Entdeckung: Neun verschollen geglaubte Gemälde von Hilda Polsterer werden gezeigt. Hier "Frauen-Porträt vor Fenster" (1947-1955).
Foto: Raffael F. Lehner

Wieder sind 20 Jahre um. Etwa zwei Jahrzehnte nach der Auflösung des Art Club wurden die Werke der darin vertretenen – männlichen – Künstler 1981 in einer unter Otto Breicha organisierten Wanderausstellung gezeigt. Wieder 20 Jahre danach widmete sich Wolfgang Denk als Gründungsdirektor der Kunsthalle Krems mit dem ebendort präsentierten Ausstellungsprojekt Mythos Art Club der legendären Wiener Künstlervereinigung der Nachkriegszeit.

Das war 2003. Primär fanden sich darin renommierte Namen wie Albert Paris Gütersloh, Alfred Schmeller, Fritz Wotruba oder Friedensreich Hundertwasser, als weibliche Vertreterinnen wurden immerhin die zwei Mitbegründerinnen Maria Biljan-Bilger und Susanne Wenger gezeigt. Nun – wieder fast zwei Dekaden später – macht die Landesgalerie Niederösterreich reinen Tisch.

Unter dem Schlagwort Aufbrüche stehen erstmals und ausschließlich die Künstlerinnen des Art Club im Fokus. Erstaunlicherweise waren diese – an der damals männlich dominierten Kunstwelt gemessen – darin relativ präsent: Von den 64 Mitgliedern waren zwölf Frauen.

Ein kuratorisches Team um die Kunsthistorikerin Brigitte Borchhardt-Birbaumer sowie den Direktor der Landesgalerie, Christian Bauer, (mit Wolfgang Denk, Kerstin Jesse und Johanna Ortner) hat es geschafft, tatsächlich Werke von allen (bisher zugeordneten) Künstlerinnen zu vereinen.

Göttinnen aus Ton: Skulpturen von Maria Biljan-Bilger. (1979/80)
Foto: Raffael F. Lehner

Unbekannte Werke

Dass davon manche zum ersten Mal überhaupt ausgestellt werden, zeigt den teils immer noch nicht zur Gänze erforschten Abschnitt der österreichischen Kunstgeschichte. Für das Projekt habe man sich auf "terra incognita" begeben, erklärt Christian Bauer, der noch bis Ende des Jahres am Haus bleibt, bis er Gerda Ridler die Leitung übergibt. Teilweise wurden bisher unbekannte Werke (wie neun Ölgemälde von Hilda Polsterer) sowie Lebensdaten (von Marcia Hopman) ausgegraben. Jede der zwölf Künstlerinnen erhält einen eigenen Bereich in der Schau, Biografie und Werk werden Hand in Hand vermittelt.

Der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete (und bis Ende der 1950er-Jahre bestehende) Art Club diente nicht nur als wichtige Plattform für Malerei, Bildhauerei, Musik oder Literatur sowie als Ort für Diskurs und künstlerische Freiheit. Sondern bot auch manchen Künstlerinnen erste Möglichkeiten: In den traditionellen Ausstellungshäusern wie der Secession oder dem Künstlerhaus durften sie ihre Kunstwerke nur in Gruppenausstellungen zeigen.

"Die Tänzerin" (1938) von Greta Freist, deren Pariser Atelier als wichtiger Treffpunkt der Art-Club-Mitglieder galt.
Foto: Sammlung Österreichische Nationalbank

Keine Teenager

Wenngleich die Situation auch im Art Club keine gänzlich gleichberechtigte war, konnten beispielsweise Maria Lassnig und Maria Biljan-Bilger Solopräsentationen im berühmten Wiener Künstlertreffpunkt Strohkoffer im Keller der heutigen Loos-Bar eröffnen.

Abgesehen von den herausragenden Kunstwerken der Künstlerinnen macht die übersichtliche Schau darauf aufmerksam, welche Bedeutung Netzwerkerinnen wie Greta Freist oder Agnes Muthspiel mit ihren Salons als soziale Treffpunkte erfüllten. Ein spannender Aspekt: Die meisten der Frauen waren 1947 bei der Gründung des Art Club zwischen 30 und 50 Jahren alt, hatten Lebenserfahrung und sich teils im Widerstand während des Krieges betätigt. Die Männer hingegen waren großteils oft noch Teenager, Arnulf Rainer und Ernst Fuchs beispielsweise erst 17 Jahre alt.

Moderner Einfluss: "Kornfeld" (1958) von Gerhild Diesner.
Foto: Privatbesitz, courtesy Galerie Maier, Innsbruck

Feministische Moves

Als Merkmal des Art Club bestanden Surrealisten und Abstrakte friedlich und parallel zueinander. Diverse Stile und Techniken finden sich auch in den Werken der Künstlerinnen, die von Ende der 1930er-Jahre bis in die 1970er entstanden. Heute kann ihr Wirken als eine feministische Avantgarde der frühen Nachkriegszeit eingeordnet werden.

Da sind die Tapisserien und Göttinnen aus Ton von Maria Biljan-Bilger, bei denen sie sich bewusst damals als "typisch weiblich" geltender Techniken bediente und diese neu besetzte. Da sind die abstrakten Formenwelten bei Greta Freist, die mit figurativen Arbeiten wie Die Tänzerin brechen. Da sind frühe, noch surreale Zeichnungen von Maria Lassnig. Da sind an Van Gogh oder Gauguin erinnernde bunt-flächige Szenen bei Gerhild Diesner. Da sind die spirituellen Tieranalogien von Susanne Wenger. Da sind die verspielten Figuren auf Stoff bei Johanna Schidlo. Alle sind sie da – und haben Raum für sich. (Katharina Rustler, 20.10.2021)