Karl-Heinz Grasser verlangt die rasche schriftliche Ausfertigung des im vorigen Dezember verkündeten Buwog-Urteils. Anwalt Manfred Ainedter (rechts) hat den Antrag eingebracht.

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Fast elf Monate ist es her, dass Richterin Marion Hohenecker im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts das Urteil gegen Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und andere verkündet hat. Acht Jahre für den Exfinanzminister in der Causa Buwog, sieben für seinen Trauzeugen, den Berater Meischberger, und sechs für den Exlobbyisten Hochegger, so lautete der mündlich verkündete Urteilsspruch im bislang größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik. Die Verurteilten meldeten Rechtsmittel an, für sie alle gilt die Unschuldsvermutung. Die sechs Freisprüche sind rechtskräftig.

Was freilich noch fehlt: das schriftliche Urteil. Die Richterin arbeitet nach wie vor an dessen Ausfertigung – und das dauert Grasser nun zu lange. Er, bzw. seine Rechtsanwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess, haben am 9. September einen sogenannten Fristsetzungsantrag ans Oberlandesgericht (OLG) Wien gestellt, sinngemäß mit dem Begehren, das OLG möge dem Straflandesgericht Wien auftragen, das schriftliche Urteil binnen vier Wochen auszufertigen.

Riesiger Akt

Eingebracht wurde der Antrag – wie im Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) vorgesehen – beim Erstgericht, also bei Richterin Hohenecker. Sie hat den Fristsetzungsantrag am 28. September samt ihrer Stellungnahme ans OLG weitergeleitet, wie beide Gerichte auf Anfrage bestätigen. Hohenecker arbeite intensiv an der Ausfertigung des Urteils, so eine Sprecherin des Straflandesgerichts, es handle sich aber um "außerordentlich große Datenmengen", wird die Dauer des Urteilsschreibens wie bisher auch erklärt.

Zur Erinnerung: Allein die Verhandlung zur Causa Buwog und Terminal Tower Linz, in die auch der Verfahrensstrang Korruption rund um die Telekom Austria und das Verfahren zur Meischberger-Villa gehört, hat fast genau drei Jahre lang gedauert. In der Villen-Causa wurde Meischberger Prozessbetrug vorgeworfen, in dem Punkt wurde er freigesprochen. Der Privatbeteiligte hat Rechtsmittel gegen den Freispruch angemeldet.

OLG hat noch nicht entschieden

Beim Fristsetzungsantrag muss nun ein Dreiersenat beim OLG Wien entscheiden, ob er der Erstrichterin die vierwöchige Frist setzt. Gemäß Gesetz muss das zuständige Gericht diese Entscheidung "mit besonderer Beschleunigung fällen" – zwischen Ende September und 22. Oktober ist das noch nicht geschehen. Es gebe noch keine Entscheidung, wie der Sprecher des OLG Wien erklärt. Gegen den OLG-Beschluss ist dann kein Rechtsmittel mehr zulässig.

Die Causa Buwog, in der es u. a. um den Vorwurf der Bestechung und Untreue rund um die honorarreiche Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaft Buwog geht, beschäftigt die Behörden und die Beschuldigten seit langer, langer Zeit. Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft haben auf Basis eines Zufallsfunds im September 2009 begonnen – also vor zwölf Jahren. Wegen der langen Verfahrensdauer werden Grassers Anwälte auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen, wie sie längst angekündigt haben.

Recht auf faires Verfahren

"Unangemessen" lange Verfahren widersprechen dem Recht auf ein faires Verfahren, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Gemäß Judikatur kann das auch dann der Fall sein, wenn nach neun Monaten noch immer kein Urteil da ist. Beruft man sich darauf, muss man sich zuvor quasi gewehrt haben – dazu dient Grassers Fristsetzungsantrag. (Renate Graber, 23.10.2021)