Der pma focus stand unter dem Motto "Back to the Roots?". Brigitte Schaden, Gastgeberin und Präsidentin von Projekt Management Austria (pma), mit Keynoter Tristan Horx vom Zukunftsinstitut.

Foto: pma

Zukunft entsteht aus dem Neuen, das Sinn ergibt, und dem Bewährten, das gut war, sagte Tristan Horx, Zukunftsforscher am Zukunftsinstitut, bei seiner Keynote beim pma focus, dem Jahreskongress von Projekt Management Austria (pma), am Donnerstag in Wien. Die Kombination aus Bewährtem und Neuem zeigte sich auch in der Kongressorganisation.

Nach einer Corona-bedingten Pause im vergangenen Jahr fand die Veranstaltung heuer bewährt im Austria Center Vienna und erstmals auch remote unter dem Motto "Back to the Roots?" statt. Das Fragezeichen sei erst durch die Corona-Krise dazugekommen, sagt pma-Präsidentin Brigitte Schaden. "Vor einem Jahr wollten wir uns beim Kongress neben den Kompetenzen, die wir in Zukunft brauchen werden, auch auf das konzentrieren, was noch immer Bestand hat. Durch Corona hat sich aber vieles stark verändert, daher haben wir das Thema als Frage formuliert."

Dass Corona viele Entwicklungen beschleunigt und andere gebremst hat, sei unbestritten, so Zukunftsforscher Horx. "Ein sogenannter Megatrend ist Corona aber nicht." Denn dafür müsste die Entwicklung länger als 50 Jahre dauern, global und ubiquitär sein, erläutert er. Die Zukunftsforschung kenne zwölf Megatrends, darunter Sicherheit, New Work, Gender-Shift, Individualisierung oder Urbanisierung. Letzteren Trend sieht der Zukunftsforscher auch als "Verlierer der Corona-Pandemie", die anderen genannten Megatrends als Gewinner.

Gegenbewegung

Aber jeder Trend entwickle auch immer einen Gegentrend, diese spiegeln sich in ambivalenten Trendwörtern wie Flexicurity (Flexibilisierung und Sicherheit) oder Coopetition (Kooperation und Konkurrenz) wider. "Diese paradoxen Begriffe werden sich durchsetzen." Verabschieden sollte sich die Gesellschaft auch von der Einteilung nach soziodemografischen Indikatoren, denn diese würden, so Horx, immer weniger gelten. In Organisationen, aber auch in der Gesellschaft folge man noch immer einem Lebensmodell, das aus dem Industriezeitalter stamme – bis 20 sei man Kind bzw. Jugendlicher, dann folgen 40 Jahre Erwerbsarbeit und Familie und rund sechs Jahre Ruhestand. "So funktioniert es aber schon lange nicht mehr." Lebensläufe sind viel fragmentierter geworden, das sollte noch stärker berücksichtigt werden.

Der Megatrend für diese Entwicklung laute Individualisierung mit dem Postulat: "Gemeinsam verschieden sein." Werte definieren eine Gesellschaft, nicht das Alter, und erst Unterschiede würden resilient machen. "Wenn zehn Leute der gleichen Meinung sind, kann man sich getrost von neun von ihnen verabschieden", argumentiert Horx überspitzt und zieht den Vergleich zu landwirtschaftlichen Monokulturen: "Wird die Fläche von einem Schädling befallen, ist gleich alles kaputt."

Altes und Neues

Die Digitalisierung werde aktuell als der dominanteste Megatrend bewertet. Aber: Es sei ein Fehler zu denken, neue Technologien würden alles verändern. "Denn das Modell der Rekursion lautet: Neue Technologien bringen alte, traditionelle Kompetenzen auf ihre eigentlichen Stärken zurück." Das, was sich lohnt zu digitalisieren, sollte auch digitalisiert werden. Fest steht: Die Arbeit und auch die Projekte der Zukunft werden immer differenzierter, mobiler und komplexer. Aber nicht jede Aufgabe lasse sich durch Roboter oder künstliche Intelligenz ersetzen. Der Zukunftsforscher sieht bei der Digitalisierung das "Zeitalter der digitalen Korrekturschleife" bereits angebrochen. Denn: "Das Netz löst Verbindungsfragen, aber keine Beziehungsfragen."

Diese Megatrends bedeuten für die Arbeit und das Projektmanagement der Zukunft, so Horx, dass alte Kulturtechniken mit neuen Technologien gemischt werden. Projektbezogene Arbeit werde im kreativen Zeitalter dominieren. Leistung brauche in einem solchen Umfeld aber andere Messkriterien. Nur heterogene Teams können Resilienz entwickeln. Für Führungskräfte heiße das, dass verstärkt auch Reibungen gemanagt werden müssen, ergänzt der Zukunftsforscher. Individualität zulassen zu können gehe mit einem Kontrollverlust der Führungskraft einher. Eine funktionierende Vertrauensbasis sei dafür das Um und Auf. Hierarchien werden, so Horx, weiter abflachen. "Draufhauen, wenn etwas nicht passt, wird immer weniger funktionieren." (Gudrun Ostermann, 24.10.2021)