Duran Duran transportieren auf "Future Past" den Sound der 1980er souverän ins Jetzt – ohne deshalb wie ein Oldie-Act zu klingen.

Foto: BMG

Es liegt da wie ein offenes Buch. Keine falschen Fährten, wenig Interpretationsspielraum, der Titel sagt alles: Future Past. Und so, wie das neue Album von Duran Duran heißt, klingt es. Einerseits, als wäre es immer noch 1984, in sich selbst ruhend, mit dem Ertrag von 40 Jahren Mainstream-Pop und 100 Millionen verkauften Alben auf der Habenseite. Gleichzeitig ist hörbar: Die vier verwirklichen ihren Sound auf der Höhe der Zeit. Schon der Opener lässt da keine Zweifel aufkommen, wer hier zugange ist: ein bockiger Rhythmus, Schnalzbass, Keyboardtapeten und das leicht pampige Selbstbewusstsein des Sängers – so klingen nur Duran Duran.

Duran Duran sind Simon Le Bon an der Stimme, John und Roger Taylor an Gitarre, Bass und Schlagzeug sowie Nick Rhodes, der mit seinem Namen natürlich nur die Tasten bedienen kann. Mit ihrer Musik sind sie zu einer Chiffre für die 1980er-Jahre geworden.

Butter!

Gegründet in den wilden Jahren des Punk und später als New Romantics weltberühmt geworden, ergaben sie sich mit Bombast einer Musik, die ihre Wurzeln zwar im schlanken New Wave hatte – mithilfe technischer Möglichkeiten und Größenwahn trugen sie aber in fast jedem Song auf, als gebe es morgen keine Butter mehr. Mit allen Gesten ständig auf 110, wilde Buben in Cinemascope.

Duran Duran

Der für Duran Duran charakteristische Synthesizer verantwortete damals eine Ästhetik, die etwas blutarm wirkte: Da konnte der mit drei Daumen gespielte Bass noch so heftig "Poing!" machen, für so etwas wie einen organischen Groove hat es nicht gereicht. Doch das Kantige entsprach dem Zeitgeist, es spiegelte sich in den Frisuren ebenso wie in den Schulterpolstern – damit dieses Klischee gleich abgehakt ist.

Lady Di auf Rollschuhen

Dass sie zudem die Lieblingsband von Lady Di war, förderte damals nicht gerade ihre Coolness. Heute führt es dazu, dass ihre Musik in der preisgekrönten TV-Serie The Crown ertönt, wenn Lady Di auf Rollschuhen durch den Buckingham Pallast cruist. Verlangte es Duran Duran nach so etwas wie Genugtuung: Das böte sich an.

Doch die Band erklomm ohnehin höchste Höhen und war selbst in den USA immens erfolgreich, da waren die auf den restlichen Kontinenten auch noch verkauften Alben vergleichbar mit Brosamen.

Duran Duran

In diesen Oberligakreisen fanden pophistorische Einträge wie ein James-Bond-Song und Hits vom Fließband wie selbstverständlich zusammen. Und sogar als ihre Musik längst over war, blieben Duran Duran parallel zu Strömungen und Moden eine eigene Größe.

Blur und Moroder

Sie justierten nach, versuchten nur selten, sich Trends anzudienen, sondern destillierten von diesen, was ihnen für ihre Musik zuträglich erschien. Das ist im Wesentlichen so geblieben. Einmal mit mehr, ein anderes Mal mit weniger Publikumsresonanz. Nur weg vom Fenster waren sie nie.

Auf Future Past tritt nun der frühere Blur-Gitarrist Graham Coxon prominent in Erscheinung; der DJ und Remixer Erol Alkan und Giorgio Moroder wurden neben Mark Ronson als Produzenten verpflichtet. Selbst diese Personalbestellungen reflektieren den Albumtitel – wiewohl ihm der 81-jährige Moroder wahrscheinlich stärker zuarbeitet als der 52-jährige Coxon.

Duran Duran

Das Zusammenwirken solcher und anderer Kräfte mit dem etablierten Sound der Duranos ergibt eine zeitlos moderne Popmusik. Klar, die Keyboards klingen stellenweise wie vor 40 Jahren, der Bass schnalzt wie eine akustische Visitkarte, doch heute flutscht, was früher im Bombast ein wenig unterelegant wirkte.

Ein Clubhit

Ein Song wie Tonight United ist ein echter Clubhit – ob er ein solcher wird oder nicht, ist wurscht. Nothing Less wankt und flirrt als schattseitige Ballade durch die Schaltkreise, Beautiful Lies ist wieder eine dieser Hochglanznummern, die in den 1980ern jede Dorfdisco mit internationalem Flair versorgte, wenn DJ Gottfried die aktuelle Duran-Duran-Single aufgelegt hatte.

Selbst wer die Band damals nicht zu Unrecht als eine Ausgeburt des zu Blähungen neigenden Mainstreams gehalten hatte, muss heute anerkennen, dass Duran Duran mit Future Past in einer eigenen Liga spielt. (Karl Fluch, 22.10.2021)