H.M. ist seit elf Monaten in U-Haft, er wurde daher von Justizwachebeamten zum Gericht gebracht.

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H.M. wollte dem späteren Attentäter von Wien gefälschte Dokumente besorgen, weil dieser, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, in den Jihad ziehen wollte – nur wenige Monate bevor er in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschoss und zahlreiche weitere verletzte. Die Dokumente kamen nie beim späteren Attentäter an, doch H. M. stand nun vor Gericht.

Am Freitag musste er sich am Landesgericht in Linz wegen Dokumentenfälschung, der Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verantworten.

Papiere für Türkeireise

Zu seiner Vorgeschichte: Der 30-Jährige Kosovare – er sitzt seit Dezember 2020 in U-Haft – ist mehrmals nach Österreich eingereist und dann wieder abgeschoben worden. Im Frühling 2020, da war er gerade im Kosovo, kontaktierte ihn ein enger Bekannter des späteren Attentäters – jener junge Mann, mit dem der Attentäter gemeinsam verurteilt wurde, nachdem die beiden im Jahr 2018 nach Syrien hatten ausreisen wollen.

Dieser Freund des Attentäters kannte den Bruder des Fälschers aus der Zeit in Haft und stellte den Kontakt her. Im Mai dann überwies der spätere Attentäter dem Angeklagten 1.400 Euro. H.M. kontaktierte einen Dokumentenfälscher in Italien, konnte ihn später aber nicht mehr erreichen, weswegen die bestellte deutsche ID-Card nie zum Attentäter gelangte. Also überwies H.M. 500 Euro zurück an den späteren Attentäter – mehr habe er gerade nicht parat gehabt, gibt er in seiner Einvernahme an.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat H.M. damit den IS unterstützt, denn er habe sehr wohl gewusst, dass der spätere Attentäter mithilfe der Dokumente in den Jihad wollte. Für die Staatsanwaltschaft ist zudem unstimmig, dass der Angeklagte einerseits meinte, er würde nur für Freunde und Bekannte Dokumente besorgen, der Attentäter aber offenbar nicht in dieses Schema passte. Verteidiger Michael Lanzinger sieht das gänzlich anders: Nach dieser Logik, so meinte er, müsste man auch den Mann, der dem späteren Attentäter ein Würstel verkauft hat, vor Gericht stellen. Man könne seinem Mandanten keinerlei Nähe zum IS nachweisen – und dass bei ihm mehrere Ausgaben des Korans gefunden wurden, könne wahrlich kein Indiz für eine radikale Gesinnung sein.

Hätte auch Trump Dokumente besorgt

Und der Angeklagte? Der ist teilweise geständig, nämlich was die gefälschten Dokument an sich angeht. Es sei ihm schlicht ums Geld gegangen, "wenn Trump mir gemailt hätte, dann hätte ich ihm ein Dokument besorgt", sagte er. Dass er dem späteren Attentäter Dokumente besorgte, habe er erst verstanden, als er ihn nach dem Attentat in den Medien sah. Danach stellte er auch sein Handy auf Werkseinstellungen zurück. Außerdem habe er nur gewusst, dass die Papiere für eine Reise in die Türkei benötigt werden – von Syrien oder dem Jihad sei nie die Rede gewesen. Hätte er – rein theoretisch – dem späteren Attentäter bei einer Ausreise nach Syrien helfen wollen, dann hätte er doch noch versucht, anderswo gefälschte Dokumente zu besorgen, nachdem der Italiener sich nicht mehr gemeldet hatte.

Die Staatsanwältin führte dazu ins Treffen, dass der Angeklagte noch bei einer früheren Einvernahme gesagt habe, dass er selbst an der Dokumentenübergabe nicht verdienen wollte – er habe sich dem Freund des Attentäters gegenüber schuldig gefühlt, weil dieser im Gefängnis auf seinen Bruder aufgepasst habe. Angesprochen darauf, meint der Angeklagte, da habe er noch gedacht, es gehe rein um Dokumentenfälschung – damit hatte er auf eine milde Strafe gehofft. Nun, wo ihm aber Terror vorgeworfen wird, sei die Situation eine andere: "Sie wissen nicht, was es bedeutet, wenn jemand Sie einen Terroristen nennt und Sie wissen, dass Sie kein Terrorist sind", sagt er sichtlich aufgebracht.

Fünf Monate Haft

In allen Punkten, die den späteren Attentäter betreffen, wird H.M. freigesprochen – eine Terrorverbindung konnte ihm nicht nachgewiesen werden, und nachdem er im Kosovo gewesen war, als er die Papiere für den Attentäter in Auftrag gab, ist auch das kein Fall für ein österreichisches Gericht. Er wird einzig als Bestimmungstäter wegen eines gefälschten Dokuments schuldig gesprochen, das er für seinen Onkel in Auftrag gab – da war er in Linz, als er es in Auftrag gab. Das Urteil lautet auf fünf Monate Haft, die U-Haft wird angerechnet, der Angeklagte kommt also aus der Haft. Der Anwalt nahm das Urteil an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. Nun wird die Fremdenpolizei eingeschaltet.

Dass der Attentäter K.F. wenige Monate vor dem Anschlag Ausreisepläne hegte, wurde erst Monate nach dem Anschlag bekannt. Nachdem man in Italien beim Fälscher ein Foto von ihm gefunden hatte, kam man über die Kontakte auf den nun Angeklagten. Tatsächlich aber bekamen die Behörden wenige Monate vor dem Anschlag einen Tipp aus einer einschlägigen Moschee, stuften diesen aber als "nicht stimmig" ein. (Gabriele Scherndl, 22.10.2021)