Oft drängt es sogar Publizisten hinaus in die Sphäre der Macht: DDr. Günther Nenning 1984, als Au-Hirsch verkleidet (li. von ihm: Schauspielerin Maria Bill).

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Viel Kritisches ist über die Chat-Gewohnheiten unseres letzten Bundeskanzlers angemerkt worden. In der Tat scheint sich Sebastian Kurz nicht nur mit Ziehvätern in seiner Volkspartei überworfen zu haben. Er hat – im vertraulichen Geschnatter mit einigen seines pfiffigsten Gardesoldaten – eine Unbedenklichkeit im Ausdruck an den Tag gelegt, die vielen als intolerabel erscheint. Es sei denn, man bedenkt das geringe Lebensalter des Waldviertlers aus Meidling. Und legt es zu seinen Gunsten aus.

Als ich, ein rundlicher Babyboomer, an der Kippe zum Gymnasium stand, glichen Politiker am ehesten Pensionisten im Park: Sie trugen Hosen, deren Bund ihnen etwa bis zur Brust reichte. Ich vermutete, sie alle nahmen vor dem Schlafengehen das Gebiss aus dem Mund und steckten es in ein Glas, wo es fortan hämisch in die Nacht hineingrinste. In meiner Vorstellung rochen Politiker allesamt nach Zigarren – mit der einen, entscheidenden Ausnahme von Bruno Kreisky, dem großen Reformer: Der roch, so glaubte ich, nach Pitralon. (Ich vermutete einfach, er dufte ebenso herb-edel wie mein Papa.)

Erste Niederlagen

Aufgrund meines Plappermaules schlug man mich früh für die Klassensprecherwürde vor. Glanzlos unterlag ich meinem Widersacher im ersten Wahldurchgang. Als Beiträger in der Schülerzeitung empfahl ich den "Jungprofessorinnen" an unserer Lehranstalt gönnerhaft, sich tunlichst zu entkrampfen. Meine Mutter wurde fortan pünktlich von ihnen zu jedem Elternsprechtag einbestellt und über meine charakterlichen Defizite ausführlich in Kenntnis gesetzt. Mama flossen bittere Tränen der Scham über die Backen.

Als ich meine politischen Reifejahre endlich erreicht gehabt hätte, war es für eine politische Karriere längst zu spät. Ich war endgültig praktizierender Linksdilettant geworden. Wer konnte, bewegte seinen, wie Thomas Schmid sagen würde: "riesen oasch" nach Hainburg, in die Stopfenreuther Au, um ein Stück Wildnis vor der drohenden Rodung zu retten. Das ohnehin nicht sehr geländegängige Geilomobil wäre dort draußen unter Garantie im Morast steckengeblieben. (Ronald Pohl, 20.10.2021)