Kimmich betonte, er sei "kein Corona-Leugner oder Impfgegner".

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Ganz ehrlich, die Frage kam genauso unerwartet wie der Anpfiff oder der Abpfiff eines Fußballspiels. Joshua Kimmich verzog keine Miene, als Sky-Reporter Patrick Wasserziehr mit der Tür ins Haus fiel: "Die Bild hat gemeldet, dass Sie noch ungeimpft seien. Ist das zutreffend?"

Kimmich überlegte nicht, das Gesicht blieb regungslos, als würde er über den vierten Pass in der 13. Minute sprechen: "Ja, das stimmt." Wasserziehr hakte nach: "Warum?" Kimmich: "Weil ich einfach für mich warten will, was Langzeitstudien angeht." Dass die Bayern zuvor Hoffenheim mit 4:0 besiegt hatten, verkam nach dem Interview zu einer bloßen Randnotiz.

Klapprad, Spektakel und Ehrgeiz

Bekannte Fußballer werden in der Wahrnehmung nur zu gerne stereotypisiert. Protzer oder Naturbursche? Lamborghini oder Klapprad? Rockstar oder Immobilienmakler? Der 26-jährige Joshua (ausgesprochen wie Jacke und nicht wie Dschungel) Kimmich hat von sich selbst einmal gesagt: "Ich bin ein bisschen spießig." Also Klapprad statt Sportwagen.

Ein Spektakel ist der Vater einer Tochter und eines Sohnes vor allem auf dem Fußballplatz. Passgenauigkeit, Laufbereitschaft, Spielverständnis stehen weit oben im Stammbuch.

Ganz oben steht der Ehrgeiz. Kimmich ist einer, der dem Erfolg alles unterordnet, nicht mit Kritik an Mitspielern oder Trainern zurückhält, ohne dabei aber an Ansehen einzubüßen. Man mag den 26-Jährigen deswegen.

Die Sache mit der Vorbildwirkung

Der Rechtsfuß wurde in Rottweil, Baden-Württemberg geboren, fand über Stuttgart und Leipzig zu den Bayern. Dort holte er sechs Meistertitel, drei Pokalsiege sowie auch einen Champions-League-Triumph. Für die Münchner lief er bisher 275-mal auf, für Deutschland sind es schon 64 Partien.

Bisher ebneten Blumen den Weg. 2020 gründete er mit Leon Goretzka die Initiative "We Kick Corona", um sozialen Einrichtungen in der Pandemie helfen. Zur WM-Vergabe nach Katar sagte Kimmich einmal: "Im Fußball hat man die Chance, auf Dinge hinzuweisen."

Nach dem Interview am Samstag verwies Ex-Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge auf Kimmichs Vorbildwirkung und sein soziales Engagement. Vorbildwirkung funktioniert nur mit Glaubwürdigkeit. Und da hat Kimmich vielleicht gerade den verheerendsten Fehlpass seiner Karriere gespielt. (Andreas Hagenauer, 24.10.2021)