Justizministerin Alma Zadić (Grüne) beteuert, die Kronzeugenregelung verlängern zu wollen.

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Politisch gesehen gäbe es kaum einen besseren Zeitpunkt, um über die Kronzeugenregelung zu sprechen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen einen nunmehrigen Ex-Bundeskanzler, dessen Vertraute, sogar eine Regierungspartei wird als Beschuldigte geführt. Das Thema Korruption steht ganz oben auf der Tagesordnung der Republik. Es bietet sich also an, auch über jenes Gesetz zu sprechen, das es Straftätern erlaubt, im Austausch gegen Straffreiheit auszupacken und Mittäter zu belasten.

Die Kronzeugenregelung liegt aber aus einem viel pragmatischeren Grund auf dem politischen Tapet: Sie läuft aus. Das entsprechende Gesetz wurde 2016 nur befristet verlängert. Handelt die türkis-grüne Bundesregierung nicht bis zum Jahresende, gibt es ab 2022 in Österreich keine Kronzeugenregelung mehr.

Dieses Szenario will Justizministerin Alma Zadić (Grüne) jedenfalls verhindern. Das hat die Ministerin auch im Justizausschuss des Parlaments am Dienstag bekräftigt. Eine interne Evaluierung laufe, man müsse sich aber mit dem Koalitionspartner noch politisch einigen.

Lösung angekündigt

Es dürfte sich also innerhalb der Regierung spießen, was die Verlängerung des Gesetzes betrifft – auch wenn seit fünf Jahren klar ist, dass diese ansteht. Woran es hakt, war am Dienstag nicht in Erfahrung zu bringen. Die türkise Justizsprecherin Michaela Steinacker erklärte in der Vorwoche in der Kleinen Zeitung nur: "Es wird zeitgerecht eine Lösung geben."

Zeitgerecht würde in diesem Fall bedeuten: noch 2021. Dem Vernehmen nach soll das Gesetz in der nächsten Sitzung des Justizausschusses Anfang Dezember behandelt werden.

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim drängt jedenfalls darauf. "Eine an der Aufklärung mutmaßlicher Korruption interessierte Regierung muss die Kronzeugenregelung deswegen verlängern. Sonst ist offensichtlich, dass hier etwas versteckt werden soll", sagt sie. Yildirim fordert darüber hinaus, die aktuell geltende Regelung nicht unverändert weiterzuführen, sondern zu verbessern: Es fehle den potenziellen Kronzeugen derzeit etwa an Rechtssicherheit, was ihre Straffreiheit betrifft. Darüber hinaus müssen die Täter besonders früh im Verfahren auspacken, die Hürden seien zu hoch, sagt Yildirim.

"Vor allem sollte die Neuregelung nicht mehr befristet, sondern unbefristet sein, damit wir in fünf Jahren nicht wieder die gleiche Debatte haben", sagt die SPÖ-Mandatarin.

Zu schwache Anreize

Die Kritikpunkte der Sozialdemokratin decken sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen jener Evaluierung aus dem Jahr 2015, die das Justizministerium vor der letzten Verlängerung des Gesetzes beim Institut für Rechts und Kriminalsoziologie in Auftrag gegeben hat: Am Ende motiviert die Regelung mögliche Kronzeugen nicht ausreichend, die Anreize sind zu schwach. Inhaltliche Folgen hatte die umfangreiche Kritik damals allerdings nicht, die österreichische Kronzeugenregelung ist seit ihrer Einführung im Jahr 2011 de facto unreformiert in Kraft.

Noch ein weiteres Gesetzesvorhaben aus dem Bereich der Korruptionsprävention drängt: Bis zum 17. Dezember muss Österreich die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern umsetzen. Es geht einerseits um sichere Kommunikationswege für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die etwa krumme Geschäftspraktiken ihrer Firma melden wollen – auch unternehmensintern. Andererseits sollen diese Hinweisgeber besser vor Entlassungen, Schikanen oder Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden.

Derzeit liegt dafür kein Gesetzesentwurf vor. Aus dem Büro des zuständigen Arbeitsministers Martin Kocher heißt es auf STANDARD-Anfrage nur, dass mit dem grünen Koalitionspartner verhandelt werde und man die Richtlinie jedenfalls rechtzeitig umsetzen werde. (Sebastian Fellner, 20.10.2021)