Eine Botschaft an den freien Journalisten Michael Bonvalot, der investigativ für Medien wie den "Spiegel" über die rechtsextreme Szene berichtet. Die Organisation Reporter ohne Grenzen ist alarmiert.

Foto: Michael Bonvalot

Der Beruf von Journalistinnen und Journalisten ist in den vergangenen Monaten gefährlicher geworden. Wenn sie von Corona-Demonstrationen berichten, müssen sie mittlerweile damit rechnen, von Teilnehmern attackiert zu werden. Unter "Lügenpresse"-Gejohle gab es in den vergangenen Monaten Angriffe mit Pfefferspray, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und physische Angriffe bis hin zu Faustschlägen ins Gesicht.

Reporterinnen wurden bespuckt, Kameras wurden entrissen und auf den Boden geworfen. Aber auch nach den Demonstrationen haben Journalisten und Journalistinnen keine Ruhe, manche wurden nach Kundgebungen bis nach Hause verfolgt.

"Antifa aufs Maul"

Diese Übergriffe gehen durchgehend von einem klar definierbaren Personenkreis aus: extreme Rechte und Neonazis. Aus dieser Gruppe stammen vermutlich auch jene Personen, die vor wenigen Tage eine dem Wiener Journalisten Michael Bonvalot zugerechnete Wohnungstür beschmierten. "Antifa aufs Maul!" und "Zeit zum Handeln?" war darauf kurzzeitig zu lesen, auch wurde das Türschloss beschädigt. Bonvalot beobachtet seit Monaten die Demonstrationen, ist ein Kenner der rechten Szene und schreibt als freier Journalist unter anderem für renommierte Medien wie den "Spiegel".

Er sieht den aktuellen Einschüchterungsversuch nicht als Angriff auf seine Person, sondern als "Angriff auf die Pressefreiheit". Der Journalist betont, dass er sich nicht einschüchtern lasse: "Die Attacken sind für mich Auftrag, noch näher zu recherchieren."

Stattgefunden habe die Einschüchterung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu einer Corona-Demonstration in Wien, in deren Rahmen ihn einschlägig bekannte Neonazis aus dem Fußballmilieu direkt und namentlich bedroht hätten, erklärte Bonvalot.

Die Wohnung selbst sei zwar ihm zugerechnet worden, dort wohne allerdings eine Verwandte. Die Sachbeschädigung und gefährliche Drohung habe er angezeigt. Zudem stehe er in Kontakt mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) und habe inzwischen verschiedene Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. "Ich hoffe, dass auch die Öffentlichkeit einen gewissen Schutz darstellt", so der Journalist.

Nach Morddrohung verurteilt

Die Behörden hatten bereits mehrfach mit der Aggression vonseiten Rechtsextremer und radikalisierter Corona-Leugner gegenüber Bonvalot zu tun. Schließlich wurde eine Frau im September für das Teilen einer gegen ihn gerichteten Morddrohung rechtskräftig verurteilt. Der Urheber des Textes wurde bisher aber noch nicht ausgeforscht. Zudem ist ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Körperverletzung im Gange, nachdem er bei einer Corona-Demonstration angegriffen wurde.

Auch wertet Bonvalot den Vorfall als Beleg für die zunehmende Gefährlichkeit der Neonaziszene in Wien. Diese verspüre in den vergangenen Monaten Rückenwind und trete selbstbewusster in Erscheinung.

Besonders eine Gruppe aus dem Umfeld rund um Gottfried Küssel, den wohl bekanntesten Vertreter der Szene in Österreich, tritt verstärkt in Erscheinung. Sie hängen Transparente an öffentlichen Gebäuden auf, übermalen antifaschistische Wandmalereien oder tauchen bei Corona-Demonstrationen auf, wobei sie schon mal rasch zur Stelle sind, wenn es dabei zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten kommt. In der burgenländischen Hauptstadt Eisenstadt marschieren Küssel und seine Leute regelmäßig bei Kundgebungen ihrer Corona-Querfront öffentlich auf.

Unliebsame Berichte

Mit den Angriffen auf Journalisten und Journalistinnen wollen Rechtsextreme einerseits unliebsame Berichte verhindern, andererseits nehmen sie journalistische Arbeit als Teil einer Verschwörung "mächtiger Eliten" wahr. Besonders auffällig sind Attacken auf Kenner und Kennerinnen der rechten und verschwörungsideologischen Szene, die Verbindungen unter Personen und Organisationen aufzeigen können. Deren Berichte über die Beteiligung von Neonazis, Identitären und Anhängern antisemitischer Verschwörungsmythen passen nicht in das Bild, dass die Organisatoren der Kundgebungen gerne zeichnen – schließlich bezeichnen sie sich gern als überparteilich.

Begleitet werden die Angriffe mit Artikeln und Fotoveröffentlichungen in rechtsextremen Medien und Social-Media-Channels. Dabei wird Journalisten und Journalistinnen ihre Profession abgesprochen, und sie werden als "Antifaschisten" bezeichnet. Eine Zuordnung, die in den Kreisen als Feindbild fungiert.

Reporter ohne Grenzen alarmiert

Seitens der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) ist man angesichts der jüngsten Entwicklungen alarmiert: "Der Willkür und ungebremsten Aggressionen sind zurzeit offenbar keine Grenzen mehr gesetzt", kommentiert das am Mittwoch Rubina Möhring, die Präsidentin von ROG in Österreich, "sowohl in der Politik als auch im alltäglichen Leben." Ziel hinterhältiger Attacken seien zunehmend investigativ recherchierende Journalistinnen und Reporter: "So auch im Fall Bonvalot, der regelmäßig massiven Bedrohungen aus der rechtsextremen Szene ausgesetzt ist." Der Versuch, Bonvalots vermeintliche Haustüre "zu demolieren und mit Hasstiraden zu beschmieren", sei für Möhring ein "trauriger Höhepunkt der Vernichtungsstrategie".

Leidtragende seien bei solchen Aktionen aber nicht ausschließlich die betroffenen Menschen, sondern ebenso "ethisch-moralische Güter wie die Presse- und Informationsfreiheit", so die ROG-Vorsitzende: "Sie werden zunehmend mit Füßen getreten." Möhring sieht die "Gesellschaft, vor allem aber die Politik gefordert, mit entsprechend korrekten Beispielen voranzugehen und Zuwiderhandeln zu ahnden" – um solche Angriffe auf jene, die gegen faschistische Kräfte auftreten und ihre Netzwerke aufzeigen, zu ahnden, muss man sie aber auch als solche erkennen und benennen.

Gefährliche Drohung

Bonvalot erzählte dem STANDARD am Mittwoch, dass man seitens der Behörden – trotz der eindeutigen Botschaft auf der Türe – zunächst nur eine Sachbeschädigung angezeigt habe. Erst nachdem er nochmals die Polizei aufgesucht habe, sei die Anzeige um die gefährliche Drohung erweitert worden. (Markus Sulzbacher, Colette M. Schmidt, 20.10.2021)