Straßer versucht ihrer Figur Atem einzuhauchen, muss aber ob der Klischeehaftigkeit des Texts scheitern.

Foto: Moritz Schell

"Und wenn du gar nicht mehr an sie denkst? – Dann bist du verheiratet." Männer sind also PCs und Frauen Macs. Und als Verwechslungskomödie getarnte Schwulenfeindlichkeit ist ungebrochen salonfähig oder sagen wir schenkelklopfertauglich. Was für ein reaktionärer Schmafu! In den Kammerspielen der Josefstadt bringt Regisseur Folke Braband Das perfekte Geheimnis (nach dem italienischen Film Perfetti sonosciuti von Paolo Genoveseaus dem Jahr 2016, 2019 als deutsches Remake von Bora Dagtekin herausgebracht) zur deutschsprachigen Erstaufführung.

Die Storyline: Ein paar wohlstandsverwahrloste Pärchen leiden unter der Wahnvorstellung, dass nur "heilig" sein könne, wer keine Geheimnisse hat. Und weil sich in dieser Barbie-und-Ken-Welt alles um die heteronormative Beziehung dreht, haben eh alle dasselbe Geheimnis, nämlich eine Affäre. Weil es mittlerweile Handys gibt, kommt die Entblößung der allgemeinen Unheiligkeit technisch ganz raffiniert daher. Des "Werwolf"-Spielens überdrüssig geworden, lesen die Barbies und Kens einander einen Abend lang alle eintrudelnden Nachrichten laut vor. Und weil es grad so schön aktuell ist: "Ungelöschte Nachrichten haben schon so manche Regierung ins Wanken gebracht."

Einlullende Klischees

Das Private ist politisch. Aber der an diesem Theaterabend unternommene Witz, diesen Slogan ein bisschen andersherum zu lesen, mithin Demokratiefeindlichkeit in der Berufspolitik als bloße privatistische Unheiligkeit zu verharmlosen, das klingt wie jede andere je unternommene Pressekonferenz aus aktuellem Anlass. Aber genug des Echauffierens über inhaltliche Belange. Was ist mit der Form? Mit der Kunst? In einem Wort: nix. Neunzig Minuten lang sitzt und steht das achtköpfige Ensemble in einem Kika-Katalogseiten-Bühnenbild herum. Ein paar Lichtwechsel, ein paar sich leerende Weinflaschen, mehr hat es nicht an ästhetischen Vorgängen. Diese Einfallslosigkeit liegt aber wiederum im Stoff begründet. Immerhin lautet die Grundsituation: Pärchen sitzen und reden miteinander.

Das ist von sich her nicht unbedingt theatral im Sinne einer Herausforderung der Möglichkeiten von Theaterkunst. Konversationskunst, das immerhin wird hier versucht – handwerklich mitunter ganz hübsch gemacht, wenn zum Beispiel verschiedene Einzelgespräche miteinander verschnitten im großen Ensemblegespräch gut zu Ohren kommen. Oder wenn die Reaktionen auf die Geheimnisse adrett individualisiert, den jeweiligen Charakteren angepasst ausfallen. Aber auch wenn beispielsweise Katharina Straßer alles schauspielerisch nur Mögliche tut, um ihrer Figur Atem einzuhauchen, es bleibt aufgrund des Texts beim stets vorhersehbaren einlullenden Klischee.

Dem Szenenapplaus nach zu urteilen findet der Topf seinen Deckel oder das Theater sein Publikum. Macht andere Spielpläne, oder die Welt ändert sich nie! (Theresa Gindlstrasser, 25.10.2021)