Mit Katharina Liensberger als Lokomotive des ÖSV-Frauenteams sollen auch die anderen Rennläuferinnen an die Weltcupspitze herangeführt werden.

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Während Föhn für angenehm herbstliche Temperaturen im Ötztal sorgt, ist es auch schon wieder an der Zeit, skirennmäßig anzuschnallen. Die neue Weltcupsaison beginnt traditionell am Wochenende rund um den Nationalfeiertag in Sölden. Die kritischen Worte von Felix Neureuther im Rahmen der Ski-WM in Cortina d’Ampezzo sind verhallt. Der frühere deutsche Skirennfahrer prangerte an, dass die Akteure bereits im Juli wieder auf Skiern trainieren. Um die Gletscher zu schonen, wären aber ein Trainingsstart im September und ein Rennauftakt Ende November "ausreichend". Ähnlich äußerte sich der noch frühere deutsche Rennläufer Markus Wasmeier. Thomas Dreßen schloss sich der Kritik teilweise an, verteidigte aber die Austragung der Rennen in Sölden. Der deutsche Kitzbühel-Sieger 2018 hat sich sagen lassen, dass die Beschneiung und das Anlegen von Schneedepots den Fortbestand des Gletschers gewährleisten.

So oder so will ein ambitioniertes Programm erst einmal in den für geneigte Aficionados ohnehin zu kurzen Wintern untergebracht werden. Nicht weniger als je 37 Einzelbewerbe für Männer und Frauen sind in dieser Saison vorgesehen, wobei hervorzuheben ist, dass nach jahrelangem Ungleichgewicht endlich eine Parität bei den Geschlechtern und auch bei Speed- und Technikrennen erzielt wurde. Hatten zuletzt stets Männer- und speziell Technikbewerbe leichtes Übergewicht, so sind nun je 18 Bewerbe der schnelleren und exakt ebenso viele der langsameren Sorte vorgesehen.

Forderndes Programm

Zudem steht abgesehen vom Teamevent beim Saisonfinale im März 2022 in Courchevel/Meribel (WM-Generalprobe für 2023) nur ein Parallelbewerb in Lech/Zürs im November im Menü. Die leidige Kombination ist im Weltcup gar kein Thema mehr, bei den Olympischen Winterspielen in Peking, dem Saisonhöhepunkt im Februar, aber sehr wohl noch zumindest einmal.

Darüber kann man staunen, wirklich problematisch könnte es aber andernorts werden: Um der durch die Pandemie bedingten Entflechtung von Speed- und Technikrennen Rechnung zu tragen, kommt es zu einer Häufung von ähnlichen Bewerben. So stehen etwa für die Herren von 26. November bis 5. Dezember, innert zehn Tagen, sechs Speed-Events in Lake Louise und Beaver Creek auf dem Programm. Womit immerhin ein Drittel der einschlägigen Bewerbe in der Saison ruckzuck erledigt sein wird. Noch einmal richtig knackig wird’s dann im Jänner, wenn bei den Klassikern in Kitzbühel und Wengen je zwei Abfahrten zu meistern sind. Ähnlich Strapaziöses kommt auf die Frauen etwa Anfang Dezember in Lake Louise zu.

Am Wochenende aber ruft zunächst einmal der Rettenbachferner. Nach den Geisterrennen 2020 sind heuer wieder Zuschauer (7000 beim Frauenrennen, 9000 beim Männerrennen, dazu Tagesskigäste am Pistenrand) erlaubt, auch der Discobär wird wieder steppen. Zutritt ist sowohl hoch oben als auch im Tal nur mittels Registrierung und Kontrollband möglich, schließlich gilt auch im Ötztal die 3G-Regel für Personen ab 13 Jahren.

Auf dem ob seiner Steilheit selektiven Hang trennt sich stets die Spreu vom Weizen. Wobei Österreichs Skiasse in der jüngeren Vergangenheit gerade in Sölden eher Ersterem angehörten. Stefan Brennsteiners 17. Platz und Katharina Truppes 15. Rang ergaben 2020 das historisch schlechteste Abschneiden beim Auftakt. Die bis dato letzten ÖSV-Siege in der Problemdisziplin gelangen Marcel Hirscher 2019 in Adelboden beziehungsweise Eva-Maria Brem 2016 in Jasná.

Vorsichtiger Optimismus

Marco Schwarz mit der Bronzemedaille bei der WM in Cortina d’Ampezzo und Brennsteiner mit zwei dritten Plätzen im Finish der vergangenen Saison haben jedoch Hoffnungen geweckt. Männer-Chef Andreas Puelacher und Frauen-Chef Christian Mitter zeigen sich nach positiver Saisonvorbereitung vorsichtig optimistisch, bremsen aber die Erwartungen. Puelacher: "Was ich zuletzt gesehen habe, war sehr zufriedenstellend. Mehrere Athleten haben Fortschritte gemacht. Brennsteiner ist der Leader, andere wie Manuel Feller oder Roland Leitinger sind nicht weit dahinter." Auch Schwarz habe einen Schritt nach vorn gemacht. Von Vorteil könne sein, dass man heuer bessere Startnummern habe. Wunschplatzierungen will Puelacher nicht vorgeben: "Wenn wir das rüberbringen, was wir im Training gezeigt haben, sind wir zufrieden. Ich bin optimistisch, aber es ist immer schwer, die Leistungen vor dem Saisonstart richtig einzuordnen, weil ich nicht alle Konkurrenten gesehen habe."

Mitter ist wichtig, eine Strategie längerfristig durchzuziehen, denn dann werde sie irgendwann auch Früchte tragen. "Wir werden stabiler und drängen als Team nach vorn", sagt der Steirer. Seine Devise: "Zweimal gute Schwünge fahren, dann wird es passen." Auch Mitter will kein bestimmtes Ziel für Sölden definieren. "Beim ersten Rennen schauen alle sehr genau hin, oft wird dann aber zu viel für die weitere Saison herausgelesen." Positiv sei jedenfalls, dass Katharina Liensberger die Lok des Teams sei, zumal die Doppelweltmeisterin (Slalom und Parallelrennen) und WM-Bronzemedaillen-Gewinnerin im Riesentorlauf auch im Training stets ordentlich Gas gebe. "Wenn du mit ihr trainierst, weißt du, wie weit du von der Weltspitze weg bist." (Thomas Hirner aus Sölden, 22.10.2021)