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Das Bild des Greyhound prägte lange den US-Alltag. In der Populärkultur des 20. Jahrhunderts waren die Busse ein verlässlich wiederkehrendes Sujet.

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Wer ein Gefühl für die Größe und Vielfalt des Territoriums der USA gewinnen will, sollte mit einem Greyhound-Bus von New York nach San Francisco reisen: 75 Stunden um rund 200 Euro. Mit einer Rückschau auf die Historie der mehr als 100 Jahre alten Busgesellschaft kann man ebenso viel über Amerikas Geschichte im 20. Jahrhundert lernen.

Carl Eric Wickman war ein Einwanderer aus Schweden, der als Verkäufer der frühen Automobile gescheitert war. 1913 begann er, Bergarbeiter in Minnesota für ein paar Cent zu ihrem Arbeitsplatz zu transportieren.

Bald darauf weitete er sein Transportgeschäft aus und erfand dabei das Fernbuswesen, bevor es noch echte Busse gab. Genauso wenig gab es damals brauchbare Straßen. Die wurden erst als Folge des "Federal Highway Act" von 1921 gebaut, als auch die ersten Fahrzeuge produziert wurden, die man als Busse erkennen konnte.

Günstige Alternative

Damals reisten die meisten Amerikaner mit dem Zug, doch ein Preiskartell der Bahnbetreiber machte solche Fahrten für viele unerschwinglich. Greyhound bot eine günstigere Alternative. Das Unternehmen wuchs durch Übernahmen und einen ständigen Anstieg von Passagieren. Diese wurden auch vom Hollywood-Hit It Happened One Night (1934) inspiriert, in dem Clark Gable als Reporter einer verwöhnten Erbin auf Greyhound-Fahrten folgt.

650 Millionen Fahrten wurden Mitte der 1930er-Jahre in Fernbussen verzeichnet, der Großteil davon mit den Fahrzeugen jenes Unternehmens, das den Windhund als Logo führte. Das signalisierte Geschwindigkeit und Ausdauer. Es gab immer mehr Routen quer durch die USA, in tausenden Städten wurden Busstationen errichtet, im gleichen Art-Deco-Design gehalten wie die Fahrzeuge.

Im Zweiten Weltkrieg transportierte die Gesellschaft unzählige Soldaten und präsentierte sich als patriotischen Wohltäter. Ein Slogan damals lautete: "This Army Moves by Greyhound". Als Wickman 1946 als Vorstandsvorsitzender abtrat, stand der Konzern geschäftlich am Gipfel.

Kampf um Amerikas Bürgerrechte

Es war paradoxerweise der Bau der großen Autobahnen unter Präsident Dwight Eisenhower, der in den 1950er-Jahren seinen Abstieg einleitete. Die Fahrten wurden schneller und bequemer, aber auch die Zahl der Privatautos nahm von Jahr zu Jahr zu. Ab den 1960er-Jahren kam der Flugverkehr dazu.

In Greyhound-Bussen saßen meist nur Jugendliche, die viel Zeit hatten, und Geringverdiener, die sich kein anderes Verkehrsmittel leisten konnten. Viele von ihnen waren schwarz und wurden noch viele Jahre auf die hinteren Reihen verbannt. Immerhin gab es in einem Teil der Flotte ab 1954 eingebaute Toiletten; im selben Jahr starb Carl Eric Wickman.

Der Kampf um Amerikas Bürgerrechte wurde ab 1960 auch in den Bahnhöfen und Bussen von Greyhound ausgetragen. Aber selbst nach dem Ende der Rassentrennung in den Kabinen blieb das Unternehmen ein Abbild der gespaltenen Nation: Manager und Fahrer waren fast alle weiß, Schwarze luden das Gepäck auf und putzten die Innenräume.

In der Kultur der USA schlug sich das ambivalent nieder. Greyhound war eine Marke wie Coca-Cola, der Name selbst eine Chiffre für Busreisen aller Art geworden. Doch Ende der 1960er veränderte sich das Bild.

Erste Insolvenz

Die jahrzehntelang im Sinne des Optimismus und Pioniergeists betriebene Werbung des Unternehmens wurde nicht nur vom Individualverkehr überholt. Auch die Gegenkultur und die Filme des New-Hollywood-Kinos rückten es zurecht. Die Bürgerrechtsbewegung und der Vietnamkrieg beutelten ein zu lange gepflegtes Selbstbild, und in der Populärkultur rückten Sujets in den Fokus, die zuvor ausgeblendet waren: Außenseiter, Ziellose, gescheiterte Existenzen – die Kehrseite des amerikanischen Traums.

Lee Hazlewood, selbst ein ewiger Underdog, besang zu der Zeit ein Greyhound Bus Depot um vier Uhr morgens als den einsamsten Ort der Welt. Filme und Bücher offenbarten, dass eine Fahrt mit dem Greyhound nicht automatisch in ein besseres Leben führt, sondern dass die Probleme immer mitreisen.

Die Zahl der Fahrten sank von Jahr zu Jahr – von 92 Millionen im Jahr 1969 auf 56 Millionen im Jahr 1978. Greyhound war damals immer noch profitabel und investierte den Cashflow in neue Geschäftsbereiche statt in die unbeliebten Buslinien. Ein Busfahrerstreik und der Erfolg von jungen Billigfluglinien beschleunigten den Abstieg, der 1990 in die erste Insolvenz mündete.

Ruinierter Ruf

Zu der Zeit war der Ruf der Greyhound-Busse an einem Tiefpunkt angekommen. Aus dem wohlmeinenden Kosenamen "The Hound" war "The Dirty Dog" geworden. Mit dem Bedeutungsverlust als Beförderungsmittel ging eine Verwahrlosung der Infrastruktur einher. Haltestellen in sozialen Brennpunkten vieler Städte wurden längst nicht mehr nur von Reisenden frequentiert.

Unter dem Eindruck der über die USA hereingebrochenen Crack-Epidemie wurden Haltestellen immer öfter zu Umschlagplätzen mit entsprechendem Publikum. Busfahrer weigerten sich, bei gewissen Stationen anzuhalten, andere wurden nur noch tagsüber angefahren.

Zudem sank die Reputation des Personals in den Keller. Sangen 1973 die Allman Brothers in ihrem Lied Ramblin’ Man noch heiter fröhlich über ein im Greyhound geborenes Baby, so war diese Vorstellung nun zum Albtraum geworden.

Fusionen und Pleite

Es gab weitere Fusionen und 2001 die nächste Pleite. 2007 wurde dieses Symbol des alten Amerikas britisch, als die FirstGroup die Muttergesellschaft Laidlaw für 3,6 Milliarden Dollar übernahm. Greyhound gehörte damals längst nicht mehr zum Kerngeschäft des Konzerns. Im Vorjahr betrieb das Netzwerk 1700 Busse und verzeichnete 16 Millionen Einzelfahrten.

Die meisten Amerikaner kennen die ikonischen Busse nur noch von Filmen und Erzählungen ihrer Eltern. Und auch diese Erinnerungen werden unter der Flixbus-Marke wohl bald verblassen. (Eric Frey, Karl Fluch, 23.10.2021)