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Das neue Zuteilungssystem für Pflichtschullehrer in Wien sorgt weiter für Aufregung. Vertreter der Elterninitiative "Bessere Bildung jetzt" befürchten für das nächste Schuljahr gravierende Folgen für Integrations- und Mehrstufenklassen und verschränkte Ganztagsschulen. Sie haben für heute zu einer Demo aufgerufen, unterstützt werden sie von ÖVP und Grünen. Im Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) verteidigt man die Reform weiter und ortet Fehlinformationen.

Neue Kontingentsverteilung

Kurz vor den Sommerferien hatte Wiederkehr eine Umstellung des bisherigen Systems der Lehrerzuteilung an Pflichtschulen (v. a. Volks-, Mittel-, Sonderschulen) angekündigt. Das bisherige System sei historisch gewachsen und intransparent gewesen. Dadurch hätten manche Standorte unverhältnismäßig viele Posten erhalten, die an anderen Schulen gefehlt hätten. Das neue System sieht für Schulen ein Basiskontingent vor, für das die Zahl aller Schüler durch die (fiktive) Klassenschüleranzahl 25 dividiert wird. Pro Schüler gibt es einen Zuschlag. Zusatzressourcen erhalten auch definierte pädagogische Projekte (wie etwa Schulschwimmen oder muttersprachlicher Unterricht), Standorte mit vielen Schülern mit Förderbedarf sowie vom Bund finanzierte Maßnahmen wie Deutschförderklassen.

In der Praxis sind durch diese Umverteilung sowohl an Volks- als auch an Mittelschulen rund die Hälfte der Standorte mit weniger Posten ausgestiegen als bisher. Als Ausgleich für besonders große Einbußen gab es zusätzliche 2.200 Lehrerstunden (das sind 100 Posten) sowie für 2021/22 einen sogenannten Übergangsbonus.

Lehrer warnen vor massiven Kürzungen

Letzterer ist auch der Grund dafür, dass die Demo-Organisatorinnen und -Organisatoren Kürzungen im kommenden Schuljahr befürchten. Im Schuljahr 2022/23 werde es aufgrund massiver Einsparungen keine Integrationsklassen, keine reformpädagogischen Konzepte, keine individuelle Förderung und keine verschränkten Ganztagsschulen mehr in Wien geben, warnen sie. Sie starten ihre Demo um 16.30 Uhr auf dem Heldenplatz unter dem Motto "Wir schreien so lange, bis ihr uns hört" und ziehen dann zunächst zur Wiener Bildungsdirektion in der Wipplingerstraße. Das Finale ist für 18.30 Uhr auf dem Minoritenplatz vor dem Bildungsministerium angesetzt.

Im Wiener Bildungsressort kann man die Befürchtungen nicht nachvollziehen, wird dort gegenüber der APA betont. Auch weitere Kürzungen, wie sie von der Elterninitiative erwartet werden, soll es laut Büro Wiederkehr nicht geben. Eine Abschaffung des Übergangszuschlages für 2022/23 stehe nicht zur Debatte, für die Folgejahre könne man noch keine Aussage treffen.

Keine "Dreifachbesetzung" mehr

Sowohl für Volks- als auch für Mittelschulen gebe es im heurigen Jahr insgesamt mehr Lehrerstunden pro Schüler als im Jahr davor. Weniger Ressourcen hätten jene Standorte, die weniger Schüler und Klassen bzw. weniger außerordentliche Schüler hatten. Außerdem betroffen waren Schulen, die in der Vergangenheit besonders viele Ressourcen bekommen hatten. Die Planstellen seien zu Standorten und Schülern gewandert, die in den Jahren zuvor benachteiligt gewesen wären.

Weder in Mehrstufenklassen, in denen Kinder unterschiedlichen Alters unterrichtet werden, noch in Integrationsklassen, in denen Kinder mit und ohne Beeinträchtigung unterrichtet werden, gebe es Kürzungen. Die Zahl der Mehrstufenklassen sei im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen, an einigen Schulen seien allerdings lediglich über Projektplanstellen bedeckte Mehrstufenklassen weggefallen. Um allen Schulen innovative Unterrichtsformen zu ermöglichen, gebe es außerdem keine Dreifachbesetzung mehr in Klassen. Bei integrativen Mehrstufenklassen soll es aber eine durchgehende Doppelbesetzung geben, versichert man im Büro Wiederkehr. Auch zwei Lehrkräfte pro Integrationsklasse (in der Volksschule ständig, in der Mittelschule überwiegend) werde es weiterhin geben. Dass künftig laut den Demo-Initiatoren 25 Schüler in einer Integrationsklasse sitzen sollen, könne die Bildungsdirektion nicht nachvollziehen.

"Falsche Gerüchte" laut Bildungsressort

Auch zur Zukunft der verschränkten Ganztagsschulen, an denen sich Unterrichts-, Lern- und Freizeit abwechseln, würden von der Elterninitiative "viele unhaltbare Gerüchte" verbreitet. Die Behauptung, dass es verschränkte Ganztagsschulen künftig nicht mehr geben solle, sei "absurd": Immerhin wende die Stadt Wien enorme Mittel dafür auf, jedes Jahr kämen zehn neue Standorte dazu, und das Angebot sei gerade kostenlos gemacht worden. Allein heuer würden 200 zusätzliche Freizeitpädagoginnen und -pädagogen dafür angestellt.

Die Wiener Oppositionsparteien haben unterdessen im Vorfeld der Demo ihre Kritik an der Reform erneuert: Die ÖVP Wien bemängelt via Aussendung, dass trotz so vieler Lehrerplanstellen vom Bund wie nie zuvor viele Wiener Schulen und Klassen auf der Verliererliste der Stadtregierung stünden. Für die Wiener Grünen werden nunmehr die Folgen der "Neos-Kürzungen" sichtbar: Viele Schulen hätten langjährige erfolgreiche Projekte beenden müssen. (APA, red, 19.10.2021)