Koranisches Lebensgefühl erlebt man nicht nur auf den bunten Einkaufsstraßen von Seoul. Kulinarik, Mode und Essen aus Korea erobern die westliche Welt.

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Popmusik

BLACKPINK

Was Pop betrifft, setzte die koreanische Welle (Hallyu) die ganze Welt unter Wasser, als der siebenköpfigen Boyband BTS, kurz für Bangtan Sonyeondan ("kugelsichere Pfadfinder"), 2018 mit der Love Yourself-Albumtrilogie der internationale Durchbruch gelang. Davor galt Korean Pop, kurz K-Pop, den es seit den 90ern gibt, außerhalb Asiens eher als Special- Interest-Thema. Heute verbindet man mit dem Genre am stärksten die sogenannten Idols: Gecastete Boy- und Girlbands, deren Mitglieder bereits im Kindheitsalter als Trainees bei Produktionsfirmen (sogenannten Entertainments) "einziehen" und dort zu untadeligen Popmaschinen erzogen werden. Denn die südkoreanische Wirtschaft ist von ihnen abhängig. Allein BTS bringen dem Fiskus fünf Milliarden pro Jahr – die Beziehung, die K-Pop-Stars zu ihren Fans aufbauen, sorgt dafür, dass jene sich mit teuren Merchandise-Artikeln eindecken. Immer wieder kommt es aufgrund des hohen Drucks auf die Stars zu Suiziden, auch sexuelle Übergriffe dürften in der K-Pop-Szene auf der Tagesordnung stehen. Zu den aktuell erfolgreichen Gruppen gehören neben BTS die Boyband Exo, aber auch Girlbands wie Blackpink, Twice oder Girls’ Generation. (Amira Ben Saoud)

Kosmetik

Schneckenschleim, Fermentierung und fast zeremonielle Riten: Was klingt wie Anleitungen für einen erfolgreichen Hexenzirkel, sind in Wahrheit wichtige Bestandteile der südkoreanischen Hautpflege. Was befremdlich klingt, soll Falten, Narben und Akne bekämpfen und einen strahlenden, gesunden Teint verleihen. Im Vergleich zu manch anderen Herstellern setzen südkoreanische Beauty-Marken stärker auf natürliche Inhaltsstoffe – wie zum Beispiel eben Schneckenschleim. Fermentierte, also gegärte, Pflanzen- stoffe in der Gesichtspflege sollen hingegen die Haut schonender pflegen. Eine Zehn-Schritte-Pflege lässt aber auch ein Zehn-Kilo-Gefühl im Gesicht befürchten. Tatsächlich folgen auf viele leichte Reinigungsmittel nur wenig schwerere Pflegeprodukte. Am Ende all dieser Bemühungen soll in Seoul in Südkorea genau das Gleiche stehen wie in Gramat- neusiedl in Österreich: strahlender Teint und möglichst wenig Falten. Wer südkoreanische Skin-Care ausprobieren will, muss sich vor allem einem Problem stellen: den eigenen Vorurteilen. Aber hat man die erst einmal überwunden, steht dem peachy Glow, den man ansonsten nur aus koreanischen Serien kennt, nichts im Weg. (Ana Grujic)

Kulinarik

Auch wenn der westliche Lebensstil auf Südkoreas Tellern Spuren hinterlassen hat, gibt es traditionelle Speisen, die bei keinem Essen fehlen dürfen. Die wichtigste ist Kimchi: Klassisch wird Chinakohl mit scharfer Würzpaste einige Wochen lang in großen Behältern fermentiert. Zum Lagern gibt es in den südkoreanischen Haushalten gar eigene Kimchi-Kühlschränke. Geht es um Streetfood, ist man in Korea sehr kreativ, zu sehen auch in einer Streetfood-Netflix-Serie. Populär ist unter anderem der Kor Dog, die koreanische Form des Corn Dog. Dazu wird ein Würstel mit Teig und Pommes frites umhüllt und mit diversen Saucen serviert. Derzeit sind international gerade die – in Korea traditionell auf der Straße verkauften – Dalgona-Kekse, die in einer Folge von Squid Game gezeigt werden, gefragt. Das Besondere an den Karamellkeksen ist ihr eingestanztes Muster – beispielsweise ein Stern oder ein Herz –, das vorsichtig herausgebrochen werden muss, ohne das ganze Keks zu zerstören. Wer es in Wien ausprobieren möchte: Das Juju-Café in Wien-Mitte hat sie noch einige Zeit im Angebot. Dazu kann man den gehypten – nach den Keksen benannten – Dalgona-Kaffee trinken, Instant-Kaffee, der mit heißem Wasser und Zucker aufgeschlagen wird. (Petra Eder)

Film

Magnolia Pictures & Magnet Releasing

Wer erst mit Parasite, dem Oscar-Gewinner von Bong Joon-ho im Jahr 2019, etwas vom immensen Unterhaltungswert des südkoreanischen Kinos mitbekommen hat, der war ehrlich gesagt schon ziemlich spät dran. Die kreativen Möglichkeiten Hallyuwoods, wie das Filmschaffen manchmal analog zum Pop genannt wird, ist das Produkt einer jahrzehntelangen Aufbauarbeit, zu der nicht nur eine talentierte Generation an Filmschaffenden gehört, sondern auch gezielte Förderpolitik. Denn vor dem globalen Erfolg kommt oft jener im eigenen Land: Das koreanische Kino genießt mit einem nationalen Marktanteil von über 50 Prozent einen der höchsten der Welt. Erreicht hat man dies mit einer "neuen Welle" an klug erzählten Genrefilmen (Shiri und Joint Security Area seien hier stellvertretend genannt). Die Filme von Regisseuren wie Park Chan-wook, Kim Jee-woon und vor allem Bong betören mit unvorhersehbaren Handlungen, emotionaler Wucht und inszenatorischer Raffinesse. Neben intelligenten Thrillern und Horrorfilmen wie I Saw the Devil, die Hollywood alt aussehen lassen, reüssiert Korea auch auf dem künstlerischen Feld: Der umtriebige Hong Sang-soo oder Lee Chang-dong (Burning) sind regelmäßige Festivalgewinner. (Dominik Kamalzadeh)

Tourismus

Der Stadtteil Gangnam in Seoul
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2012 hüpften Halbwüchsige auf der ganzen Welt zu Gangnam Style. Aus dem engagierten Bewegungsablauf wurde wenig später eine handfeste touristische Bewegung. Beinahe die ganze Welt wollte danach Gangnam, Heimat von Rapper Psy und Titelgeber für den K-Pop-Song, erkunden. Der Stadtteil von Seoul ist seither der meistbesuchte Ort in Korea und sein glitzerndes Geschäftsviertel. Auch der Vater des Rappers war dort als Unternehmer tätig. Einheimische besuchen Gangnam gern, um nach einem entspannten 18-Stunden-Arbeitstag ein wenig in Shopping-Stress zu geraten. Weitgehend isoliert von der Welt da draußen geht das in dem gigantischen unterirdischen Einkaufszentrum am U-Bahnhof Gangnam. Der Stadtteil reitet seit Psy gern auf der Hallyu genannten "koreanischen Pop-Welle" mit. So hat das Bezirksamt dort eigens die "K-Star-Road" angelegt, auf der Fans Plastikhelden des K-Pop oder die Studios, die die Songs produzieren, anhimmeln können. Ebenfalls in der Gegend befinden sich Some Sevit, drei künstliche Inseln, die als weltweit erster Versuch schwimmender Architektur und mehr noch als Drehort des Blockbusters The Avengers bekannt wurden. (Sascha Aumüller)

Fun Facts

Auch die Koreaner haben so ihre Schrullen. Da wäre zunächst der Aberglaube: Die Zahl vier zum Beispiel gilt als Unglückszahl, da sie so ähnlich wie "Tod" ausgesprochen wird. So sucht man zum Beispiel in Liften vergeblich nach dem Knopf für den vierten Stock. Statt vier "Soju", einem beliebten Branntwein, kippt der Koreaner dann eben gleich fünf. Oder mehr. Oder wie lässt sich sonst erklären, dass die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens den höchsten Alkoholkonsum dieser Weltregion aufweist? Zur Katerbekämpfung bieten viele Restaurants folgerichtig eine spezielle Hangover-Suppe an. Überhaupt hat Essen in dem Land einen hohen Stellenwert: Fragt Sie ein Koreaner, ob Sie gut gegessen haben, will er vordergründig nicht Ihre Essgewohnheiten abchecken, sondern erkundigt sich höflich nach Ihrem werten Befinden. Solche Umgangsformen lernen wohl auch die vielen neu hinzugekommenen Koreanischstudenten: Sprachschulen rund um den Globus verzeichnen dank Squid Game und Co einen regen Zulauf bei Koreanischkursen. Mitte Oktober hat das traditionsreiche Oxford English Dictionary gar 26 neue Wörter koreanischen Ursprungs in die aktuelle Ausgabe des Wörterbuchs aufgenommen. (Markus Böhm)

Mode

Meghan Markle trägt ihre Taschen, die New Yorker Influencerin Leandra Medine liebt ihre Mode. Ausgezeichnet wurde sie auch schon. 2019 wurde die in Seoul geborene Modedesignerin Rejina Pyo bei den Fashion-Awards des British Fashion Council als Nachwuchstalent ausgezeichnet – die Koreanerin lebt seit ihrem Studium am Central Saint Martins in London, 2014 gründete sie ihr Label. Seitdem befindet sich die Designerin im Höhenflug. Ein weiterer Name, den man sich merken sollte: Minju Kim. Die 1986 geborene Südkoreanerin gründete zwar schon 2015 ihre eigene Marke, doch erst 2020 machte sie sich bei einer breiteren, westlichen Kundschaft einen Namen: Sie gewann bei der Netflix-Designershow Next in Fashion 250.000 Dollar und konnte mit dem Onlineshop Net-à-Porter kooperieren. Die Netflix-Show wurde zwar nach einer Staffel abgesetzt, Minju Kim aber gibt es noch. Genauso wie das gehypte Unisex-Label Ader Error. 2014 in Seoul als Modekollektiv gegründet, gilt das Label als koreanisches Pendant zur Marke Vetements. Die Kollektionen jedenfalls hängen mittlerweile auch in gut sortierten westlichen Conceptstores wie Andreas Murkudis in Berlin oder Park in der Wiener Mondscheingasse. (Anne Feldkamp)

(RONDO, 1.11.2021)