Der chinesische Immobilienentwickler Evergrande hat sich mehr Zeit verschafft. Für eine Zinszahlung, für die die 30-tägige Nachfrist zur Zahlung nun abgelaufen wäre, hat der Konzern nun das Geld zusammen bekommen und die Gläubiger bezahlt. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte der in viele Branchen verzweigte Konzern einen offiziellen Zahlungsausfall melden müssen, womit die Pleite wohl kaum mehr abzuwenden gewesen wäre.

83,5 Millionen Dollar hat der Immobilienentwickler nun an Zinsen für eine Onshore-Anleihe auf ein Treuhandkonto der Citibank überwiesen. Die Zahlung sei "eine positive Überraschung", sagt James Wong, Portfoliomanager bei GaoTeng Global Asset Management Ltd, und fügte hinzu, dass viele einen Zahlungsausfall erwartet hätten. Die Nachricht werde das Vertrauen der Anleihegläubiger wohl stärken, so Wong.

Am Vertrauen hatte Evergrande-Chef Hui Ka Yan schon länger gearbeitet. In einem Brief an die Mitarbeiter teilte er Ende September mit, dass Evergrande seine dunkelsten Stunden hinter sich lassen werde. Mit welchen Schritten das passieren sollte, wurde jedoch offengelassen. Ding Yumei, die Frau von Hui Ka Yuan (der einst der reichste Mann in China war), kaufte im Herbst für drei Millionen Dollar Junkbonds des eigenen Unternehmens, um Investoren zu beruhigen. Anlegern wurde zudem angeboten, Finanzprodukte des Konzerns in Immobilien zu tauschen.

Mit der Zahlung offener Zinsen hat sich Evergrande ein kleines Rettungsboot herbeigeschafft. Der Tanker taumelt aber gehörig.
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Doch all das half nichts. Investoren wie Banken und Anleger sind seit Wochen hochnervös. Denn trotz der aktuell getätigten Zinszahlung ist die Gefahr eines Kollapses von Evergrande freilich nicht vom Tisch. Bereits am 29. Oktober endet die nächst Nachfrist für die Zinszahlung einer weiteren Offshore-Anleihe in der Höhe von 45,2 Millionen Euro. Im Oktober muss der Konzern in Summe mehr als 400 Millionen Dollar an Zinsen an seine Anleihenanleger ausbezahlen.

Woher das Geld kommen soll, ist fraglich. Zuletzt wollte Evergrande einen Teil seiner Gebäudeverwaltung an den Konkurrenten Hopson verkaufen. Dieser Deal hätte mehr als eine Milliarde Dollar in die leere Kassa spülen sollen. Hopson hatte sich aber in letzter Minute von dem Deal zurückgezogen. Die 1996 gegründete Evergrande hat einen Schuldenberg von rund 300 Milliarden Dollar angehäuft. Das entspricht rund zwei Prozent des BIPs von China. Bis zum Jahresende sind Zinszahlungen in der Höhe von rund 670 Millionen Dollar fällig. Der Kurs der Evergrande-Aktie ist seit Jahresbeginn um mehr als 80 Prozent abgestürzt.

Unklar ist noch immer, ob und wie die Zentralregierung in Peking in das Evergrande-Debakel eingreifen wird. Ob sie das Unternehmen notfalls auffängt oder nicht, ist offen. Das Evergrande versucht, einzelne Sparten abzuspalten, scheint vorerst der akkordierte Plan.

Bessere Vorsorge

Die chinesische Notenbank hat mittlerweile in mehreren Tranchen Geld in das Finanzsystem gepumpt, damit Ausfälle bei Banken besser verkraftbar sind. Sie rief die Banken des Landes auch dazu auf, für eine stabile Kreditversorgung der Immobilienunternehmen des Landes zu sorgen. Neben Evergrande meldeten zuletzt auch die Immobilienentwickler Fantasia Holding und Modern Land Zahlungsschwierigkeiten. Dass ein Fall von Evergrande massive Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem hat, wird von Experten aber bezweifelt.

Unklar ist, wie lange Evergrande Geld für die nächsten Zinszahlungen aufbringen kann. Kommt es zu einem gröberen Ausfall, stünden rund 19 Milliarden Dollar an Anleihen an den internationalen Finanzmärkten im Feuer. (Reuters, bpf, 22.10.2021)