Auch die "gesamtgesellschaftliche Verunsicherung" im März 2020 war laut dem Obersten Gerichtshof kein Entschuldigungsgrund.

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Wer trotz Quarantäne in die Arbeit geht, riskiert nicht nur eine Strafe, sondern setzt auch einen Entlassungsgrund. Das bestätigte der Oberste Gerichtshof nun in letzter Instanz (OGH 14.9.2021, 8 ObA 54/21f).

Eine Frau war am 15. März 2020 auf Covid-19 getestet worden. Gleichzeitig wurde sie als Corona-Verdachtsfall behördlich abgesondert. Ihren Dienstgeber informierte sie weder über den Test noch über die Quarantäne – und ging am 16. März, als landesweit der erste Lockdown in Kraft trat, normal in die Arbeit.

Als die Frau einen Tag später ein positives Testergebnis bekam, schickte die Gesundheitsbehörde unverzüglich 23 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens in Quarantäne. Am 18. März sprach der Arbeitgeber deshalb die fristlose Entlassung der Frau aus – aus Sicht der zuständigen Richter zu Recht.

Gefährdung der Kollegen

Das Unternehmen stützte sich vor Gericht auf den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit. Demnach ist eine Entlassung dann gerechtfertigt, wenn die Befürchtung besteht, dass die "Belange des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer gefährdet sind" und die Fortsetzung des Dienstverhältnis nicht mehr zumutbar ist.

Das war laut den Gerichten der Fall: Die Mitarbeiterin habe ihre Kolleginnen und Kollegen zumindest fahrlässig gefährdet. Das Argument, dass sie an dem Tag möglicherweise noch gar nicht ansteckend war, ließ der Oberste Gerichtshof nicht gelten. Es gehe um etwas anderes: Die Frau konnte eine Erkrankung nicht ausschließen – und nahm die Gefährdung ihrer Kolleginnen in Kauf.

Auch die "gesamtgesellschaftliche Verunsicherung", die zu Beginn des ersten Lockdowns am 16. März 2020 herrschte, war laut dem OGH kein Entschuldigungsgrund. Das "fehlende Wissen um Gefährlichkeit und Konsequenzen einer Erkrankung" hätte umso mehr die strikte Befolgung der behördlichen Anordnung verlangt. (japf, 25.10.2021)