoretisch vorbestellbar

Der Vorverkauf startet jedenfalls umgehend, ausgeliefert sollen die Geräte dann ab dem 28. Oktober werden. Also zumindest theoretisch. Denn der Start der Bestellphase war von konstanten Zusammenbrüchen und technischen Problemen im Google Store gekennzeichnet. Der offizielle "Made by Google"-Twitter-Account bestätigt dies mittlerweile auch.

Für Vorbesteller, die es irgendwie geschafft haben, an ein Gerät zu kommen, gibt es wie schon im Vorjahr eine durchaus interessante Belohnung. Bekommen sie doch Bose-NC-700-Kopfhörer gratis dazu. Diese werden derzeit zu einem Listenpreis von 279 Euro verkauft, damit relativiert sich der Preis also noch weiter. Im Vorjahr gab es eine ähnliche Aktion mit den QC 35 II von Bose, damals funktionierte die Weiterleitung dieses Extras nach Österreich problemlos – wenn auch mit gehöriger Verzögerung. Dieses Jahr streicht die Aktionsseite allerdings heraus, dass dieser Bonus nicht für Weiterleitungen gilt, insofern sollten die Nutzer also besser nicht fix damit rechnen. (Andreas Proschofsky, 19.10.2021)