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Tschechiens krankem Präsidenten Miloš Zeman könnte demnächst die Macht entzogen werden. Das Bild stammt von einem Staatsbesuch in Wien 2019.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger/File Photo

Prag – In Tschechien verdichten sich die Anzeichen dafür, dass der Weg zu einer neuen Regierung nicht unbedingt über Staatspräsident Miloš Zeman führen wird. Der Verfassungsausschuss des Senats, der Oberen Parlamentskammer, erklärte am Dienstag, die Bedingungen für die Aktivierung des Artikels 66 des tschechischen Grundgesetzes seien aus seiner Sicht erfüllt.

Seit dem Wahlwochenende ist jener Verfassungsartikel in aller Munde. Er regelt, wie die Kompetenzen des Präsidenten verteilt werden, falls dieser seinen Amtsgeschäften – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr nachgehen kann.

Am 8. und 9. Oktober, traditionsgemäß am Freitag und Samstag, war in Tschechien ein neues Abgeordnetenhaus gewählt worden. Am Sonntag, keine 24 Stunden nach dem Schließen der letzten Wahllokale, wurde Zeman in die Intensivstation des Zentralen Militärkrankenhauses in Prag eingeliefert.

Nervosität nach Wahl

Das Rätselraten um seinen Gesundheitszustand war von großer Nervosität begleitet, zumal das Staatsoberhaupt bei der Regierungsbildung eine bedeutende Rolle spielt. Umso heftiger fielen die Vorwürfe gegen "die Prager Burg", aus, also gegen das direkte Umfeld Zemans, das unter Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte des Präsidenten kaum Informationen preisgab.

Am Montagabend aber trat Senatschef Miloš Vystrčil mit Neuigkeiten vor die Presse. Der Senat hatte sich direkt an die Krankenhausleitung gewendet und Auskunft darüber erbeten, ob Zeman amtsfähig sei. Die Antwort: Aus gesundheitlichen Gründen könne der Präsident sein Amt momentan nicht ausüben. Und: Dass sich die Situation in den nächsten Wochen ändern werde, sei wenig wahrscheinlich.

Erster Schritt

Dass daraufhin gleich am Dienstag die Verfassungskommission des Senats zusammentrat, gilt als erster Schritt im Zusammenhang mit dem eingangs erwähnten Artikel 66 des Grundgesetzes. Ihm zufolge müssen beide Parlamentskammern jeweils per Mehrheitsbeschluss feststellen, dass das Staatsoberhaupt amtsunfähig ist. Danach gehen seine wichtigsten Kompetenzen auf den Chef des Abgeordnetenhauses und den Premierminister über.

Bei der Wahl haben zwei rechtsliberale Bündnisse, die gegen den amtierenden Premier Andrej Babiš und seine liberalpopulistische Partei Ano angetreten waren, eine Mandatsmehrheit erlangt. Babiš, der als Verbündeter Zemans gilt, kündigte an, einer Regierungsbildung durch sie nicht im Wege zu stehen. Die Regierung ernennen muss letztlich aber Zeman – oder eben der Chef des neuen Abgeordnetenhauses, das am 8. November erstmals tagen soll. (Gerald Schubert, 19.10.2021)