Das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres in Wien.

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Wien – Der ehemalige Generalsekretär im Außenministerium und bis vor kurzem Österreichs Botschafter in Indonesien, Johannes Peterlik, wurde suspendiert. Das bestätigte eine Sprecherin des Außenministeriums.

Details zu den Hintergründen gab sie nicht bekannt. Es würde sich um eine laufende Ermittlung handeln. Der Botschafterposten ist bereits seit Anfang der Woche neu ausgeschrieben.

Auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) bestätigte nach dem EU-Gipfel in Brüssel, dass gegen Peterlik ermittelt werde. "Ich glaube, dass er zu Recht suspendiert ist", sagte Schallenberg, der bis vor kurzem noch Außenminister und damit der zuständige Dienstgeber Peterliks war. Er habe Anfang September von den Ermittlungen erfahren und "binnen drei Tagen entschieden", sagt Schallenberg. So eine Entscheidung sei nie leicht, aber er habe als Dienstgeber gemacht, was notwendig war. Auf die Frage, ob nun ein Schatten über seiner Zeit als Außenminister liege, sagt der Kanzler: "Im Gegenteil, denn wir haben alle Schritte gesetzt, die notwendig waren." Der Akt liege nun nicht mehr im Außenamt.

Nowitschok und Marsalek

Konkret ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen den 54-Jährigen, wie der "Kurier" berichtet. Es geht um Amtsmissbrauch und Verletzung des Amtsgeheimnisses. Die kursierenden Vorwürfe wiegen schwer – denn Peterlik soll keinem Geringeren als dem ehemaligen Wirecard-Chef Jan Marsalek die Zusammensetzung des russischen Nervengiftstoffs Nowitschok verraten haben. Weil der Verdacht schon früher bestand, dass die Formel des Giftstoffs in unbefugte Hände gefallen sein soll, wurde bereits im Juli 2020 Anzeige erstattet. Nämlich aus den Bundesministerien für internationale Angelegenheiten, Landesverteidigung und Wirtschaft.

Die Dokumente mit der Zusammensetzung von Nowitschok sollen ursprünglich von der Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) erstellt worden sein. Die Organisation untersuchte den Stoff, der für den versuchten Mord am russischen Ex-Agenten Sergej Skripal in London eingesetzt worden war.

In der britischen Hauptstadt soll der mittlerweile untergetauchte Marsalek schlussendlich auch vor Börsenmaklern geprahlt haben, dass er im Besitz der Formel sei. Die "Financial Times" schaffte es schließlich, selbst die Unterlagen zum weltweit tödlichsten Nervengift zu erhalten, und veröffentlichte einen Bericht über das offenkundige Datenleck.

Ursprung: Österreich

Daraufhin meldete sich die OPCW selbst bei einer österreichischen Diplomatin, weil das Deckblatt des von der "Financial Times" gezeigten Dokuments Hinweise darauf gebe, dass ebendieses aus Österreich stammt. Und dort hatten nur drei Ministerien Zugriff auf die OPCW-Untersuchungen: nämlich das Außenministerium unter Karin Kneissl (FPÖ), das Verteidigungsministerium unter Mario Kunasek (FPÖ) sowie das Wirtschaftsministerium unter Margarete Schramböck (ÖVP).

Der offenbar nun verdächtige Peterlik – für den die Unschuldsvermutung gilt – war damals Generalsekretär im Außenministerium. Kneissl hatte ihn auf den Posten geholt. Er wurde damit der Nachfolger des nunmehrigen Außenministers Michael Linhart, den Kneissl von diesem Job entfernt hatte.

Die Tageszeitung "Die Presse" (Samstagsausgabe) weiß zu berichten, dass Peterliks Handy "vor wenigen Wochen" bei einem Wien-Besuch Peterliks von Fahndern sichergestellt worden war. Dann hätten die disziplinarrechtlichen Mühlen zu mahlen begonnen, und Peterlik sei nicht mehr als Botschafter haltbar gewesen. Gegenüber der "Presse" hatte Peterlik am 1. Februar per Mail erklärt, er kenne Marsalek nicht und sei ihm auch nie begegnet. Und: "Ich kann auch vollkommen ausschließen, dass irgendein Dokument von mir an Herrn Marsalek ergangen ist."

Frau im BVT

Im Ö1-"Mittagsjournal" am Freitag sprach auch Nationalratsabgeordneter David Stögmüller von den Grünen über Hinweise, dass Peterlik das Nowitschok-Dokument illegalerweise weitergegeben habe. Im Untersuchungsausschuss zur Causa Ibiza, an dem Stögmüller auch beteiligt war, war der Fall Thema.

Peterliks Ehefrau war außerdem Mitarbeiterin im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), als diesem Abteilungsleiter Martin W. vorstand. Ebenjener Mann, der Jan Marsalek bei der Flucht nach Belarus geholfen haben soll, nachdem die Bilanzfälschung bei Wirecard aufgeflogen war. Polizeibeamte befragten W. außerdem zu einem möglichen Kontakt zwischen Peterlik und Marsalek.

Der Karrierediplomat und der ÖVP eng verbundene Johannes Peterlik stammt aus einer Diplomatenfamilie und startete seine berufliche Laufbahn etwa als Pressesprecher der damaligen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP). Später wurde er mit damals 37 Jahren zum jüngsten Botschafter Österreichs in Vietnam, anschließend in Thailand. In Bangkok war bereits Peterliks Vater Botschafter gewesen, als Kind besuchter er dort die Schule.

Karmasin und Kneissl

Er kehrte 2013 als Kabinettschef ins Familienministerium der parteilosen Sophie Karmasin nach Österreich zurück. Das Verhältnis zwischen den beiden galt nicht als herzlich, und so verließ Peterlik das Familien- in Richtung Außenministerium. Dort holte ihn später eben Kneissl in den hohen Posten des Generalsekretärs, den er auch noch unter Minister Alexander Schallenberg innehatte. Dieser entfernte ihn schlussendlich aber von dort und schickte ihn nach Jakarta. (bbl, 22.10.2021)