Zu schmale Radwege, wie hier in Wien, tragen zur Unfallgefahr bei.

Foto: Karl Schöndorfer TOPPRESS

Eigentlich nimmt die Sicherheit im Radverkehr zu, je mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen. Doch in Österreich sprechen die Statistiken gegen diese Erkenntnis der Verkehrswissenschaft. Denn hierzulande stieg die Zahl der Radunfälle trotz gleichzeitigen Fahrrad-Booms wieder deutlich, wie das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) jüngst bekanntgab. Mehr als 30.000 Radfahrer werden demnach bei Unfällen auf Österreichs Straßen jährlich so schwer verletzt, dass eine Behandlung im Krankenhaus notwendig ist. Und allein 2020 verunglückten 40 Radlerinnen und Radler tödlich.

Diese Zahlen sind für Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung beim KfV, alarmierend: "Im europäischen Vergleich liegt Österreich in puncto Radsicherheit weit hinten: Radfahren ist hier doppelt so gefährlich wie etwa in Norwegen, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Deutschland und der Schweiz." Gemessen am Unfallrisiko ist Radfahren hierzulande sogar risikoreicher als Motorradfahren und auch deutlich gefährlicher als Autofahren, so der Experte.

Eine Frage der Rahmenbedingungen

Der Grund dafür liegt aber nicht etwa an der rücksichtslosen Fahrweise der Radler – denn Radfahrer sind in der Regel unfallvermeidend unterwegs, weil sie im Falle des Unfalles mit einem Kraftfahrzeug verletzungstechnisch den Kürzeren ziehen. Ganz im Gegensatz zu Autos, die wiederum auf Unfallfolgen-Minimierung ausgelegt sind. Dass dennoch so viele Radler in Österreich verunglücken, führen Experten wie Robatsch auf andere Ursachen zurück.

Zum einen mangelt es an sicherer Infrastruktur für Radlerinnen und Radler. Die vorhandenen Radwege sind oft zu schmal oder zu wenig als solche gekennzeichnet. KfV-Experte Robatsch spricht in dem Zusammenhang von "Micky-Maus-Radwegen", die Gefahrensituationen sogar ver- statt entschärfen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist das Problem bewusst. Daher habe sie das Budget für Radverkehr mit ihrem Amtsantritt auf 40 Millionen Euro verzehnfacht, wie sie gegenüber dem Ö1-"Journal Panorama" erklärte.

Vorarlberg als Vorradler

Mit einem Radverkehrsanteil von nur sieben Prozent liegt Österreich im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Im Binnenvergleich ist Vorarlberg mit 16 Prozent Radanteil im Verkehr unangefochtener Spitzenreiter. Dort hat es die Politik verstanden, langfristig zu denken und die Radfahrer als Verkehrsteilnehmer mit einzuplanen. Neben eigener Infrastruktur heißt das auch, sie als Öffi-Benutzer mitzudenken. Nur so kann der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad nachhaltig gelingen.

Neben der mangelnden Infrastruktur sind es legistische Versäumnisse, die Radfahren in Österreich zum gefährlichen Unterfangen machen. KfV-Experte Robatsch nennt den noch immer nicht gesetzlich verankerten Mindestüberholabstand als Beispiel. Denn während etwa auf den Quadratzentimeter genau definiert ist, wie groß die Rückstrahler an den Pedalen zu sein haben, sucht man einen Mindestabstand, den Autos beim Überholen von Radlern einhalten müssen, in der Straßenverkehrsordnung vergeblich.

Statistik belegt Versäumnisse

Insgesamt gilt, dass die Zahl der verunglückten Verkehrsteilnehmer in Österreich seit 2012 um 28 Prozent gesunken ist, während die Zahl der verunglückten Radfahrer um 42 Prozent zugenommen hat. Auch wenn die Zahl der Radler im selben Zeitraum gestiegen ist, kann diese Steigerung nicht die hohen Unfallzahlen erklären. Es liegt an den genannten Versäumnissen der Verkehrspolitik. Diese rasch zu beheben läge auch im Sinne der Gesellschaft. Denn je mehr Menschen aufs Rad umsteigen, desto höher ihre Lebenserwartung und desto besser ihr Gesundheitszustand. Sofern die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind. (Steffen Arora, 21.10.2021)