Gesund und fit sein und älter werden ist kein Widerspruch. Aber man muss schon selbst dazu beitragen. Die Wissenschaft weiß, welche Dinge das sind.

Foto: imago images / Westend61

Genuss und gute Lebensqualität sind gut – aber nicht alles, was man zu einem gesunden Lebensstil braucht. Damit Körper und Geist gesund altern, braucht es etwas mehr. Denn so, wie es bei einem Auto auch nicht reicht, wenn zwar der Motor noch gut arbeitet, aber die Karosserie auseinanderfällt, müssen auch bei uns Menschen Körper und Geist funktionieren. Und je früher man sich darum kümmert, desto größer der Effekt. "Medizinisch ist es möglich, noch mit 90 fit zu sein, wenn man über viele Jahre einen gesunden Lifestyle pflegt und man am besten nicht erst mit 80 Jahren damit anfängt", sagt Martin Halle, ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der TU München. Was heißt das nun für den Alltag?

Was jeder für sein biologisches Alter tun kann

Dazu gibt es einige Ansätze. Reizvolle Lebensumstände können das Gehirn jung halten, wie aktuelle Ergebnisse einer Mäusestudie zeigen. Dresdner Neurowissenschafter haben Mäuse, die in unterschiedlichen Umgebungen beziehungsweise unter verschiedenen Lebensumständen aufgewachsen waren, zunächst in der Kindheit und später im Alter untersucht: Während die eine Mäusegruppe Zugang zu Spielsachen und Tunnelröhren hatte, gab es für die Mäusejungen der zweiten Gruppe keine derartigen Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Forscher untersuchten, wie sich die Aktivität bestimmter Gene durch diese Reize beziehungsweise durch ihr Fehlen langfristig in beiden Mäusegruppen verändert hat.

Es zeigte sich, dass das Aufwachsen in einer reizvollen Umgebung dazu führt, dass sich bestimmte chemische Markierungen der DNA nur wenig mit dem Alter änderten. Es handelt sich dabei um sogenannte epigenetische Veränderungen, die die Genaktivität steuern. Das heißt, bei diesen Mäusen blieb die Genaktivität weitestgehend "jung". Lebten die Mäuse dagegen in einer reizarmen Umgebung, waren die Veränderungen der Genaktivität im Alter viel ausgeprägter. Im Mittelpunkt standen Gene, die für die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus, der Schaltzentrale des Gedächtnisses, wichtig sind. Reize halten demnach den Hippocampus jung und das Gehirn formbarer.

Was für die Mäuse gilt, ist wahrscheinlich auch beim Menschen zutreffend, jedoch dürfte das Geschehen komplexer sein. Aber auch hier ist bereits bekannt: Das menschliche Gehirn wächst mit den Herausforderungen. Es werden laufend neue Nervenzellen gebildet, die kognitive Reserve wird größer, und – ganz wichtig – neue Nervenverbindungen bilden sich, das Gehirn verjüngt sich. Es ist bekannt, dass zum Beispiel Zweisprachigkeit, Reisen oder das Erlernen eines Musikinstrumentes das Auftreten von Demenzsymptomen nach hinten verschieben kann.

Es braucht nicht nur Reize, auch Entspannung ist wichtig – also zwischendurch immer wieder relaxen. "Ist der Stresspegel dauerhaft erhöht, dann sterben Nervenzellen im Hippocampus ab", warnt Korte. "Positive Lernherausforderung des Gehirns führt dagegen zur Aktivierung vieler Gehirnareale und zur Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktoren, die das Überleben der Nervenzellen sicherstellen. Neue Kontakte mit anderen Nervenzellen werden hergestellt."

Wichtige Freundschaften

Zwei ganz wichtige Faktoren für gesünderes Altern sind: Kontakte pflegen und das Rauchen aufgeben. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass das Miteinander mit anderen dazu beiträgt, uns geistig fit zu halten. Ungewollte Einsamkeit hat den gegenteiligen Effekt, die graue Substanz baut ab. Gemeinsame Aktivitäten bringen geistige Anregung und so manchen Lacher. Und vom Lachen ist ja auch schon lange bekannt, dass es gesund ist.

Was das Rauchen anbelangt: Es beschleunigt das Altern. "Rauchen verschlechtert die Durchblutung des Gehirns, das Konzentrationsvermögen nimmt ab", so Neurobiologe Korte. "Außerdem verdoppelt es das Demenzrisiko, weil es die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus verhindert."

Rechtzeitig mit dem Essen aufhören

Weitere Punkte sind eine gesunde, antientzündliche Ernährung und "Hara Hachi Bu". Beim antientzündlichen Essen greift man zu möglichst bunten, pflanzenbasierten Nahrungsmitteln und zu an Omega-3-Fettsäuren reichem Fisch. Rotes Fleisch steht dafür nur selten auf dem Speiseplan, ab und zu weißes Fleisch hat sich laut Martin Halle in Studien bewährt, um möglichst gesund zu altern.

Der Fokus einer pflanzenbasierten Ernährung liegt auf Früchten, Gemüse – insbesondere grünes Gemüse wie Spinat und Kohlvarianten –, Vollkorngetreide, Nüssen und Omega-3-Fettsäuren enthaltenden Pflanzen wie Sojabohnen und Leinsamen sowie fettem Kaltwasserfisch wie Lachs und Olivenöl. "Insbesondere rotes Fleisch enthält Proteinkomponenten, die im Körper zu Autoimmunreaktionen führen können, die auch aufs Gehirn wirken", warnt Korte. Ballaststoffe sollten reichlich in der Nahrung enthalten sein. Denn die benötigen bestimmte, wichtige Darmbakterien als Nahrung. Im Gegenzug produzieren sie daraus für die Gesundheit wichtige Stoffwechselprodukte.

Kalorien sparen durch weniger essen wirkt dem Inflamm-Aging entgegen, verringert das Risiko für Krebs und andere altersbedingte Erkrankungen und erhöht die Lebensspanne. Die auffallend langlebigen Menschen auf der Insel Okinawa pflegen diesen alten Brauch, "Hara Hachi Bu", genannt. Der besagt, nur so viel zu essen, bis man sich zu 80 Prozent satt fühlt. Die mit zunehmendem Alter steigende Zahl an Entzündungsreaktionen lässt sich systematisch durch Kalorienrestriktion unterdrücken. Und das ist gleichbedeutend mit gesünderem Altern und möglicherweise sogar einer höheren Lebenserwartung.

Täglich Bewegung gehört dazu

Schließlich ist Bewegung noch ein wichtiger Faktor, Sport ist Medizin von Kopf bis Fuß, Muskeln sind für die körperliche Fitness wichtig. Sie haben eine entzündungshemmende Wirkung, speichern Blutzucker und schütten bei Beanspruchung Botenstoffe und Hormone aus, die in anderen Geweben wie Gehirn und Fettzellen wichtige biochemische Prozesse starten. "Täglich 30 Minuten Sport und Koordinationstraining spätestens ab 45 Jahren wirken dem Muskelabbau entgegen", rät Halle.

"Ausdauersport ist hierfür noch besser geeignet als Krafttraining. Am besten ist aber das Tanzen, weil viele Muskelgruppen aktiviert werden und Rhythmen in neue Bewegungen umgesetzt werden." Es ist ein gutes Koordinationstraining, das dem Gehirn einiges abverlangt. "Wenn die Muskeln trainiert werden, dann regt dies zudem die Neubildung von Mitochondrien an", so Thomas Langer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns. Und das verjüngt die Muskulatur und macht sie leistungsfähiger. "Mit regelmäßigem Sport wirkt man auch einer zunehmenden Schwächung des Herzmuskels, Versteifung der Blutgefäße und einem potenziellen Schlaganfall entgegen. Dies belegen Studienergebnisse", sagt der Münchner Mediziner Halle.

Wen das noch nicht von der Couch wegbringt, den überzeugt vielleicht dieses Argument: "Sport hat einen Anti-Aging-Effekt auf den Hippocampus, der für Gedächtnis und Lernvermögen wichtig ist, indem er die Bildung neuer Nervenzellen anregt", sagt Neurobiologe Martin Korte von der TU Braunschweig. Sport erhöht nämlich die Durchblutung des Gehirns. Damit verbessern sich die Gedächtnisleistungen und andere kognitive Fähigkeiten. Umgekehrt schadet ein schwaches Herz dem Gehirn: Je schwächer das Herz, desto geringer die Dichte der grauen Substanz in Teilen der Großhirnrinde und des Hippocampus. (Gerlinde Felix, 24.10.2021)