Michelle Pfeiffer, links von der Katze, verkörpert Frances Price, eine jener schaurig anziehenden Ladys aus der New Yorker Society, die manchmal schreckliche Dinge tun.

Foto: Viennale

Mein Plan war zu sterben, bevor das Geld ausgeht." Das ist der lakonische Kommentar von Frances Price, als der Vermögensverwalter ihr mitteilt, dass das Erbe ihres vor zehn Jahren verstorbenen Ehemannes restlos aufgebraucht ist.

Die Dame aus der New Yorker Gesellschaft hat eindeutig über ihre Verhältnisse gelebt, so kommt der Vorschlag ihrer besten Freundin gerade recht, die ihr das Pariser Appartement anbietet, das sie selbst nur selten nutzt. Ein "french exit" (so der amerikanische Ausdruck für einen unerwarteten, schnellen Abgang) also im doppelten Sinne. Mit dabei: ihr nicht sehr selbstständiger Sohn Malcolm und Kater Small Frank, in dem Frances die Reinkarnation ihres Gatten sieht.

Sony Pictures Classics

Diese Frances, verkörpert von Michelle Pfeiffer, ist nicht unbedingt eine liebenswerte Person, das gibt Regisseur Azazel Jacobs zu.

"Wenn ich mich in meinen Charakteren wiederfinden kann, haben sie es verdient, dass ich ihre Geschichte erzähle", betont er im Interview mit dem Standard.

"Frances Price ist so weit von meiner eigenen Welt entfernt: Ich wusste, wenn ich zu dieser Figur trotzdem eine Beziehung herstellen könnte, wäre das eine sinnvolle Reise. Und das war hier der Fall." Er habe stark reagiert auf den Roman von Patrick deWitt, aber diese Figur gemeinsam mit Michelle zu entwickeln bedeutete, dass er am Ende wirklich Frances gefunden hatte. "Dass ich bei French Exit den Final Cut hatte, machte die Gespräche offener. Ich habe Michelle auch eine frühe Schnittfassung gezeigt. Angefragt hatte ich sie, nachdem ich sie im HBO-Film Wizard of Lies gesehen hatte. Das macht die Arbeit an einem Drehbuch leichter."

Auf dem Pfad der Selbsterkenntnis

Bei den Proben habe es Momente gegeben, in denen man hinter Frances’ Panzer eine andere Person entdecken konnte. "Das war für mich eigentlich das Interessanteste bei diesem Film – zu sehen, wie sie beginnt, diese Welt, die sie sonst nie kennengelernt hätte, zu akzeptieren. Würde ich so jemandem auf der Straße begegnen, wäre meine Ablehnung sehr stark. In New York, wo ich aufgewachsen bin, sieht man diese Reichen dauernd. Wir sind von ihnen fasziniert, wollen wie sie sein, wünschen uns aber zugleich, dass sie bestraft werden, wenn sie schreckliche Dinge tun."

French Exit basiert auf dem gleichnamigen Roman des kanadischen Autors Patrick deWitt (deutsch 2019 als Letzte Rettung: Paris), mit dem Jacobs seit Studientagen an der UCLA eine lange Freundschaft verbindet. "Natürlich habe ich den Schauspielern auch empfohlen, neben dem Drehbuch zusätzlich die Romanvorlage zu lesen. Die haben wir auch während des Drehs hochgehalten, als sich das Drehbuch immer noch änderte."

Verhältnis zu DeWtt

Ihm sei die Hintergrundgeschichte von Mutter und Sohn wichtig, "viele Geschehnisse, die wir nie auf der Leinwand sehen. Mit Patrick deWitt spreche ich jeden Tag – seit zehn Jahren, als wir Terri drehten, für den er das Originaldrehbuch schrieb. Ich lese auch all seine Arbeiten vorab. The Sisters Brothers gefiel mir, aber ich hatte den Eindruck, das sei kein Film für mich, also schickte ich ihn an John C. Reilly, mit dem ich Terri gedreht hatte. Am Ende spielte er dann einen der beiden Brüder unter der Regie von Jacques Audiard." Jacobs, Sohn des Experimentalfilmers Ken Jacobs, erzählt auch in seinem sechsten Langfilm von entfremdeten Menschen, die den schweren Pfad der Selbsterkenntnis beschreiten und sich am Ende zumindest ein Stück weiterentwickelt haben.

French Exit sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr bei der Viennale seine internationale Premiere gehabt haben, doch dann warf die Berlinale sich als A-Festival in den Ring. Dreizehn Jahre nach Momma’s Man und zehn Jahre nach Terri kann man also wieder sagen: "Welcome to Vienna, Mr. Jacobs." (Frank Arnold, 23.10.2021)