Elke Kahr (Mitte) sieht bei den Verhandlungen mit Judith Schwentner von den Grünen und Michael Ehmann von der SPÖ keine größeren Stolpersteine mehr.

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Die KPÖ-Stadträtin Kahr war die Überraschungssiegerin bei den Grazer Wahlen.

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Wie angekündigt traten in Graz KPÖ, Grüne und SPÖ nach exakt zehn Tagen Sondierungsgesprächen am Samstag zu Mittag wieder an die Öffentlichkeit. Dabei wurde unisono von großen Fortschritten gesprochen, man trete jetzt in echte Koalitionsverhandlungen ein, so KPÖ-Stadträtin Elke Kahr, die bei der Wahl in Graz den ersten Platz belegte und nun Anspruch auf den Bürgermeisterinnensessel erhebt. Größere Stolpersteine zwischen ihr, der Grünen-Stadträtin Judith Schwentner und SPÖ-Klubchef Michael Ehmann sieht Kahr keine mehr.

Doch das Budget, das ÖVP und FPÖ hinterlassen, vor allem Personal- und Finanzfragen innerhalb der Beteiligungen bzw. der Holding Graz bereiten allen Mühe. "Wir betrachten die Stadt Graz nicht als Unternehmen", konstatierte Elke Kahr bei dem Pressegespräch im Grazer Bezirk Gries, einem traditionellen Arbeiterviertel. "Das Budget war bisher sehr intransparent, obwohl Judith Schwentner und ich selbst in der Regierung saßen, ist für uns vor allem bei den Tochtergesellschaften noch vieles im Dunkeln". Für einen tieferen Einblick habe die Zeit daher noch nicht gereicht, des halb werde man vorerst wahrscheinlich nur ein Budgetprovisorium erstellen, meinte Kahr.

Schwerpunkte Demokratisierung, Soziales und Klimaschutz

Schwentner bestätigte diese Beobachtung und betonte, dass man sich von "Tummelt’s euch"-Rufen aus dem Off nicht beirren lassen werde: "Wir sind sehr gewissenhaft und wir sind auch im Zeitplan." Genau 52 Tage nach der Wahl, am 17. November, wie es das Stadtstatut vorsieht, werde man die konstituierende Sitzung im Gemeinderat abhalten können. Man gehe "zuversichtlich" in Richtung "fixe Koalition".

Ressorts habe man noch nicht zugeordnet, so Schwentner, "es gibt ein Gesamtpaket", über das verhandelt werde, wiewohl natürlich bekannt sei, was sie selbst, Kahr und Ehmann aus ihrer politischen Herkunft mitbringen.

Inhaltliche Überlegungen stelle man gemeinsam zu folgenden den Themenblöcken an: Erstens, Demokratisierung und Transparenz, zweitens, Soziales und Wohnen und drittens, Klimaschutz.

Kontrolle der Werbungs- und Planungskosten

Michael Ehmann betonte, dass man die Stadt "als Dienstleister am Bürger und an der Bürgerin" sehen wolle und nicht als "politische Selbstdarstellung". Man werde sich die Werbeausgaben genauer ansehen.

Neben den Kosten für Öffentlichkeitsarbeit hätten auch die Planungskosten überhandgenommen. Etwa eine halbe Million Euro nur für Planungskosten für die von Ex-Bürgermeister Siegfried Nagl gewünschte U-Bahn – die es nie geben wird.

"Umweltfreundliche Mobilität Vorrang haben", erklärte Ehmann, Konkret hieße das: Fußgänger vor Radfahrern, vor Öffentlichem Verkehr, vor PKWs. Bus, Bahn und Bim werden ausgebaut.

Weiters will man als künftige Koalition sozial bezahlbaren Wohnraum ausbauen und die "Auswüchse der Anleger" beenden, so Ehmann. Eine Leerstanderhebung stehe seit Jahren an, eine Leerstandsabgabe zugunsten des kommunalen Wohnbaus sei angedacht.

Neue Personalpolitik

Kahr stellte die Ideen zum Block "Demokratisierung und Transparenz" vor: Die Personalpolitik soll völlig neu aufgestellt werden. Künftig soll man nicht mehr "schon vorher aus der Zeitung erfahren, wer was wird", so Kahr, "die Qualifikation, nicht das Parteibuch" soll zählen. Kriterien zur Jobvergabe sollen von Fachleuten erstellt werden.

Auch das "Zusammenleben in der Stadt" soll anders werden. Es sei "egal, woher wer kommt, ob Frau oder Mann oder welches Alter", so Kahr, "alle sind gleich wichtig, auch alle Stadtteile". Jene, die sich abgehängt fühlen, sollen durch Ausbau der Infrastruktur und Stadtteilzentren wieder gestärkt werden. Und: "Nicht die Investoren sollen das Tempo der Stadt angeben". Das sei die große Klammer der drei Parteien: "Der sorgsame Umgang mit den Ressourcen".

Auch Judith Schwentner betonte, dass ein Blick in die Aufsichtsräte der Stadt "nicht immer nachvollziehbare" Personalsituationen offenbare. Zeil sei eine "engere Verbindung mit dem demokratisch gewählten Gemeinderat."

Schwentner kündigte eine neue Ausrichtung der Sozialcard an: Mehr Leistungen und er erweiterter Personenkreis, der darauf Anspruch hat.

Wenig überraschend plant die Grüne Schwentner innerhalb der Koalition mehr Grünraum und eine "Entsiegelung": "Bäume, Bäume, Bäume" werde mehr in Graz, ebenso die Begrünung von Fassaden und Dächern.

"Keine Einheitspartei" aber viel Platz im Büro

Auf die Frage, ob Elke Kahr als Bürgermeisterin ins große Bürgermeisteramt ziehe, meinte die Kommunistin, man werde ein "offenes, freundliches Rathaus führen und es sei genug Platz auch für weitere im Bürgermeisterinnenbüro.

Schwentner bemerkte, dass es bekannt sei, dass die männlichem Stadträte bisher "mehr Raum hatten" und Elke Kahr und sie in den kleinsten Büros sitzen. Mit dem Anteil der Wählerstimmen korrelierte das bisher nicht.

Kahr sagte, sie habe noch immer einen Hammer in ihrem Büro, wo sie 2005 selbst ihre Bilder aufgehängt habe: "Ich glaube das ist eigentlich untersagt".

Ob sie und Judith Schwentner – mit Hammer, ohne Sichel – künftig im selben Büro residieren werden, bleibt abzuwarten. Man sei "keine Einheitspartei", betonte Kahr", aber der politische Stil werde ein anderer werden.

Durch das Proporzsystem der Stadt werden ÖVP und FPÖ ebenfalls zwei bzw. einen Stadtsenatssitz haben, die Ressorts werden ihnen aber am Ende der Verhandlungen zugeteilt, die Finanzen wird wohl keine der beiden Parteien bekommen. Die künftige Koalition sprach am Samstag von guten Gesprächen mit der ÖVP.

Ehmann sitzt mit seiner SPÖ nicht in der Stadtregierung, wo die KPÖ mit drei und die Grünen mit einem Sitz gemeinsam in der Mehrheit sind. Mit der SPÖ haben KPÖ und Grüne aber im Gemeinderat die Mehrheit der Stimmen.

Keine Bürgermeisterin auf der Opernredoute

Auf der Opernredoute werde man sie nicht antreffen, meinte Kahr auf die Nachfrage von Journalisten, den an dem Tag ist seit Jahren immer auch die Volkshausredoute im Stammhaus der KPÖ. (Colette M. Schmidt, 23.10.2021)