Österreichweit liegen derzeit 212 Menschen mit Covid-19 auf Intensivstationen. Angesichts stark steigender Inzidenzen werden es wohl bald mehr sein.

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Mit fast 3.700 Corona-Neuansteckungen innerhalb eines Tages blieb das Infektionsgeschehen auch am Donnerstag hoch. 3648 neue Fälle meldete das Gesundheitsministerium – die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner kletterte österreichweit damit auf 212. Aufgrund der drastisch steigenden Infektionszahlen will sich Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am Freitag mit dem grünen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und den Landeshauptleuten beraten. Das kündigte er am Rande des EU-Gipfels an. Bei dem Treffen werde man über die "nächsten Schritte beraten".

Für den Kanzler sei jetzt zu klären: "Welche Schritte setzen wir bei den Zögerern und Zauderern?" Schließlich gebe es mittlerweile ausreichend Impfstoff, und trotzdem stolpere man "ohne Not in eine Pandemie der Ungeimpften". Denn der Impffortschritt in Österreich stockt: 70 Prozent der impfbaren Bevölkerung über zwölf Jahren sind vollimmunisiert, das entspricht 62 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Besorgniserregende Farben

Das hohe Infektionsgeschehen hat auch farbliche Auswirkungen. Am Donnerstagabend tagte wieder die Ampelkommission des Gesundheitsministeriums. Wie DER STANDARD schon vorab berichtete, verdreifacht sich die Zahl der auf Rot geschalteten Bundesländer. Bisher war nur Salzburg auf der höchsten Stufe Rot, nun haben auch die zuletzt orange leuchtenden Länder Nieder- und Oberösterreich die maßgebliche Risikoschwelle überschritten. Gelb bleibt nur das Burgenland, während Tirol, Vorarlberg und auch Wien ins Orange driften. Kärnten und die Steiermark wurden von der Ampelkommission mit gleichbleibendem Risiko in der Stufe Orange eingeschätzt.

Auswirkungen auf die Maßnahmen hat die differenzierte Risikobewertung via Ampel allerdings nicht, da die Regierung bundesweite Verschärfungen allein an die Belastung von Intensivbetten gekoppelt hat – wiewohl Experten kritisieren, dass dieses Kriterium dem Infektionsgeschehen wochenlang hinterherhinkt und dann erst nach sieben Tagen Vorbereitung schlagend wird.

Noch auf niedrigster Stufe

Momentan befinden wir uns noch in der untersten Stufe 1, weil mit 214 an Covid Erkrankten auf Intensivbetten die Schwelle von 300 Betten – entspricht 15 Prozent Intensivauslastung aufgrund von Covid – für Stufe 2 noch nicht erreicht ist. Ab dieser Stufe – so jedenfalls die von der Regierung auf Pressekonferenzen verbreitete Ankündigung, die rechtlich nicht bindend ist – würden die Zutrittsregeln strenger. Die Nachtgastronomie und Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze und mit mehr als 500 Besucherinnen und Besuchern besuchen dürfte dann nur noch, wer geimpft oder genesen ist, es greift also die 2G-Regel – so wie sie zum Beispiel in Wien bereits gilt.

Außerdem wären ab Stufe 2 die sogenannten "Wohnzimmer-Selbsttests", die nur wenig verlässliche Ergebnisse liefern, nicht mehr gültig. Gesundheitsminister Mückstein rechnet damit, dass die nächste Stufe bald erreicht sein dürfte, wie er am Mittwoch in der ZiB 2 erklärte. Das deckt sich auch mit dem Ausblick des Covid-Prognosekonsortiums. Dieses sieht eine "hochdynamische Lage" und erwartet bereits Mitte kommender Woche eine Sieben-Tage-Inzidenz von um die 250, die sich auch in einem Anstieg der Hospitalisierungen niederschlagen werde. "Eine systemgefährdende Entwicklung bei Anhalten dieses Trends" sei nicht ausgeschlossen, heißt es in der Analyse.

Ausreisetests im Bezirk Melk

Für Niederösterreich etwa wird schon in zwei Wochen das Szenario einer 25-prozentigen Covid-Auslastung von Intensivstationen angenommen. Es ist auch jenes Bundesland, das zuletzt in absoluten Zahlen die meisten neuen Corona-Fälle gemeldet hat (801). Wegen hoher Corona-Zahlen starten im Bezirk Melk am Samstag Ausreisekontrollen. Die Region darf dann nur noch mit gültigem 3G-Nachweis verlassen werden.

Auch der Komplexitätsforscher Peter Klimek erklärte jüngst im STANDARD-Gespräch unter Verweis auf die geringe Impfquote: "Im Extremfall kann es im Herbst 2021 zu einer ähnlich hohen Belastung der Krankenhäuser kommen wie im Herbst 2020."

Um das zu vermeiden, will Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) deshalb auch an den strengeren Regeln in der Bundeshauptstadt festhalten. Das verkündete Ludwig am Donnerstag nach einem Treffen mit seinem Expertenstab. Die Situation sei eine, "die man ernst nehmen muss", sagte der Stadtchef und "keine vorübergehende". Auch wenn sich die Lage in Wien stabiler als in anderen Bundesländern gestalte, steigen auch hier die Zahlen. Die aktuelle Verordnung wird vorerst bis Ende November verlängert.

Impfquote und Schultyp

Kommende Woche wird jedenfalls weit weniger getestet werden, da sich die Schulen in die Herbstferien begeben. Erstmals wurden am Donnerstag von Bildungsminister Heinz Faßmann auch die Impfquoten der Schülerinnen und Schüler aufgeschlüsselt. Erhoben wurden sie von der Statistik Austria mit Stichtag Ende September. Dabei zeigt sich, dass die Impfquote mit dem Alter ansteigt: Zwölfjährige waren zu 22 Prozent geimpft, 14-Jährige zu 36 und 18-Jährige schon zu 60 Prozent.

Massive Unterschiede gibt es je nach Schultyp. An der AHS-Oberstufe ließen sich 61 Prozent impfen, an BHS 54, an Berufsschulen 49, an BMS 38, in der AHS-Unterstufe 37, in Sonderschulen 29 und in Mittelschulen nur 20 Prozent. Auch beim Lehrpersonal macht der Schultyp einen Unterschied: An AHS sind 89 Prozent geimpft, an Volksschulen knapp 80. 84 Prozent der Lehrkräfte sind geimpft. (Oona Kroisleitner, Theo Anders, 21.10.2021)