
Zwischen Mundart und weltmännischem Kriminaljargon: H. C. Artmann.
Im Juni dieses Jahres wäre H. C. Artmann 100 Jahre alt geworden. Der im Jahr 2000 verstorbene Lyriker steht neben Ernst Jandl, Friederike Mayröcker und Ingeborg Bachmann am Beginn einer selbstbewussten Neuerfindung der Sprachkunst nach 1945. Keiner aber tat das so unbefangen wie er. Artmann galt als wilder Hund.
Wer sich über sein Schaffen ein Bild machen will, der darf getrost zur handlichen Bibel The Best of H. C. Artmann (Suhrkamp) greifen. Aktuell kann man sich auch gut im Rabenhof artmannifizieren lassen: Der revueartige musikalisch-literarische Abend Den Hut auf oder es knallt! (Dramaturgie: Alexandra Millner) bietet einen rasanten Durchlauf durch Artmanns Schaffen von den 1950er- bis in die späten 1970er-Jahre. Wie im Rausch flirren die 26 zum Vortrag gebrachten Stückchen in gut 80 Minuten an einem vorbei.
Versatzstücke des Krimigenres
Inhaltlich dem Surrealismus zuzurechnen, überschritt Artmann sprachlich die Schwelle bis zum Dada, reizte Verästelungen des Deutschen und Denglischen vom Dialekt bis zur Verballhornung gehobener Sprache aus. Wiederkehrend ironisierte er Versatzstücke aus der amerikanischen Populärkultur, speziell des Krimigenres.
Dazu passt, dass das Jazztrio LSZ (Hannes Löschel, Paul Skrepek und Martin Zrost ) zuweilen wie Geräuschemacher zur Filmvertonung agiert: Da wird Papier gerissen, es wird Wind geblasen, gekratzt und gequietscht – natürlich wird auch klassisch auf gut New Yorkerisch gejammt. Schauspieler Helmut Bohatsch mimt, rezitiert und singt den Artmann passend im Krimineser-Anzug mit Filzhut. Mimik und Tonalität sitzen, elegant und provokant zugleich. Ein paar literaturhistorische Erläuterungen hätten den Abend für Artmann-Laien strukturiert – Fans hingegen werden gerade das rauschige Chaos zu schätzen wissen. (Stefan Weiss, 21.10.2021)