Das Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt wird seinem Betreiber, dem Unternehmer und Investor Michael Tojner, noch ziemlich viel Geduld abfordern. Das umstrittene Bauprojekt im Bezirk Landstraße zwischen Konzerthaus auf der einen und Hotel Intercontinental auf der anderen Seite beschäftigt seit 2018 diverse Behörden und viele Gerichte – nun wird es auch in Luxemburg am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Thema werden.
Das Verwaltungsgericht Wien (VGW) hat im September entschieden, einige Vorfragen den EuGH entscheiden zu lassen, es geht dabei um Themen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) – konkret, ob die österreichischen gesetzlichen Bestimmungen dazu überhaupt der EU-Richtlinie entsprechen. Im UVP-Gesetz sind nur für bestimmte Städtebauvorhaben wie Einkaufszentren oder Parkplätze (unter bestimmten Voraussetzungen) Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben, während solche Prüfungen in der entsprechenden EU-Richtlinie für alle "städtischen" Bauvorhaben vorgesehen sind. Die Frage, ob das österreichische Gesetz in dem Punkt mit der EU-Richtlinie übereinstimmt, ist eine, die nun vom EuGH entschieden werden muss.
Keine Baubewilligung
Zudem geht es um die Frage, wer aller ein UVP-Feststellungsverfahren beantragen kann und wer in einem Baubewilligungsverfahren Parteienstellung bekommt, insgesamt hat der VGW-Richter sechs Vorfragen zur Klärung nach Luxemburg geschickt. All das berichtete die Umweltorganisation Alliance for Nature am Mittwoch in einem Pressegespräch in Wien. Sie hat die Initiative "Rettet das Unesco-Welterbe Historisches Zentrum von Wien" gestartet und unter anderem Beschwerde gegen jenen Bescheid der Wiener Landesregierung erhoben, mit dem diese festgestellt hatte, dass für das Riesenprojekt keine UVP durchgeführt werden müsse.
Das Verwaltungsgericht wurde aktiv, weil Tojners Gesellschaft Wertinvest, die das Projekt betreibt, eine Säumnisbeschwerde einbrachte, nachdem die Wiener Baubehörde mehr als zwei Jahre lang keine Entscheidung über ihren Antrag auf Baubewilligung getroffen hatte. In diesem Fall muss dann die nächste Instanz, also das Verwaltungsgericht Wien, entscheiden – was es aber nicht tat. In den Augen des VGW-Richters ist eben zuerst zu klären, ob das Gesetz nicht EU-Recht widerspricht. Die Wiener Landesregierung hatte zunächst festgestellt, dass das Heumarkt-Projekt keiner UVP unterzogen werden muss, das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung aber gekippt – aus formalen Gründen.
Verfahren ohne Ende
Nach Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof ist nun auch der EuGH dran – was das Bauvorhaben Tojners weiter verzögern wird. Sein Sprecher hält dazu fest, dass der EuGH ja nicht in der Sache Heumarkt, also "fallspezifisch", entscheide, sondern nur darüber, ob das österreichische UVP-Gesetz EU-rechtskonform ist.
Das Bauprojekt Heumarkt steht unter keinem guten Stern, hat es das "Historische Zentrum von Wien" doch auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten der Unesco gebracht. Das Hochhausprojekt gefährde den berühmten Canaletto-Blick – das ist jener vom Oberen Belvedere in die Innenstadt. Der Name leitet sich von einem Gemälde von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, ab, das Wien um die Mitte des 18. Jahrhunderts zeigt. Tojner hat sein Bauprojekt inzwischen geändert, dem Vernehmen nach sieht er gute Chancen, dass die Unesco Wien wieder von der roten Liste streicht.
Tojners Stellungnahme dazu: "Die Stadt Wien und die für das Welterbe zuständigen Ministerien befinden sich in einer entscheidenden Phase eines lange andauernden und schwierigen dialogischen Verfahrens mit der Unesco und dem Welterbezentrum. Ein vom Projektentwickler – gemeinsam mit von der Unesco nominierten Experten – entwickeltes adaptiertes Projekt, das mit dem Welterbe kompatibel ist, wird derzeit mit der Unesco verhandelt. Mit einem Ergebnis dieses dialogischen Prozesses ist Anfang dieses Jahres zu rechnen."
Neuer Antrag für UVP
Der Generalsekretär von Alliance for Nature, Christian Schuhböck, forderte am Mittwoch erneut, dass das Bauvorhaben einer UVP unterzogen wird – und hat am Montag einen entsprechenden Antrag bei den Behörden eingebracht.
Der Gemeinderat hatte Tojners Prestigeprojekt im Juni 2017 die Flächenwidmung erteilt, ans Areal war er schon zuvor gekommen – all das spielt auch in die Causa Wohnbaugenossenschaften hinein, in der Tojner als Beschuldigter geführt wird.
Und auch in der Causa um den früheren Stadtrat und Planungssprecher der Grünen, Christoph Chorherr, in der es um Spenden vor allem von Bau- und Immobilienunternehmen für Chorherrs Sozialprojekt Ithuba geht, wird er als Beschuldigter geführt. Tojner weist all die Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung. Laut "Profil" soll Tojner wegen seines offenbar recht mühsamen Projekts auch Kontakt zu Sebastian Kurz (ÖVP) gesucht haben. (Renate Graber, 20.10.2021)