Tsitsipas spielt aufregend, sein Verhalten regt andere auf.

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Berufssportler haben eines gemeinsam: Sie lieben den Wettkampf, sie sind sogar süchtig danach. Auch der Grieche Stefanos Tsitsipas kennt dieses Gefühl. Deshalb ist er Tennisprofi geworden, sagt er dem STANDARD. "Ich mag es, im Tennis mit meinen Problemen allein zu sein. Dadurch entwickle ich eine Persönlichkeit." Tsitsipas definiert seinen Beruf weniger als Duell mit dem Gegner. "Großteils geht es um mich. Ich bin gezwungen, mich selbst zu fordern, meine Grenzen zu erreichen."

Will jemand die Erste Bank Open gewinnen, muss er wohl Tsitsipas in die Schranken weisen. Er ist die aktuelle Nummer drei der Welt, beim ATP-500-Turnier von Wien, das heute mit dem Hauptfeld beginnt, steht er an der Spitze der Setzliste. Im April gewann Tsitsipas in Monte Carlo erstmals ein Masters-Turnier, bei den French Open erreichte er sein erstes Grand-Slam-Finale. Die knappe Niederlage nach 2:0-Satzführung gegen Novak Djokovic nagte lange an ihm.

Tennis sei über die Jahre körperlich fordernder geworden, "es wird noch extremer", sagt Tsitsipas. "Der Sport wurde auf eine neue Ebene gehoben. Die Liebe zum Detail ist unumgänglich." Er nennt Dominic Thiem als Paradebeispiel für den derzeitigen Weg zum Erfolg. "Er hat solch einen Aufwand betrieben, körperlich wie mental, um die US Open zu gewinnen. Das kann sehr erschöpfend sein."

Hassliebe

Tsitsipas hat ein Lebensmotto, es lautet: Warte nicht auf eine Möglichkeit, erschließe sie dir. Das klingt inspiriert und motiviert, aber wie setzt er das um? "Die besten Dinge im Leben passieren, wenn du wach bist", sagt er. Auch wenn er gerne träumt und lange schläft, meint er das nicht nur im wörtlichen Sinn. Tsitsipas geht mit offenen Augen durchs Leben, gilt als kreativer Denker, betreibt einen Video-Blog über seine Reisen auf Youtube und diskutiert auf Social Media häufig mit Fans über Popkultur, Weltprobleme und den Sinn des Lebens. "Ich versuch, das meiste aus jedem Tag herauszuholen. Ich will keine Ausreden hören, sondern mir sagen können, dass ich mein Bestes gegeben habe."

Das Verhältnis zu Tennisfans sei eine Hassliebe, sagt Tsitsipas. Hin und wieder hätte er gerne mehr Privatsphäre, vor allem in Griechenland schränkt ihn seine Popularität im Alltag ein. Andererseits erhalte er "immens viel Liebe und Anerkennung" für seine Leistungen.

Kritik

Zuletzt kassierte Tsitsipas auch heftige Kritik. Dass er sich in seinen Partien häufig eine lange Toilettenpause gönnt, missfiel etwa dem Publikum bei den US Open. Auch Gegner wie Andy Murray oder Alexander Zverev hatten damit ein Problem. Die Regeln bricht er dabei allerdings nicht. "Die Leute gaben mir alle möglichen Spitznamen, ich finde es mittlerweile fast lustig", sagt Tsitsipas. Die Pausen seien keine Taktik, sonst hätte er es schon seit dem Beginn seiner Karriere so gemacht, argumentiert er. Auch nach einem mit 6:0 gewonnenen Satz verließ er schon einmal den Platz, das sei doch ein Beweis, dass er damit keineswegs den Rhythmus seines Gegners brechen wolle.

Problematisch gesehen wurden auch seine Aussagen zu Corona. Eine Infektion sei vor allem für junge, fitte Leute kaum gefährlich. Dafür erhielt er sogar aus der griechischen Regierung eine Rüge. "Das Thema gehört eigentlich nicht in den Sport, es geht um die Medizin", sagt er heute. Seiner Vermarktung dürfte all dies nicht schaden: Vor wenigen Tagen präsentierte Tsitsipas Red Bull als Partner.

Stolperstein

Am Freitag fand am Wiener Heumarkt ein Schaukampf statt, den Tsitsipas mit seinem neuen Sponsor entwickelt haben soll. "Wir wollen die Traditionen unseres schönen Sports bewahren, aber moderner werden", sagt Tsitsipas. Mit mehr Musik und mehr Show etwa, in der Hoffnung, Kinder für den Sport zu begeistern.

In der ersten Runde von Wien wartet Grigor Dimitrow. Der Bulgare wurde im Vorjahr in der zweiten Runde zu Tsitsipas’ Stolperstein, es setzte eine Niederlage in drei Sätzen. Dennis Novak ist der einzige Österreicher im Einzel, er trifft in der ersten Runde auf den italienischen Qualifikanten Gianluca Mager. (Lukas Zahrer, 25.10.2021)