Sergej Saweljew hofft auf Asyl in Frankreich.

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Russland fahndet nach einem ehemaligen Sträfling, der Videos über Folter und Missbrauch in russischen Gefängnissen an Menschenrechtler weitergegeben hat. Laut einer am Samstag auf der Website des russischen Innenministeriums veröffentlichten Mitteilung wird der belarussische Staatsbürger Sergej Saweljew im Zusammenhang mit einem nicht näher bezeichneten Strafverfahren gesucht. Saweljew befindet sich mittlerweile in Frankreich, wo er Asyl beantragt hat.

Der 31-Jährige hatte schockierende Aufnahmen von Misshandlungen aus einem Gefängnis in der zentralrussischen Stadt Saratow geschmuggelt. Diese Aufnahmen hatte die Anti-Folter-Organisation Gulagu.net Anfang Oktober veröffentlicht.

Systematische Folter

Auf einem Video ist die Vergewaltigung eines Häftlings mit einer Stange in einem Gefängniskrankenhaus zu sehen. Den Menschenrechtlern zufolge dokumentieren die Aufnahmen "systematische Folter" durch Wärter in russischen Gefängnissen.

Aus Angst vor Repressalien war Saweljew im Februar nach seiner Freilassung aus Russland geflohen und traf vergangene Woche in Frankreich ein. Während seiner siebeneinhalb Jahre langen Haftstrafe wegen Drogenhandels hatte er als IT-Wartungsbeauftragter gearbeitet. Dabei verschaffte er sich Zugang zum internen Server des Gefängnisses und zu den Servern anderer Haftanstalten, wo er mehrere Videos fand. Er speicherte sie auf einem USB-Stick, den er in der Nähe des Gefängnisausgangs versteckte.

Saweljew sagte am Samstag in einem von Gulagu.net veröffentlichten Video, er gehe davon aus, dass der Vorwurf gegen ihn auf "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" laute. Die russischen Behörden "gehen den einzigen Weg, den sie kennen, den Weg der Gewalt", sagte er weiter. Sie würden versuchen, ihn "zum Schweigen zu bringen".

"Es ist eine Schande, dass sie versuchen, die Wahrheit zu verbergen, anstatt die Zeit zu nutzen, um das System zu reformieren und all die schrecklichen Beweise zu untersuchen, die wir ihnen vorgelegt haben", fügte er hinzu. Er forderte, statt seiner "all diejenigen zu bestrafen, die an dieser Folterfabrik beteiligt sind".

Gängige Praxis

Der Kreml hatte nach der Veröffentlichung der Videos zugesagt, die Misshandlungen zu untersuchen. Mindestens vier Gefängnisbeamte wurden demnach entlassen.

Menschenrechtsaktivisten berichten regelmäßig von Folter, Demütigung und Schlägen durch russisches Gefängnispersonal oder andere Insassen. Erst vor gut einer Woche hatte es einen Massenaufstand in einem Gefängnis in der russischen Kaukasusrepublik Nordossetien gegeben. Nach Schilderung von Gulagu.net wurde die Meuterei dadurch ausgelöst, dass Wärter mit Gummiknüppeln auf Häftlinge eingeschlagen hätten.

Um diese Drangsalierungen zu stoppen, hätten sich manche Insassen selbst die Adern aufgeschnitten, erklärten die Aktivisten im Onlinedienst Telegram. Russische Behörden erklärten hingegen, dass sich zwei Häftlinge geplanten Durchsuchungen widersetzt und andere Insassen angestachelt hätten. (APA, 23.10.2021)