Wurde vom früheren Bundespräsidenten Heinz Fischer anlässlich der Verleihung des Ferdinand-Berger-Preises gewürdigt: Hans Rauscher.

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Wien – Der langjährige STANDARD-Kolumnist und Autor Hans Rauscher hat am Donnerstagabend in Wien den Ferdinand-Berger-Preis des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) entgegengenommen. Die Arbeit Rauschers sei "eine Arbeit im Interesse einer offenen Gesellschaft und einer starken pluralistischen Demokratie, die auf Werten und Menschenrechten beruht", würdigte der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer den Preisträger in seiner Laudatio.

Mit einem Abriss aus dem "Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer" ging Fischer zunächst auf den von 1941 bis Juli 1944 im KZ Dachau inhaftierten, 2004 in Wien verstorbenen Ferdinand Berger ein. Der nach ihm benannte Preis solle "die Erinnerung an einen Mann wachhalten, der nicht nur in Wort und Schrift, sondern mit der Waffe in der Hand und unter Einsatz seines Lebens und der Erduldung aller Qualen in einem Konzentrationslager gegen die Diktatur und insbesondere gegen Franco und Hitler gekämpft und dafür einen hohen Preis gezahlt hat".

Dass sich die Jury entschieden habe, den Preis 2021 an Rauscher zu verleihen, freue ihn, so Fischer. Rauscher habe durch einen Geschichtslehrer, der sich gegen den Nationalsozialismus aktiv zur Wehr setzte und das mit der Verschleppung nach Dachau und Mauthausen büßen musste, "viel über das Wesen des Nationalsozialismus und über die tiefe Verstrickung vieler Österreicherinnen und Österreicher in diese menschenverachtende Ideologie, deren Akzeptanz und Verbreitung in Österreich" gelernt.

"Wertorientierte und faktenbasierte Gegenposition"

Rauscher analysiere "die Zeit zwischen 1938 und 1945, aber auch die Entwicklung seit 1945, so, dass das Österreich der Zweiten Republik zwar manches aus der Geschichte gelernt hat, aber gleichzeitig die Opfertheorie lange Zeit als Lebenslüge zum Überleben gebraucht hat. Er war und ist der Meinung, dass die Neigung zur Verharmlosung und Verschleierung von nationalsozialistischen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Tendenzen daher eine klare, starke, permanente, wertorientierte und faktenbasierte Gegenposition benötigt, um den Weg in eine demokratische Zukunft nicht zu gefährden."

Im Lichte der allerjüngsten Vergangenheit werde Rauscher "nicht müde, zu den Wesenselementen einer liberalen Demokratie auch noch die Bedeutung eines funktionierenden Rechtsstaates hinzuzufügen". Fischer weiter: "Ich möchte persönlich hinzufügen, dass wir derzeit wirklich in einer ganz außergewöhnlichen Phase der österreichischen Politik leben. Vieles, was sich heute vor unser aller Augen abspielt, was wir schwarz auf weiß lesen können, was als Faktum nicht bestritten werden kann, wäre vor wenigen Monaten, ja Wochen noch unvorstellbar gewesen. Was hilft, die rechtsstaatlich gebotene Vermutung der Unschuld, wenn unbestreitbar feststeht, dass Sebastian Kurz einer Bundesregierung, der er selbst angehörte, Schaden zufügen wollte und auch zugefügt hat, um seinen Aufstieg zu fördern. Wenn feststeht, mit welchen Mitteln von ihm und seinen Mitarbeitern die Strategie ins Kanzleramt verfolgt wurde, wenn feststeht, welchen Stil und welchen Inhalt die Aktivitäten der engsten Mitarbeiter des Bundeskanzlers hatten und wie sie sich nicht nur über politische Mitbewerber, sondern auch über Menschen aus den eigenen Reihen schamlos und zynisch geäußert haben."

In Zeiten wie diesen sei die Arbeit von Journalisten wie Hans Rauscher für die politische Hygiene in Österreich enorm wichtig – und zwar unabhängig von der Arbeit, die Justiz und Rechtsstaat leisten müssen, so Fischer.

"Unseren Beitrag leisten"

Auch Rauscher würdigte in seiner Dankesrede zunächst die Geschichte Ferdinand Bergers. Man werde "immer wieder von Staunen erfüllt von dem Mut, den diese jungen Leute erwiesen haben, die in den finsteren Dreißiger- und Vierzigerjahren in den Widerstand gegangen sind. Sie haben ihre Freiheit und ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Widerstand zu leisten gegen diktatorische und totalitäre Systeme. So wie Ferdinand Berger, der dafür in die KZs Dachau und Flossenbürg gekommen ist." Niemand von uns wisse, "ob er unter diesen Bedingungen auch so gehandelt hätte. Aber wir können diese Männern und Frauen – es waren viele Frauen darunter – ehren, indem wir mit unseren Mitteln in unserer Zeit, unter viel einfacheren Umständen, unseren Beitrag leisten."

Laut den Stiftungssatzungen wird der Ferdinand-Berger-Preis an jene verliehen, "die durch wissenschaftliche oder publizistische Leistungen oder durch besonderes öffentliches Auftreten einen markanten Beitrag gegen Neofaschismus, Rechtsextremismus, Rassismus oder demokratiegefährdendes Verhalten geleistet haben". Rauscher zeigte sich "geehrt, dass die Jury der Meinung war, ich hätte einen markanten Beitrag geleistet".

"Wir alle sollten uns aber bei der Gelegenheit dazu ein paar Fragen stellen, die sozusagen unseren publizistischen Kompass betreffen", so Rauscher: "Erstens: Wie groß ist das Ausmaß von Rechtsextremismus, Rassismus und demokratiegefährdendem Verhalten in diesem Lande immer noch? Zweitens: Haben wir etwas bewirkt? Und drittens: Was können wir besser machen?"

"Wir müssen da sein"

Lange gewachsene, tief verwurzelte Mentalitäten, rassistisches, fremdenfeindliches, auch autoritäres Denken werde man nicht so leicht beseitigen, so Rauscher. "Aber wir müssen da sein, wenn das politische, das demokratische System in diese Richtung zu kippen droht. Das ist unser Job. Immer wieder aufzuzeigen, wo die autoritäre Reise hingehen könnte, den Gutgläubigen und den Verharmlosern zu sagen: Vorsicht, hier wird gerade eine Grenze überschritten. Nämlich die Grenze von liberaler Demokratie, Rechtsstaat und Pluralismus zu einem autoritären, meist auch zutiefst korrupten System." Und an die Politik gerichtet: "Überlegt euch, wie viel Macht und Geld ihr jenen Medien übergeben wollt, die autoritäre Bestrebungen mehr oder weniger unterstützen."

In seiner Rede wies Rauscher auch auf das Medium hin, in dem er arbeitet: "DER STANDARD ist eine Gründung von Oskar Bronner, um ein liberales Qualitätsmedium in einem Land zu etablieren, das es mit der Liberalität und der Qualität nicht so hatte. Wir sind nicht mehr nur ein liberales Nischenmedium, sondern ein Powermedium geworden." Das sei auch ein Erfolg der Kollegen mit Martin Kotynek an der Spitze.

Aber es bleibe noch die Frage an uns selbst: "Können wir besser werden in unseren markanten Beiträgen im Kampf gegen demokratieschädliches Verhalten, Rechtsextremismus, Rassismus?" Natürlich könne man das, so Rauscher, der den Historiker Timothy Snyder mit den Worten zitierte: "Glaubt an die Wahrheit. Fakten aufzugeben bedeutet Freiheit aufzugeben." Ein journalistisches Werkzeug, das jetzt wieder stärker eingesetzt werde, sei der Faktencheck. "Der kritische Journalismus sollte öfter ehrlich die Probleme der Bevölkerung ansprechen, bevor es die Demagogen unehrlich tun", so Rauscher abschließend: "Ich habe mir vorgenommen, künftig mehr darauf zu achten." (red, 21.10.2021)