48 Prozent der Fläche Österreichs sind bewaldet. Das entspricht rund 5,5 Millionen Fußballfeldern.
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Er ist zugleich Erholungsgebiet und Holzproduzent, Kohlenstoffspeicher und Lebensraum für Wildtiere: Der Wald hat viele Funktionen, doch der Klimawandel droht vielen Bäumen das Wasser abzugraben. Neue und an Trockenheit besser angepasste Arten sollen Abhilfe schaffen, dennoch ist klar: Der Wald der Zukunft wird anders aussehen als der heutige.

Knapp die Hälfte Österreichs ist mit Wald bedeckt; das sind rund 3,4 Milliarden Bäume. Sie gehören 65 verschiedenen Arten an, wobei die weitaus meisten Fichten sind. Der sogenannte Brotbaum der Forstwirtschaft wurde so gut wie überall angepflanzt, weil er recht anspruchslos ist, was seinen Standort angeht, schnell wächst und vielseitig verwendbares Holz liefert.

Allerdings braucht die Fichte relativ viel Wasser, das ihr im Zuge zunehmender Hitzeperioden und steigender Trockenheit an vielen Standorten auszugehen droht. Vor allem im Mühl-, Wald- und Weinviertel sowie im Burgenland und im Grazer Becken stehen ihre Langzeitchancen schlecht. Um sie zu ersetzen, werden am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) trockenheitsresistente Varianten der in Österreich vorhandenen Baumarten ebenso untersucht wie mögliche Neuzugänge.

"Klimafitte" Aufforstung

18 Prozent der österreichischen Wälder gehören dem Bund, Land und Gemeinden, der Rest befindet sich in Privatbesitz. Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder mit seinem Wald machen kann, was er will: Flächen, die als Wald gewidmet sind, müssen das gemäß österreichischem Forstgesetz auch bleiben.

Im Falle eines Kahlschlags muss der Besitzer dafür sorgen, dass dort innerhalb von fünf Jahren wieder Wald aufkommt – unabhängig davon, ob die Bäume zwecks Holzgewinnung gefällt worden sind oder einer Naturkatastrophe wie Sturm oder Borkenkäferbefall zum Opfer gefallen sind.

Die Aufforstung sollte möglichst mit Baumarten erfolgen, die "klimafit" sind, also auch unter wärmeren und trockeneren Bedingungen als bisher üblich gedeihen. Das entsprechende Pflanzgut ist nicht immer leicht zu bekommen – noch dazu, wenn es möglichst aus einer bestimmten Region und Höhenstufe stammen soll.

Begehrte Douglasie

Um solche Bäume zur Verfügung stellen zu können, betreibt das BFW 52 von insgesamt 72 forstlichen Samenplantagen in Österreich. Dabei ist es wichtig, dass die Spezies eine hohe genetische Vielfalt aufweisen, denn nur so sind daraus entstehende Wälder vor Totalausfällen, etwa durch Krankheiten, geschützt.

Saatgut von stark nachgefragten Nadelhölzern wie der Douglasie ist schwer zu bekommen.
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An entsprechendes Samenmaterial zu kommen, ist jedoch nicht immer einfach, besonders dann, wenn es sich um nichtheimische, aber in Zukunft erwünschte Arten handelt, wie etwa die aus Nordamerika stammende Douglasie. Sie wird häufig als neues Nadelholz propagiert und daher stark nachgefragt.

"Das Problem ist, dass es für Bäume wie die Douglasie oder die Roteiche immer schwieriger wird, Saatgutnachlieferung aus ihren Ursprungsgebieten zu bekommen", sagt Heino Konrad, Abteilungsleiter für ökologische Genetik am BFW, "weil es auch dort durch den Klimawandel Probleme mit der Samenbildung gibt, andererseits die dortigen Forstleute das Saatgut selbst nutzen oder die Art erst gar nicht zur Saatgutherstellung verwenden."

Die österreichischen Bestände der an sich vielversprechenden Douglasie produzieren nur wenig Saatgut, und dieses hat oft nur geringe Keimkraft. Für Konrad ein Zeichen dafür, dass das Ausgangsmaterial, aus dem sie stammen, schon sehr wenig genetische Variabilität aufgewiesen hat und es daher zu Inzuchteffekten kommt.

Saatgutimporte

Doch auch heimische Baumarten sind nicht immer so ohne weiteres zu bekommen, vor allem wenn es sich um Spezies handelt, die bisher forstwirtschaftlich keine große Rolle gespielt haben.

Beim Bergahorn etwa, der zurzeit am häufigsten aufgeforsteten Laubbaumart Österreichs, stammen immerhin 85 Prozent des Saatguts aus heimischen Quellen, beim Spitzahorn allerdings nur fünf Prozent; der Rest wird aus Nachbarländern eingeführt.

Die Saatgutgewinnung ist auch nicht so einfach, wie man denken sollte: In einem guten Jahr kann ein Ahorn zwar bis zu 160.000 Flügelfrüchte produzieren, doch die Menge schwankt von Jahr zu Jahr beträchtlich.

Davon abgesehen, ist der Anteil der Früchte, die keimfähig sind, sehr unterschiedlich. Das Ausgangsmaterial ist in Österreich jedoch gut: Ein kürzlich abgeschlossenes Forschungsprojekt des BFW bescheinigte beiden Ahorn-Arten eine hohe genetische Vielfalt.

Umstellung auf Mischwald

Große Ahorn-Wälder wird es jedoch auch in Zukunft nicht geben, denn weder Berg- noch Spitzahorn bilden flächendeckende Bestände aus, wie wir sie von Fichte oder Buche kennen. Damit könnten sie allerdings im Trend liegen, denn die Zukunft der Forste liegt im Mischwald, wie Konrad betont: "Die Waldbauern müssen jetzt weg von den Reinbeständen. Um ihr Risiko bei Borkenkäferbefall oder Krankheiten zu streuen, müssen sie mindestens drei bis fünf Baumarten pflanzen, die für den jeweiligen Standort passen."

Eine wichtige Rolle dürften in Zukunft vor allem Eichen spielen, weil sie gut mit Trockenheit zurechtkommen, doch auch im Spitzahorn und der Vogelkirsche sieht Konrad Potenzial.

Bäume für die Ewigkeit: Eichen sind nicht nur wegen ihres harten Holzes begehrt, sie kommen auch gut mit Trockenheit zurecht. Im Wienerwald etwa werden sie in Zukunft die derzeit dominierende Buche ersetzen, sagen Modelle voraus.
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Hoffnungen werden auch in Vertreter heimischer Arten aus südlicheren Verbreitungsgebieten gesetzt, die mit Hitze und Trockenheit besser zurande kommen. Dabei können kleinräumige Klimamodelle Unterstützung leisten. So führte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), eine Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums, kürzlich eine Pilotstudie im Bezirk Horn im nördlichen Waldviertel durch, wo es in den vergangenen Jahren durch Dürre und Borkenkäferkalamitäten zu massiven Ausfällen bei der Fichte kam.

Resistente Bäume auf dem Balkan

Die Idee war, Regionen zu finden, in denen jetzt schon die klimatischen Verhältnisse herrschen, die im Waldviertel in Zukunft zu erwarten sind. Dabei wurden verschiedene Klimaszenarien betrachtet, die Erhöhungen der Jahresmitteltemperatur in Horn zwischen 1,2 Grad Celsius (klimafreundlichstes Szenario) und fünf Grad (Worst Case) bis zum Ende des Jahrhunderts zeigen, wie Klimaforscherin Katharina Enigl von der ZAMG ausführt.

Als besonders vielversprechendes Gebiet konnten die ZAMG-Wissenschafter den Balkanraum identifizieren. Viele der auch in Österreich heimischen Arten sind dort deutlich besser an Wärme und Trockenheit angepasst als bei uns.

Das liegt laut Silvio Schüler, Leiter des Instituts für Waldwachstum, Waldbau und Genetik am BFW, daran, dass viele Arten die Eiszeit auf dem Balkan überdauert und dabei ihre volle genetische Vielfalt behalten haben. Die Rückeroberung Mitteleuropas hingegen erfolgte durch verhältnismäßig kleine Populationen, wodurch ein Teil der genetischen Variabilität verlorenging.

Ein typisches Beispiel dafür ist die Weißtanne, deren süditalienische Vertreter deutlich besser mit warmem Klima zurechtkommen als die österreichischen: Auch sie können auf eine deutlich höhere genetische Vielfalt zurückgreifen.

Weltweite Waldzerstörung

Während trotz aller Probleme die Waldfläche in Österreich jährlich mehr wird, nimmt sie weltweit ab, auch wenn die Geschwindigkeit der Entwaldung in den vergangenen Jahren etwas zurückgegangen ist: Wurden in den 1990er-Jahren noch 16 Millionen Hektar Wald pro Jahr zerstört, waren es 2020 "nur" noch zehn Millionen.

Gleichzeitig erfolgten großflächige Aufforstungen in manchen Ländern wie China, Vietnam oder der Türkei, die jedoch den Rückgang der globalen Waldfläche bisher nicht ganz wettmachen konnten, erklärt Michael Kleine, stellvertretender Direktor des Internationalen Verbands forstlicher Forschungsanstalten (IUFRO).

Demgegenüber stehen massive Bedrohungen des Waldes weltweit: Besonders in Lateinamerika muss er allzu oft Viehzucht und Sojaanbau sowie in Asien Palmölplantagen weichen, während vor allem in Afrika Bäume häufig lokaler Brennholz- und Holzkohlennutzung zum Opfer fallen. Dazu kommen neben Holzraubbau noch Infrastruktur- und Tagebauprojekte.

Der Wille zum Wald

Die zugrunde liegende Schwierigkeit ist laut Kleine ein Landnutzungsproblem: "Nachhaltige Waldwirtschaft gibt es erst dann, wenn eine grundsätzliche Entscheidung für den Wald getroffen wurde", erklärt der ausgebildete Waldbauer.

Dieser Wille zum Wald kann jedoch nicht verordnet werden, sondern muss "an Millionen Orten lokal mit den Besitzern, Nutzern und örtlichen Instanzen verhandelt werden", sagt Kleine, der selbst unter anderem ein Projekt im ostafrikanischen Malawi betreut, bei dem von den Schulkindern bis zu den Erwachsenen alle im nachhaltigen Umgang mit Wald- und Baumressourcen geschult werden.

Dabei muss laut Kleine nicht überall "Wald im europäischen Sinne" entstehen, also ein Meer von Bäumen. Vor allem in bevölkerungsreichen, wirtschaftlich schwachen Regionen gibt es den dafür nötigen Platz einfach oft nicht.

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Brände und Rodungen bedrohen Wälder (hier der Amazonas) weltweit.
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Es sei schon viel gewonnen, wenn man es schafft, einzelne Bäume zu erhalten, etwa als oberste Schicht einer landwirtschaftlichen Etagennutzung: "Da kann unten Gras für Nutztiere sein oder Gemüse angebaut werden, darüber gibt es fruchttragende Sträucher und ganz oben die Baumkrone, deren Blätter auch als Tiernahrung dienen können", sagt Kleine. Wenn Bäume nicht mehr Hindernisse auf einer Weide sind, sondern als nutzbare Ressource erkannt werden, ist die lokale Bevölkerung auch eher bereit, sie zu erhalten.

Vermehrte Waldbrände

Als wären die vom Menschen ausgehenden Gefahren für den Wald nicht genug, kommen seit einiger Zeit noch die Auswirkungen des Klimawandels dazu, wie vermehrte Brände, Krankheiten und Stürme. Besonders problematisch ist Feuer: Bäume verbrauchen zwar CO2 beim Wachstum, geben es aber wieder ab, wenn sie absterben und zersetzt werden. Dazwischen können Jahrzehnte bis Jahrhunderte liegen, wobei junge Wälder, die viele wachsende Bäume enthalten, mehr Kohlenstoff aufnehmen als sie abgeben.

In sehr alten Wäldern halten sich hingegen Aufnahme und Abgabe in etwa die Waage, wobei in ihrem Holz große Mengen an Kohlenstoff sicher gebunden sind. Bei einem Waldbrand wird das gespeicherte CO2 mit einem Schlag frei und trägt damit noch weiter zur Erderwärmung bei. Stürme und Krankheiten, die ebenfalls in kurzer Zeit zahlreiche Bäumen vernichten können, verschärfen die Treibhausproblematik zusätzlich.

Kein Allheilmittel

Doch selbst bei besten Bedingungen ist der Wald kein Allheilmittel gegen den Klimawandel: Wenn es die Land- und Forstwirtschaft bis zum Jahr 2100 schafft, die Treibhausgase aufzufangen, die sie selbst durch Düngung, Viehhaltung und Holznutzung produziert, wäre laut Kleine schon viel gewonnen: "Die anderen Sektoren müssen für sich selbst sorgen. Der Wald kann zusätzlich nur zu einem sehr geringen Teil die Emissionen aus fossilen Energieträgern aufnehmen. Bis 2050 muss damit Schluss sein."

Gleichzeitig plädiert er dafür, verschiedene Waldnutzungssysteme in der Klimadebatte nicht gegeneinander auszuspielen: "Ein Wirtschaftswald, bei dem ich auf die Baumgesundheit und Artenvielfalt achte und aus dem ich periodisch Holz entnehme, ist nicht weniger klimafreundlich als ein unter Schutz stehender Primärwald, der seit Jahrhunderten forstlich nicht genutzt wird."

Apropos: Wie wird sich der Klimawandel auf die österreichischen Wälder auswirken, in denen nichts gepflanzt werden darf, wie in den Kernzonen von Nationalparks? Neue Bäume kommen dort ausschließlich durch den natürlichen Eintrag von Samen auf.

Sollte es zu wenig Bäume in der Nähe geben, kann die Verjüngung sehr lange dauern, führt Konrad aus, und eventuell durch andere Arten als bisher erfolgen. Zum Zug kommen könnten relativ trockenheitstolerante Pioniere wie die Birke oder die Zitterpappel: Da sie viel Licht brauchen, werden sie gewöhnlich bald von konkurrenzstärkeren Arten verdrängt.

Doch das muss nicht unbedingt so bleiben, denn die Wälder der Zukunft werden nicht nur trockener, sondern auch nicht mehr so dicht sein und damit lichter werden, ist Konrad überzeugt. Für den Wienerwald sagen Modelle übrigens eine Zunahme der Eichen voraus, denn die derzeit dominierende Buche dürfte sich in Zukunft an vielen Standorten eine Höhenstufe nach oben verlagern. (Susanne Strnadl, 5.11.2021)