42 Prozent der österreichischen Bevölkerung im Alter von 14 bis 65 Jahren haben im Zeitraum von Juli 2009 bis Februar 2011 bereits an Glücksspielen teilgenommen. Dies wurde in der ersten Studie zur Prävention der Glücksspielsucht festgestellt. Bloße Gelegenheitsspiele können sich schnell zur Sucht entwickeln. Im Onlinebereich ist das besonders hervorzuheben, weil gerade dort eine starke Ausweitung verbotener Spiele durch zahlreiche Anbieter zu beobachten ist, die ihre Angebote äußerst offensiv bewerben. Dieser Trend hat sich während der Corona-Pandemie noch verstärkt.

Am Online-Markt ist die stärkste Zunahme an Spielsuchterkrankungen erkennbar.
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Wenn ein Glücksspielvertrag über das Internet abgeschlossen und die Entscheidung über Gewinn und Verlust zentralseitig getroffen wird, handelt es sich um eine "elektronische Lotterie", welche nur mit staatlicher Bewilligung durchgeführt werden darf. Das Onlineglücksspiel unterliegt also dem sogenannten Konzessionssystem.

Am Onlinemarkt ist die stärkste Zunahme an Spielsuchterkrankungen erkennbar. Im Gegensatz zu anderen Verhaltenssüchten ist das pathologische, zwanghafte Glücksspiel mittlerweile als eigenständige psychische Erkrankung im internationalen Krankheitsklassifikationssystem der WHO (ICD 11) anerkannt. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass von Onlineglücksspielen ein großes Gefahrenpotenzial ausgeht.

OGH stärkt erneut Spielerschutz mit neuen Entscheidungen

In zahlreichen Verfahren versuchen Online-Kasinos zu argumentieren, dass das Glücksspielmonopol nicht unionskonform sei und sie daher mit Lizenzen aus anderen Staaten auch in Österreich Glücksspiele anbieten dürfen, weshalb Verluste nicht rückforderbar wären.

Dem widerspricht der OGH in drei neuen und aktuellen Entscheidungen (OGH 7. Juni 2021, 5 Ob 30/21d; 20. Mai 2021, 3 Ob 72/21s; 9 Ob 20/21p): Er kommt infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 18.5.2021, C-920/19 Fluctus/Fluentum) zum Ergebnis, dass das österreichische Glücksspielmonopol europarechtskonform ist. Online-Kasinos können sich nicht darauf stützen, dass eine Lizenz aus einem anderen Mitgliedsstaat auch in Österreich Gültigkeit habe. Daher sind Glücksspiele, die von konzessionslosen Anbietern durchgeführt werden, verbotene Spiele iSd § 1272 ABGB. Damit stärkt der OGH auch mit den jüngsten Entscheidungen den Spielerschutz in Österreich.

Das österreichische Konzessionssystem ist europarechtskonform

In Österreich ist der Glücksspielmarkt durch ein duales System geprägt. Einerseits besteht für das gesamte Bundesgebiet eine ausschließliche Konzession zugunsten des Monopolinhabers hinsichtlich Lotterien und Spielbanken. Andererseits unterliegt der Betrieb von Glücksspielautomaten dem GSpG und ist grundsätzlich verboten, kann jedoch durch eine behördlich erteilte Bewilligung zugelassen werden.

In nunmehr zahlreichen aktuellen Entscheidungen wird festgehalten, dass das Glücksspielmonopol (Konzessionssystem) unionsrechtskonform ist: Zurecht gehen sämtliche österreichische Höchstgerichte (VfGH, VwGH, OGH), sowie auch der EuGH von der Unionsrechtskonformität aus. Es ist damit geklärt, dass das österreichische Konzessionssystem nicht gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der EU verstößt. Die Feststellung, dass keine Unionsrechtswidrigkeit vorliegt, gilt gleichermaßen für die teilweise expansionistische Geschäfts- und Werbepolitik der Konzessionsinhaber.

Vom verbotenen Spiel zum legalen Glücksspiel

Personen, die ohnehin bereits spielen, sollen in "kontrollierte Bahnen" gelenkt werden: Statt am unerlaubten, sollen sie am erlaubten Spiel partizipieren. Um dies zu gewährleisten, ist es den Monopolisten gestattet, Werbemaßnahmen zu ergreifen. Um auch jene, die erst durch die aggressiven Geschäftspraktiken der konzessionslosen Anbieter zum Einstieg verleitet werden zu erfassen, ist es den Konzessionären erlaubt, eine an derartige Umstände angepasste Werbepraxis durchzuführen.

Dabei sind, wie bereits vom VwGH ausgesprochen, auch expansionistische Geschäftspraktiken – etwa das Glücksspiel verharmlosende Werbung – zulässig, wenn damit eine "Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll". Der EuGH hat bestätigt, dass selbst erhebliche Werbemaßnahmen gerechtfertigt sind, weil Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien zu berücksichtigen sind.

Zur zivilrechtlichen Rückabwicklung von Spielverlusten

Aktuell gibt es zahlreiche Zivilverfahren in diesem Zusammenhang, welche zum Teil über Prozessfinanzierer geführt werden, da die Verfahren meist teuer und komplex sind. Fraglich war, aus welchem Grund die Spielverluste rückforderbar sind. Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit der Betrachtung des Zivilrechts:

Ein Vertrag, der mit einem nicht konzessionierten Anbieter abgeschlossen wird, ist absolut nichtig iSv § 879 Abs 1 ABGB. Verbotene Spiele begründen nicht einmal eine Naturalobligation und die bezahlte Spielschuld kann zurückgefordert werden, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder des § 1432 ABGB entgegenstünde, weil sich die Entgeltlichkeit nicht auf einen konkreten Leistungsaustausch, sondern auf den Einsatz der Chance bezieht.

Als Rechtsgrundlage für die Rückforderung dienen sowohl das Bereicherungs- als auch das Schadenersatzrecht, zumal der Eingriff in das Glücksspielmonopol überdies eine Schutzgesetzverletzung iSd § 1311 ABGB darstellt. Die Rückforderung ist für sämtliche Glücksspiele (etwa Poker, Walzenspiele, also "Slots", Roulette, Blackjack et cetera) 30 Jahre lang möglich. (Oliver Peschel, 22.10.2021)