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Eine Lebensweisheit aus der Tiefe des pannonischen Herzens: "Da Hergoud wird scha wissn, weng wos äis dou oum sitzts."

Foto: Reuters/Alexandra Winkler

Wer im Burgenland etwas über die Politik erfahren möchte, geht nicht immer gleich ins Land-, stattdessen gleich immer ins Wirtshaus. Von den anstehenden Angelegenheiten hört man dort wenn schon nicht Sinnhafteres, so doch Sinnbildliches. Denn im Wirtshaus werden die wesentlichen Geschichten erzählt; auch und gerade solche, die es erst werden wollen.

Jetzt, nach der Lese, wenn der Winzer satt und friedvoll aufs Jahr zurückblickt, besonders. Da scheuen er und die Winzerin genauso wenig wie der Wirt und die Wirtin jene Hausgebrauchsweisheiten, die sich im Fortgang der Verkostung allmählich zu veritablen Lehrreichtümern mausern können.

Unlängst begann so eine kleine philosophische Plauderei mit der Feststellung, dass, wenn es dem Esel zu wohl sei, er zumeist aufs Eis tanzen gehe. Der Tisch war sich mit dem Nebentisch weitgehend einig, dass dies nicht bloß bei der gerade ablaufenden Causa Prima so sei.

Volkseigenes

Sondern zum Beispiel auch hier, im absolut roten Burgenland. Mit einer geradezu erfrischenden Unverdrossenheit werde da ja zurzeit in die öffentliche Hand genommen, was geht. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist – damit hält er auch keineswegs hinterm Berg – inbrünstig etatistisch gesinnt. Unlängst hat er sogar ein landeseigenes Wohnbauunternehmen angekündigt, das die Konkurrenz aufnehmen soll zu den eh schon bestehenden Genossenschaften.

Beim Wirten spotten sie – nicht nur am Bau- und Baunebengewerbetisch – schon über den VEB Roter Ziegel.

Freies Wort

Solch anschauliche Spottnamen gibt's bereits einige. Im Entstehen ist zum Beispiel gerade eine landeseigene Kommunikationsagentur; ein Werbe- und PR-Dienstleister für alle Unternehmen, die unters Dach der burgenländischen Landesholding geschlüpft sind oder gescheucht wurden. Mittlerweile sind das – von der neuen Sozialmakt-GmbH über die Kulturbetriebe GmbH bis zur Krankenanstalten GmbH – mehr als 60.

Das Land spricht von hebbaren Synergien. Am Kommunikatorentischlein nennt man diese Agentur bereits VEB Freies Wort und sagt: "Inseratenvergabe? Frage nicht!"

Übermut

"Alles", so doziert eifrig der Pensionistentisch aus seiner reichen eigenen Anschauung, "was schiefgehen kann, geht auch schief." Der Etatist installiert ja – im Überschwang wohltönender Vorstellungkraft – zwangsläufig eine Anschaffkette von oben nach unten.

Im Fall des Falles dreht sich die als Verantwortungskette um. Jedes kleine Skandälchen wird dann dem Landeshauptmann in Rechnung gestellt werden. Das ganze Wirtshaus weiß den diesbezüglichen Mut des Hans Peter Doskozil durchaus zu würdigen. Freilich sagt dann der, der es meistens ganz genau nimmt: "Übermut tut selten gut."

Reihum neigt man den Kopf. Um dann doch eher dazu zu neigen, mit diesem zustimmend zu nicken.

Postenkarussell

Gleich neben dem Pensionistentisch drängen sich jene Mäuschen, die hier, am Gebrauchsschreibertisch, alle gerne wären. Am Mäuschentisch erzählt man sich – so laut, dass die Gebrauchsschreiber das sorglos gerüchtsanhängig machen können – von einem bevorstehenden Postenkarussell.

Anfang nächsten Jahres werde Landtagspräsidentin Verena Dunst in Landtagspräsidentinnenpension gehen, um umgehend als Nachfolgerin von Peter Kostelka die Agenden einer Präsidentin des roten Pensionistenverbands zu übernehmen. Dem Landtag präsidieren werde danach Agrarlandesrätin Astrid Eisenkopf. In die Landesregierung nachrücken werde Robert Hergovich. Der ist Klubobmann der SPÖ. Den werde künftig Roland Fürst machen, jetzt noch der nach allen Richtungen hin allerweil streitbare Geschäftsführer der insgesamt ein bisserl streitlustigen burgenländischen SPÖ.

Waidmanns Heil

In weiterer Folge – "in weiterer Folge" ist bei Hans Peter Doskozil redetechnisch, was bei Alfred Gusenbauer "am Ende des Tages" gewesen ist – werde Landesrat Leonhard Schneemann ins Eisenkopf'sche Amt des stellvertretenden Landeshauptmanns eintreten.

Interessant ist das für den Fall, dass der Fall des Falles eintreten sollte. Und das könne, sagen die Mäuschen, früher eintreten, als man glaube. In Wien – wo es solche Mäuschentische zuhauf gibt – munkelt man schon über jene Hutdraufhau-Ambitionen in der SPÖ-Zentrale, auf die in Eisenstadt schon die ganze Zeit gewartet wird.

Leonhard Schneemann – übrigens – kam 2020 im Zuge der Commerzialbank-Pleite als Ersatzmann von Christian Illedits ins Sozialreferentenamt. Von Astrid Eisenkopf übernahm er zusätzlich die Jagdagenden. Und mit mutiger Hand legte er – den Jagdverband zur bloßen Privatsache zurückstutzend – auch gleich das edle Waidwerk in öffentliche Hand.

Am Pensionistentisch, an dem immer auch ein paar altgediente Jäger sitzen, heißt das VEB Waidmanns Heil.

Waidmanns Dank

"Apropos", ruft der Weinbauer am Winzertisch, während er mit einer unnachahmlichen Geste voller Grandezza eine Runde von etwas ordert, das er "Hummelbühel" nennt. Er habe da unlängst etwas gehört, das vielleicht auch für die Mäuschen von Interesse wäre. Und zwar Folgendes:

"Voriges Jahr war's, oder vorvoriges. Treibjagdzeit. Eine große Jagdgesellschaft hat ob ihrer schönen Strecke brav den Waidmanns Dank abgestattet, bis der Wirt zur Sperrstund mahnte. Jäger und Treiber waren freilich bereit, noch ein bisserl weiter zu danken. Also entschloss man sich, ins Nachbardorf zu fahren. St.-Kathrein-Kirtag war grad. Allerweil ein Remmidemmi, mit Autodrom und Ringelspiel."

Karussellfahrt

Gesagt, getan! Man dankte dort auch noch ausgelassen fürs Waidglück. Als dann die Danker aufbrechen wollten, sahen sie, dass der Besitzer des schönen, großen Kettenkarussells gerade beim Zusammenpacken war. "Geh", meinten die gedankt Habenden, "lass uns noch a Runde fahrn."

Er, selber ein großer Danker vorm Herrn, ließ sich überreden. "Fahr mit", riefen die Jäger. "Warum nicht?" , fragte sich der Ringelspielbesitzer. Ein wenig zu spät.

Herrgottswissen

Später – um einiges später, aber noch graute es nicht – kam eine alte Muam vorbei, schon gestimmt fürs Andächtigsein beim Rosenkranzbeten vor der Frühmesse. "Muam, schalt aus!", schallte es plötzlich drehwurmig von oben.

Die alte Frau legte, so gut es eben ging, den Kopf in den Nacken. Und rief: "Da Hergoud wird scha wissn, weng wos äis dou oum sitzts." Und ging ihrer gottgefälligen Wege.

Der Erzählwinzer hob, prüfend, seine Cuvée und meinte, auch Richtung Mäuschentisch prostend: "Das ist ein Satz von multipler Gültigkeit!" (Wolfgang Weisgram, 27.10.2021)