Der Mohrenkopf sorgte für hitzige Rassismusdebatten. Geblieben ist seine traditionelle Kopfbedeckung.

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Wien – Er habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten kein Unternehmen erlebt, das so oft für verkauft, zugesperrt und tot erklärt wurde wie der Meinl am Graben, sinniert Herbert Vlasaty. Was ihn erstaunte. Als Vorstand der Julius Meinl AG hätte er davon eigentlich Kenntnis erlangen sollen.

Kaum ein Handelsstandort ist begehrter als jener des Edelgreißlers im Herzen Wiens. Links der Kohlmarkt, vis-à-vis der Graben mit Blick auf den Stephansdom. Nicht nur Spar und Rewe warfen begehrliche Blicke auf das altehrwürdige Delikatessengeschäft, das sich über zwei Häuser erstreckte. Manch Kunde weinte dem Meinl schon Tränen nach, verdichteten sich doch in regelmäßigen Abständen die Gerüchte über sein nahes Ende.

Doch nach fünf Monaten des Umbaus öffnet der Meinl am Graben 19 am Freitag in alter Lebendigkeit seine Tore wieder für kaufkräftiges Publikum. Zu Grabe trägt die Julius-Meinl-Gruppe allein den Mohrenkopf, das umstrittene Markenzeichen des Traditionshauses.

Fez statt Kopf

Die 1924 vom österreichischen Plakatkünstler Joseph Binder geschaffene Kunstfigur eines schwarzen Kindes sorgte in Österreich wie international für hitzige Rassismusdebatten. Meinl verteidigte sie als Hommage an die Geschichte rund um den Import von Kaffee. Nun ist der Mohr Geschichte. Von ihm bleibt nur der Fez, seine Kopfbedeckung, künftig auf petrolfarbenem Hintergrund.

Menschen zu typisieren sei nicht mehr zeitgemäß, erläutert Vlasaty. Bis sämtliche Logos erneuert sind, werde es allerdings noch einige Zeit brauchen. Denn noch gibt es Restbestände, Servietten etwa mit Mohrenkopf, die zur Eröffnung neben Snacks gereicht werden.

Sieben Millionen Euro

Sieben Millionen Euro hat die Julius Meinl AG, deren Aufsichtsratsvorsitz Julius Meinl V. innehat, in die Modernisierung ihres Lebensmittelgeschäfts investiert. Der Umbau brachte Wertvolles zutage, wie die Reste eines Stadttors aus der Römerzeit. Kein Stein sei auf dem anderen geblieben, resümiert Vlasaty. "Der Charakter des Altbewährten wurde dennoch erhalten."

Auf Restaurant und Weinbar müssen Kunden künftig verzichten. Café und Catering sind geblieben. Ein neuer Onlineshop soll verlorenen Boden im Internethandel wettmachen. Unterm Strich sank die Verkaufsfläche um 300 auf 1.600 Quadratmeter.

1950 hob Meinl den kleinen Kaufladen am Graben aus der Taufe. 1999 wurde renoviert. Die Zeit im Handel blieb nicht stehen. Spar und Rewe zogen immer engere Kreise um den luxuriösen Standort. Neue Filialen rundum buhlten um Feinschmecker. Mittlerweile gilt der Graben als nur noch eine von vielen Adressen für exklusive Delikatessen.

Lockruf der weiten Welt

Meinl-Geschäftsführer Udo Kaubek sieht sich mit 150 Mitarbeitern dennoch ein neues Kapitel aufschlagen. Er schwärmt neben regionalen Spezialitäten von original argentinischen Steaks, Salami aus Amsterdam und Mufflonfleisch aus dem Hause Esterhazy. Nebst frischen Eiern aus der Toskana und Pasta aus den Abruzzen halte man für Gourmets Limonade aus Mexiko und reinsortige Honige aus österreichischen Weingärten bereit. Mehr Platz für Fisch und Fleisch als bisher werde es geben. "Denn die Nachfrage nach Fleisch steigt, und die Fleischer sterben."

22 Millionen Euro setzte der Meinl am Graben vor Corona um. Vlasaty ist zuversichtlich, daran bald wieder anzuschließen. (Verena Kainrath, 21.10.2021)