Die Nachricht über die beiden toten Flüchtlinge, junge Männer aus Syrien, die am Dienstag in einem Kleinbus unweit der ungarischen Grenze gefunden wurden, weckt nicht zufällig Erinnerungen an die Katastrophe von Parndorf vor sechs Jahren. Damals erstickten 71 Männer, Frauen und Kinder aus Krisengebieten des Nahen und Mittleren Ostens, die sich in der Hoffnung auf Schutz und ein menschenwürdiges Leben auf den Weg nach Europa gemacht hatten, im luftdicht verschlossenen Laderaum eines Kühllastwagens.

Seither wurde in der EU und ihren Mitgliedsstaaten vielfach über Asyl und Migration debattiert. Einiges wurde vorgeschlagen und abgelehnt, Populisten nutzen das Thema, um sich als Durchgreifer zu profilieren. Geändert hat sich wenig. Die fatalen Strukturen, denen sich Menschen ausliefern müssen, um in der EU Asyl beantragen zu können – und die mafiösen Schlepperorganisationen sehr viel Geld einbringen –, hat man nicht in den Griff bekommen.

Zugenommen hat seit 2015 hingegen eines: die allgemeine Abstumpfung. Tote Flüchtlinge an Mittelmeerstränden, in belarussischen und polnischen Wäldern oder, wie nun in Österreich wieder, in engen Wagen schockieren in Europa inzwischen nur mehr wenige. Man nimmt sie hin, schaut weg, blättert weiter. Das ist ein schweres moralisches Problem, und es trägt zu einer asylpolitischen Handlungsunfähigkeit bei, die sich zu einem wahren Fiasko auswachsen kann. (Irene Brickner, 20.10.2021)