Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sorgt vor dem G20-Gipfel für diplomatische Verstimmung.

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Bei Recep Tayyip Erdoğan weiß man es nie so ganz genau: Sind da wieder einmal ein paar Sicherungen durchgebrannt, oder folgt die jüngste außenpolitische Eskalation einem Kalkül, dem innenpolitische – momentan vor allem katastrophale wirtschaftliche – Befindlichkeiten zugrunde liegen? Die zehn Botschafter, die der türkische Präsident am Samstag auf seine persönliche "Personae non gratae"-Liste gesetzt hat, sind nicht irgendwelche: Sieben der Gruppe sind aus Nato-Partnerländern der Türkei, sechs davon kommen aus Staaten der EU, mit der die Türkei trotz aller Meinungsverschiedenheiten in vielen Bereichen zusammenarbeitet.

Zerschlagenes Porzellan

Auf der Liste steht auch der Botschafter der USA, von denen Ankara soeben noch 40 F-16-Kampfjets kaufen wollte. Nächstes Wochenende findet der Gipfel der G20-Staaten in Rom statt: An einem bilateralen Treffen Erdoğans mit US-Präsident Joe Biden wurde gearbeitet. Die Lust, mit der der türkische Präsident nun noch das letzte Porzellan zerschlägt, lässt nicht nur die Opposition in Ankara, sondern wohl auch einige seiner eigenen Regierungsmitglieder ratlos zurück.

Die Meinungsäußerung der Diplomaten zum Fall Osman Kavala, dessen Freilassung sie forderten, folgt keiner privaten Laune, sondern einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dass Erdoğan darauf pfeift, ist eine Sache – dass er mit dem diplomatischen Instinkt eines Bulldozers auf Kritik reagiert, eine andere. (Gudrun Harrer, 25.10.2021)