Über ein Arbeitsleben gerechnet verdienen Frauen in Österreich 500.000 Euro weniger als Männer.

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Wien – Frauen verdienen im Schnitt in Österreich noch immer 18,5 Prozent weniger als Männer. Auf das Jahr gerechnet bedeutet das, dass Frauen die letzten 68 Tage "gratis" arbeiten. Der sogenannte Equal Pay Day fällt heuer auf den 25. Oktober. Über das Erwerbsleben gerechnet verdienen Frauen im Schnitt 500.000 Euro weniger als Männer. Wenn sich der Einkommensunterschied wie in den letzten zehn Jahren entwickelt, dann schließt sich die Einkommensschere erst 2054, rechnen ÖGB und Arbeiterkammer vor.

Ein Ländervergleich des Gender-Pay-Gap, also des Einkommensunterschieds zwischen Frauen und Männern auf Basis des Stundenlohns, zeigt, dass Österreich Schlusslicht im EU-Raum ist. 2019 machte dieser Unterschied in Österreich 19,9 Prozent aus, während der EU-Schnitt bei 14,1 Prozent lag. Auch die Nachbarländer Deutschland und Tschechien führen keine Vorzeigestatistik mit 19,2 beziehungsweise 18,9 Prozent Differenz. Besser sieht es dagegen in Dänemark mit 14 Prozent und Schweden mit 11,8 Prozent aus.

Unterschiede nach Bundesländern

Große Unterschiede gibt es auch in Österreich selbst. Am meisten klafft die Einkommensschere mit 26 Prozent in Vorarlberg auf, gefolgt von Oberösterreich mit 23 und Tirol mit 21,6. Am geringsten ist der Einkommensunterschied in Wien mit 13 Prozent. An zweiter Stelle liegt das Burgenland mit 18 Prozent. Aussagekräftig sind auch die Daten zur Voll- und Teilzeitbeschäftigung: Während Männer zu 90 Prozent Vollzeit arbeiten, sind es bei Frauen nur 52 Prozent. Der ÖGB fordert daher eine Angleichung der Arbeitszeiten zwischen Frauen und Männern in Richtung kurze Vollzeit für alle.

Der Blick in die Geschichte zeigt, dass sich die Einkommensschere nur sehr langsam schließt: Vor zehn Jahren betrug der Einkommensunterschied in Österreich noch 24,3 Prozent. Die Differenz zu aktuellen Zahlen beträgt also nur 5,8 Prozentpunkte. Würde sich der Einkommensunterschied im gleichen Tempo wie im Schnitt der vergangenen zehn Jahre verkleinern, dann müssten Frauen weitere 30 Jahre darauf warten, um gleich viel zu verdienen wie Männer. Laut diesen Berechnungen würde sich die Einkommensschere nämlich erst im Jahr 2054 schließen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Generation, für die es beim Eintritt ins Erwerbsleben keinen Gender-Pay-Gap mehr gibt, noch nicht geboren wurde.

"Vollkommen inakzeptabel"

Laut der Einkommensexpertin der Arbeiterkammer Oberösterreich, Bettina Csoka, verdienen Frauen in Österreich bei Vollerwerbsarbeit im Durchschnitt mehr als 800 Euro pro Monat weniger als Männer. Jährlich sind das über 10.000 Euro und über ein Arbeitsleben (rund 40 Jahre) gerechnet über 500.000 Euro (ohne Zinsen). "Es ist vollkommen inakzeptabel, dass heutzutage Frauen für gleiche Arbeit immer noch weniger bezahlt bekommen als Männer", kritisiert ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann.

Dabei ist das Gefälle im Erwerbsleben nur die Spitze des Eisbergs, denn auch die Auswirkungen des Einkommensunterschieds müssten betrachtet werden. So sind Frauenpensionen deutlich niedriger als jene der Männer, was wiederum das Risiko von Altersarmut erhöht. Darüber hinaus zwinge ein geringeres Einkommen Frauen immer wieder in Abhängigkeit von Männern. "Die Beseitigung des Einkommensunterschieds zwischen Männern und Frauen ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine Schutzmaßnahme gegen Altersarmut und ein wesentlicher Schritt zur Selbstbestimmung von Frauen", so Schumann.

Frauenministerin Raab will an "unterschiedlichen Schrauben" drehen

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) kündigte an, dass sie "an unterschiedlichen Schrauben" drehen will, um den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern gegenzusteuern. "Neben Bewusstseinsbildung und dem konsequenten Ausbau des Kinderbetreuungsangebots, um die Vereinbarkeit zu stärken, geht es ganz entscheidend auch um die Berufswahl von Frauen und Mädchen", so Raab.

Die Frauenministerin will Frauen und Mädchen für die sogenannten Mint-Fächer wie Mathematik und Informatik begeistern. "Auch die Stärkung der Finanzkompetenz und ein selbstbewusster Umgang mit den eigenen Finanzen tragen zur Unabhängigkeit von Mädchen und Frauen bei", sagte Raab. Mit 1,6 Millionen Euro will sie "Selbstbestimmung und wirtschaftliche Unabhängigkeit" von Mädchen und Frauen stärken.

Seniorenbund will Aktionsplan und Pensionssplitting

Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec machte darauf aufmerksam, dass Frauen auch viel mehr unbezahlte Arbeit – von Kindererziehung über Hausarbeit und ehrenamtliches Engagement bis hin zur Pflege von Angehörigen – leisten als Männer. Die Seniorenbund-Präsidentin erneuert daher ihre Forderung nach einem breit angelegten Aktionsplan. Dieser beinhaltet unter anderem die umfassendere Information von Frauen über die Auswirkungen von Teilzeitarbeit, Förderungen für den beruflichen Wiedereinstieg sowie die Entlastung der oftmals weiblichen pflegenden Angehörigen im Rahmen der von Korosec eingeforderten Pflegereform.

Zusätzlich pocht Korosec auch auf die von der Bundesregierung angekündigte Umsetzung des automatischen Pensionssplittings. Dabei tritt der Partner, der arbeiten geht, die Hälfte seiner Pensionsansprüche an den Partner ab, der sich um die gemeinsamen Kinder kümmert. Neos-Frauensprecherin Henrike Brandstötter sprach sich ebenfalls für automatisches Pensionssplitting aus. Sie forderte außerdem Maßnahmen, um flexiblere Arbeitszeiten und mehr Väterbeteiligung zu erreichen. Brandstötter will auch ein deutliches Aufstocken der Kinderbetreuungsplätze und einen Rechtsanspruch darauf ab dem ersten Geburtstag.

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner beklagte die fehlenden Ganztagesplätze in Kinderbetreuungseinrichtungen, die Frauen dazu zwingen, Teilzeit zu arbeiten, obwohl das weniger Lohn, weniger Pension und mehr Armut bedeute. "Die Bundesregierung lässt das kalt." Zudem habe die Pandemie die Situation am Arbeitsmarkt für Frauen erschwert. "Wer in einem Beruf arbeitet, in dem Arbeitsplätze verlorengehen, muss die Chance bekommen, umzusteigen. Es muss daher jetzt verstärkt in Weiterbildung, Umschulung und Qualifizierung investiert werden", fordern die SPÖ-Frauen. (APA, red, 22.10.2021)