Ein Habichtskauz, geboren im März im Tiergarten Schönbrunn, brach im August zu seinem neuen Leben in der Wildbahn auf.
Foto: APA / Daniel Zupanc

Er ist zwar nur die zweitgrößte heimische Eule nach dem Uhu, imposant ist der Habichtskauz aber allemal. Im Sitzen misst er rund einen halben Meter, und seine Flügelspannweite beträgt mehr als einen Meter.

Das bewahrte ihn in der Vergangenheit allerdings nicht vor Unbill: Mitte des 20. Jahrhunderts war er in ganz Österreich ausgestorben. Seit 14 Jahren bemüht sich ein Projekt um die Wiederansiedlung des Habichtskauzes. Mit beachtlichen Erfolgen – zu tun gibt es aber noch einiges.

Dass es vor rund 70 Jahren keine Habichtskäuze in Österreich mehr gab, lag einerseits daran, dass viele Vögel geschossen wurden, und andererseits daran, dass sie in den zunehmend intensiv bewirtschafteten Wäldern nicht mehr die nötigen Brutbedingungen fanden. Mittlerweile steht die Art unter strengem Schutz; gleichzeitig werden manche Wälder heute nachhaltiger genutzt und sind dadurch für die Käuze wieder attraktiver.

Ungenutzter Wald

Das ließ 2007 die Idee entstehen, die Wiederansiedlung der großen Eulen in Österreich zu versuchen. Als vielversprechende Flächen dafür identifiziert wurden das Wildnisgebiet Dürrenstein in Niederösterreich, wo der Wald forstlich nicht genutzt wird, und der Biosphärenpark Wienerwald am Rand der Bundeshauptstadt, wo es mehr als 30 außer Nutzung gestellte Kernzonen gibt.

Seit 2009 konnten insgesamt 460 Jungkäuze in die Natur entlassen werden, die in Zuchtstationen in sieben Ländern gezüchtet wurden, darunter im Tiergarten Schönbrunn, in der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee in Niederösterreich und in den Blumengärten Hirschstetten der Stadt Wien.

Die Freilassung erfolgt, wenn die Jungen rund drei Monate alt sind. Nach zwei bis drei Wochen in einem Freilandgehege werden sie noch rund zwei Monate mit Nahrung versorgt, ehe sie so geschickte Jäger sind, dass sie sich völlig selbst versorgen können. Auch unter natürlichen Bedingungen werden sie von den Eltern noch solange zusätzlich gefüttert.

Schon mit zehn Monaten werden Habichtskäuze geschlechtsreif. Haben sie einmal einen Partner oder eine Partnerin gefunden, bleiben sie ein Leben lang zusammen. Dank ihres hervorragend wärmeisolierenden Gefieders können sie schon früh im Jahr mit der Brut beginnen: So konnte Projektleiter Richard Zink von der Österreichischen Vogelwarte der Veterinärmedizinischen Universität Wien heuer die erste Brut bereits am 12. Februar feststellen.

Die Eulen bauen dabei kein eigenes Nest, sondern nutzen Baumhöhlen oder die verlassenen Horste anderer Vögel. Diese gibt es aber nur in sehr alten Bäumen, und die sind im Wirtschaftswald Mangelware.

Nisten in Müllbehältern

Für die Habichtskauzhäuschen wurden Müllbehälter recycelt.
Foto: Daniel Zupanc

Deshalb wurden im Zuge des Projekts bis jetzt in einem von der Grenze zu Bayern und der Tschechischen Republik bis zur slowenischen Grenze im Süden reichenden Gebiet 460 Nistkästen angebracht, die von den Vögeln auch gut angenommen werden. Zum Einsatz kommen dabei Müllbehälter der Stadt Wien, die in der Höhe leicht gekürzt und mit einer seitlichen Öffnung versehen werden.

Dass ausgerechnet für solche Zwecke Plastik verwendet wird, erklärt Zink mit der Haltbarkeit des Materials: "Für die Anbringung müssen zwei geschulte Personen teilweise bis zu 30 Meter auf den Baum, und Holzkästen müssten wir nach spätestens zehn Jahren ersetzen. Die Plastikkübel müssen nur einmal montiert werden."

Genetischer Austausch

Hat ein Paar einen passenden Brutplatz gefunden, legt das Weibchen gewöhnlich zwei bis drei Eier, die es allein bebrütet und bei Bedarf heftig gegen Angreifer verteidigt. Auch nach dem Schlupf ist sie für die Fütterung der Jungen zuständig, doch wird sie während der ganzen Zeit vom Männchen mit Nahrung versorgt.

Als solche dienen in erster Linie Kleinsäuger, vor allem Mäuse, die die Käuze per Gehör lokalisieren und dann im Gleitflug am Boden erbeuten. Die Menge an vorhandenen Mäusen entscheidet auch über den Bruterfolg eines Jahres. Die Häufigkeit der kleinen Nager wiederum hängt davon ab, wie gut die Ernte an Samen, wie etwa Bucheckern, ausfällt, die von Jahr zu Jahr stark variieren kann.

Aus Ringfund-Meldungen weiß man, dass die meisten Jungkäuze im Umkreis von rund 50 Kilometern ihres Heimatnests ein eigenes Revier beziehen. Es gibt allerdings auch Abenteurer: "So etwa jeder zehnte Vogel fliegt hundert Kilometer und mehr", weiß Zink, "und diese Individuen sind es, die den genetischen Austausch mit Nachbarpopulationen vorantreiben."

Tatsächlich macht die mangelnde genetische Vielfalt der heimischen Vögel den Wissenschaftern Sorgen: Die bisher freigelassenen Tiere stammen aus Zuchten, die auf insgesamt rund 1200 Käuzen beruhen. Das klingt viel, könnte im Ernstfall aber zu wenig sein, um etwa eine Seuche erfolgreich zu überstehen. Deshalb sollen künftig gezielt Tiere aus genetisch seltenen Linien freigelassen werden.

KI für Eulenrufe

Derzeit dürfte es rund 45 Reviere in Österreich geben, knapp ein Drittel davon auf dem Gebiet von Wien. Die Nester werden jedes Jahr von etwa 70 Freiwilligen kontrolliert; an besonders schwer einsichtigen oder hoch gelegenen Brutplätzen sind auch Spiegel und Webcams im Einsatz.

Demnächst werden zusätzlich kleine Audiorecorder in den Wäldern aufgehängt, die ab Einbruch der Dämmerung alle Laute aufzeichnen. Ein auf künstlicher Intelligenz basierendes System soll dann daraus die Habichtskauzrufe erkennen (menschliche Laute werden übrigens gelöscht). Die freigelassenen Vögel bekommen zudem Farbringe und teilweise Sender mit auf den Weg.

Die meisten Todesfälle gibt es naturgemäß im ersten Lebensjahr zu verzeichnen – die Phase des Selbstständigwerdens ist schwer, ganz besonders in Jahren mit geringem Nahrungsangebot. Außerdem erbeuten Füchse oder auch Wildschweine gerne am Boden sitzende Jungeulen. In vielen Jahren überleben nur 30 bis 40 Prozent der ausgeflogenen Vögel.

Die häufigste Todesursache bei erwachsenen Habichtskäuzen sind jedoch Zusammenstöße mit Fahrzeugen, was daran liegen kann, dass sie beim Jagdflug sehr tief über dem Boden unterwegs sind. Allerdings hat sich bei Untersuchungen der Verkehrsopfer kürzlich auch gezeigt, dass ihre Leber bedenkliche Mengen an Mäuse- und Rattengift enthielt, was dazu beitragen könnte, dass die Vögel auf Gefahren nicht angemessen reagieren.

In Zukunft sollen weitere Zonen für Freilassungen dafür sorgen, dass solche Gefahren dem Comeback des Kauzes nicht mehr im Weg stehen. (Susanne Strnadl, 20.10.2021)