Tirols Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) hat nach medialer Berichterstattung über Missstände in der Einrichtung "Das Netz" eine Prüfung eingeleitet und nun Konsequenzen gezogen.

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Innsbruck – Im März dieses Jahres wandte sich ein Mitarbeiter der Tiroler Einrichtung Das Netz an den STANDARD. Der als Betriebsrat tätige Mitarbeiter hatte im Jänner firmenintern, zum wiederholten Mal, davon gehört, dass Das Netz zahlungsunfähig sei. Daher verlangte er vom Geschäftsführer Einsicht in die Bücher, die ihm als Betriebsrat zusteht. Der Geschäftsführer verweigerte diese aber, stellte den Mitarbeiter dienstfrei und sprach gegen ihn ein Betretungsverbot für zum Netz gehörende Betriebsräumlichkeiten aus. Mittlerweile sind Klagen anhängig.

Im Zuge weiterer Recherchen des STANDARD und der Tiroler Tageszeitung taten sich immer mehr Ungereimtheiten und wirtschaftlich fragwürdige Konstruktionen innerhalb der Organisation auf. Das rief das Land Tirol auf den Plan, das als Fördergeber auch die Kontroll- und Aufsichtsfunktion innehat. Das Netz hat die medial aufgebrachten Vorwürfe stets bestritten und erhielt vom Land nun mehrere Monate Zeit, sie zu entkräften. Doch das ist offenbar nicht geschehen, wie das Büro der zuständigen Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) am Freitagvormittag bekanntgab. Daher wird der Vertrag mit der Einrichtung gekündigt, die Nachfolgeorganisationen, die die wichtige Arbeit der Einrichtung übernehmen, stehen bereits fest.

Land verweist auf "klare und strenge Regeln"

Konkret hieß es dazu seitens des Landes: Die Vorwürfe gegen die Kinder- und Jugendeinrichtung Netz seien nun vollständig geprüft, allerdings konnten nicht alle Vorwürfe und Ungereimtheiten ausgeräumt werden. "Wir haben als Land Tirol klare und strenge Regeln, was wir von unseren Partnern und Auftragnehmern erwarten. Das ist unsere Verantwortung gegenüber den Kindern und Jugendlichen, die in den Einrichtungen betreut werden. Und es ist unsere Verantwortung, mit den gemeinsamen Mitteln der Tirolerinnen und Tiroler sorgsam umzugehen. Diese Regeln gelten für alle unsere Partnerinnen und Partner", stellt Landesrätin Fischer klar.

Als Auftragnehmer des Landes ist Das Netz verpflichtet, eine umfangreiche Ergebnisrechnung vorzulegen. Trotz mehrmaliger Aufforderung an den Geschäftsführer, die finanziellen Unterlagen schlüssig darzulegen, konnten die wirtschaftlichen Mängel nicht aufgeklärt werden. Das habe zu einem erheblichen Vertrauensverlust geführt, daher habe das Land entschieden, den Vertrag mit dem Betreiber zu kündigen. Im Sinne der Fairness allen anderen Trägern gegenüber und im Sinne eines qualitativ hochwertigen Betreuungsangebots, wie Landesrätin Fischer betonte. Die sechsmonatige Kündigungsfrist greife ab sofort.

SOS-Kinderdorf übernimmt Versorgung

Die lückenlose Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die aufgrund persönlicher oder familiärer Probleme in Betreuung oder Begleitung sind, sei aber sichergestellt, bestätigte Fischer. Andere erfahrene Dienstleister übernehmen die Angebote der Einrichtung Netz im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, sprich, volle Erziehung und Unterstützung der Erziehung. "Wir haben parallel mit der Entscheidung zur Kündigung mit der Neustrukturierung begonnen. Ich bedanke mich bei erfahrenen Trägern wie SOS- Kinderdorf, die das Angebot lückenlos fortführen werden, für die Bereitschaft und wichtige Arbeit", ließ Fischer wissen.

In der vollen Erziehung geht es konkret um 14 betreute Wohnplätze in der Versorgung von Jugendlichen. Die lückenlose Fortführung dieses Angebots sei für die Betroffenen unabdingbar. SOS-Kinderdorf wurde deshalb beauftragt, im Sinne eines Stufenplans die Vorbereitungen rasch umzusetzen. Gleichzeitig war es Fischer wichtig anzumerken, dass nicht die fachliche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Das Netz Grund für die Kündigung war, sondern allein das Gebaren der Geschäftsführung. Fischer bedankte sich ausdrücklich für die geleistete Arbeit und sagte, dass sie davon ausgehe, dass es "einen konstruktiven Übergang im Sinne der Jugendlichen geben wird und Synergien mit vorhandenen personellen sowie organisatorische Strukturen genutzt werden".

Land baut auf neue Qualitätsstandards

Um zukünftig ähnliche Probleme im Sinne aller Träger und betroffenen Menschen zu verhindern, habe man auf Vorschlag Fischers Anfang September die Qualitätsstandards im Bereich Kinder- und Jugendhilfe erweitert. Der Beschluss umfasse die Notwendigkeit einer klaren Trägerstruktur und die Verpflichtung, schriftliche Dienstverträge mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abzuschließen. Genau dies hat gemäß den Medienrecherchen beim Netz gefehlt. Mit dem neuen Regelwerk sowie einem Normtagsatzmodell, das einheitliche Qualitätsstandard und Leistungsbeschreibungen festlegt und derzeit umgesetzt wird, soll mehr Transparenz sichergestellt werden. (Steffen Arora, 22.10.2021)