Wenn die Grippewelle heuer kommt, kann man mit der Impfung vorbeugen. Am 2. November startet in Wien die Gratisimpfaktion.

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Dass zurzeit gefühlt jeder Zweite niest und hustet, hat nichts mit Corona zu tun. Es gibt tatsächlich noch andere Viren, die sich nach längerer Abwesenheit jetzt wieder deutlich bemerkbar machen. Aber ist das jetzt schon die vielbeschworene Grippewelle? "Nein", beruhigt Virologin Monika Redlberger-Fritz vom Nationalen Referenzlabor für die Erfassung und Überwachung von Virusinfektionen des Menschen in Österreich, "das sind grippale Infekte. Ausgelöst werden die derzeit fast ausschließlich von Rhinoviren und dem Respiratorischen Synzytial-Virus."

Für Wien etwa erhebt die MA 15 routinemäßig ab Kalenderwoche 40 jedes Jahr die Neuinfektionen, über 10.000 grippale Infekte in einer Woche wurden zuletzt gemeldet. Und genau das spüren jetzt viele. Denn es gibt tatsächlich eine Besonderheit in diesem Jahr. Durch Schutzmaßnahmen wie Händedesinfizieren und Masketragen wurden nicht nur Coronaviren eingedämmt, auch alle anderen Infektionen gingen zurück. Das macht sich jetzt bemerkbar.

"Das Immunsystem ist nach über eineinhalb Jahren Schutzmaßnahmen nicht so trainiert wie sonst. Wir haben ja normalerweise ständig Kontakt mit Viren, Bakterien und Antigenen, das fordert die Abwehrmechanismen permanent, wir merken viele potenzielle Infektionen gar nicht", erklärt Redlberger-Fritz. Dass dieses "Training" jetzt so lange ausgeblieben ist, erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen symptomatischen Infekt zu bekommen, deutlich.

Kindliches Immuntraining

Das merken auch viele Eltern. Denn der Nachwuchs, der seit Beginn der Pandemie im Schnitt deutlich weniger krank war, holt das jetzt quasi nach. Das Immunsystem der Kleinen muss sich ja erst aufbauen, mit jeder Infektion wird es "geprimed". "Das Immunsystem entwickelt durch virale Infekte neuartiges Antikörpermaterial, das legt den Grundstein für den weiteren Immunschutz. Bei einem neuerlichen Kontakt ist das Kind dann schon besser gewappnet", erklärt die Kinderärztin Monika Resch.

Sorgen machen muss man sich aber keine um das kindliche Immunsystem. Denn jetzt, wo die meisten Kinder wieder ganz normal in Kinderkrippen, -gärten und Schulen gehen, holen sie diese Infekte einfach nach. Der Nachteil: Sie können tatsächlich öfter krank sein. Nur bei einem Virus ist Vorsicht geboten, den bereits erwähnten Respiratorischen Synzytial-Viren. Die können vor allem für sehr kleine Kinder gefährlich werden, wenn sie sich in den unteren Atemwegen festsetzen und eine Entzündung der kleinen Lungenbläschen auslösen. Im schlimmsten Fall müssen sie sogar ins Spital und beatmet werden.

Influenza in den Startlöchern

Dieses untrainierte Immunsystem könnte auch bei einer sich ankündigenden Grippewelle zum Problem werden – in Kroatien gibt es bereits erste Fälle. Immerhin ist die Influenza vergangenes Jahr aufgrund der Corona-Maßnahmen komplett ausgefallen. Auf so einen ruhigen Winter folgt üblicherweise eine starke Welle, eben weil das Immunsystem nicht geboostet wurde.

Im Normalfall kommt ja ein gewisser Teil der Bevölkerung während einer Influenza-Saison mit dem Virus in Kontakt, entwickelt aber keine Symptome. "Stille Feiung" nennt Redlberger-Fritz das, sozusagen ein Update fürs Immunsystem. Herrscht in der nächsten Saison ein anderer Influenza-Stamm vor, gibt es trotzdem einen bestimmten "Kreuzschutz". Das ist vergangenen Winter aber komplett ausgefallen.

Ob diese Saison die Welle tatsächlich kommt, kann man bisher noch nicht sagen. Es gibt derzeit zwei mögliche Szenarien. Bleiben die Covid-Maßnahmen so wie sie jetzt sind oder werden sie womöglich sogar noch verstärkt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Grippewelle eher gering. "Aber sollten die Maßnahmen im Winter zurückgenommen werden, haben auch die Influenza-Viren die Möglichkeit, sich auszubreiten", erklärt Redlberger-Fritz.

Für diesen Fall ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich die Grippeimpfung zu holen. Empfohlen wird sie vom Nationalen Impfgremium (NIG) für alle ab 65, Menschen, die in einem Senioren- oder Pflegeheim leben und jene mit Vorerkrankungen, chronischen Krankheiten und alle Immunsupprimierten. Weitere Risikogruppen sind Schwangere und auch Kinder, vor allem, weil die die Infektion in die Familien tragen. Weiters sollte sich Gesundheitspersonal immunisieren lassen sowie Menschen, die im pädagogischen Bereich arbeiten. Darüber hinaus natürlich alle, die sich schützen wollen, unabhängig vom Alter.

Zu diesem Zweck gibt es auch heuer wieder ein Gratisimpfaktion. In Wien startet diese etwa am 2. November, ab 25. Oktober kann man sich dafür registrieren. Insgesamt 450.000 Dosen stehen zur Verfügung. Ab Anfang November ist auch der ideale Zeitpunkt für die Impfung. Der Höhepunkt der Welle ist nämlich üblicherweise im Jänner und Februar, das Immunsystem hat dann genügend Zeit, ausreichend Antikörper aufzubauen. (Pia Kruckenhauser, 25.10.2021)