Polizeieinsatz am Tatort in Bezirk Baden, wo die Leiche einer 43-jährigen Frau gefunden wurde. Noch in der Nacht wurde die Fahndung nach dem Tatverdächtigen, einem Drogenfahnder der Polizei, eingeleitet.

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Der Worst Case ist eingetreten. Eine Frau wurde ermordet und ein Polizeibeamter, also ein Mitarbeiter einer staatlichen Institution, die für Sicherheit und Hilfe sorgen soll, steht unter Tatverdacht.

Was genau sich am Mittwochabend in einem Einfamilienhaus in Deutsch-Brodersdorf im Bezirk Baden zugetragen hat, war am Donnerstag noch Gegenstand der Ermittlungen. In dem Haus wurde eine 43-jährige Bewohnerin tot aufgefunden. Laut Polizei dürfte sie erwürgt oder erdrosselt worden sein. Dringend der Tat verdächtigt wird der 44-jährige Lebensgefährte des Opfers, ein Drogenfahnder des Wiener Landeskriminalamtes.

Zum Zeitpunkt, als die Leiche entdeckt wurde, fehlte von ihm jede Spur. Noch in der Nacht wurde der Polizist zur Fahndung ausgeschrieben, die niederösterreichische Polizei trommelte ein Großaufgebot an Beamten für eine Suche zusammen. Zum Einsatz kamen auch die Spezialeinheit Cobra, Drohnen mit Nachtsichtmodus und eine Polizeihundestaffel.

Leerer Pkw gefunden

Die Suche war auch am Donnerstag noch nicht zu Ende. In der Zwischenzeit wurde aber ein Pkw des gesuchten Polizisten gefunden. Der Wagen war bei einem Windschutzgürtel im Raum Moosbrunn im Bezirk Bruck a.d. Leitha abgestellt. Ob der Polizist seine Dienstwaffe bei sich hatte, war zunächst unklar. Die ermittelnden Kriminalisten gaben jedenfalls keine Warnung an die Bevölkerung vor einem bewaffneten Flüchtigen heraus, offenbar wurde eher befürchtet, dass der Gesuchte Suizid begehen könnte.

22. Femizid in diesem Jahr

Der Österreichische Frauenring (ÖFR) und der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) weisen darauf hin, dass der mutmaßliche Mord schon der 22. Femizid im laufenden Jahr in Österreich sei. Der aktuelle Fall beweise eindrücklich, dass Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft vorkomme. Gemeinsam fordern Klaudia Frieben vom ÖFR und Maria Rösslhumer vom AÖF, dass die Regierung mehr Mittel für den Schutz gegen Gewalt an Frauen bereitstellen sollen. Konkret: 228 Millionen Euro für den Gewaltschutz und 3.000 zusätzliche Jobs in der Gewaltprävention.

Unterstützung erhielten sie von der SPÖ-Frauenvorsitzenden Eva-Maria Holzleitner. Fast jeden Monat würden zwei Frauen von ihren Partnern bzw. Ex-Partnern ermordet. "Wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen. Es braucht dringend nachhaltige Maßnahmen, die diese Gewaltspirale beenden", so die Politikerin.

Sie fordert außerdem, dass in den Medien täglich eine verlässliche Statistik von Gewaltdelikten veröffentlicht werden soll. Auch Betretungs- und Annäherungsverbote sollten ähnlich der Covid-Impfstatistik kundgemacht werden, schlägt Holzleitner vor.

Rechtzeitig eingeschritten

In Wien gab es jüngst zwei Fälle, in denen die Polizei gerade noch rechtzeitig einschreiten konnte: Beamte der Polizeiinspektion Sibeliusstraße in Favoriten nahmen am Mittwoch einen 40-jährigen Afghanen fest, der seine Ehefrau mit dem Umbringen bedroht haben soll, weil sie sich scheiden lassen wollte. Der Verdächtige ist in Haft, außerdem wurde ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen, das auch gilt, wenn er bald aus der Haft entlassen werden sollte.

In Wien-Hernals wurde ein 50-jähriger Kroate verhaftet, der seine Frau verprügelt und sie sowie seine Tochter mit Ermordung bedroht haben soll. Der Mann, der schon früher Gewaltausbrüche gezeigt haben soll, wurde ebenfalls verhaftet. Eine Entscheidung über U-Haft steht in beiden Fällen noch aus.

Interne Überprüfung

Im Wiener Landeskriminalamt Süd, wo der verdächtige Polizist bei der Drogenfahdung tätig war, wird intern überprüft, ob es im Vorfeld Hinweise darauf gab, dass die private Situation des Mitarbeiters eskalieren könnte. Der Beamte soll früher bei der Wega und bei der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität gewesen sein – also Einheiten, die nicht gerade dafür bekannt sind, Schwäche zu zeigen. Supervision wird auch dort angeboten, aber der Zulauf ist dem Vernehmen nach enden wollend.

Peer-Support der Polizei

Grundsätzlich steht allen Polizistinnen und Polizisten die Möglichkeit einer freiwilligen Supervision offen. Der psychologische Dienst des Innenministeriums organisiert meistens kleine Gruppen. Besser angenommen wird der sogenannte Peer-Support nach belastenden Einsätzen. Dabei erfolgt die Betreuung durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen mit psychologischer Zusatzausbildung. Nach dem Wiener Terroranschlag vor knapp einem Jahr nahmen 205 Polizistinnen und Polizisten den Peer-Support in Anspruch. (Michael Simoner, 21.10.2021)