Bei einer Demo vor der ÖVP-Parteizentrale versammelten sich vor einigen Wochen auch WKStA-Fans.

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Die Liste türkiser Persönlichkeiten, die in Korruptionsermittlungen beschuldigt werden, ist lang: Da wären Altkanzler Sebastian Kurz, seine Berater Gerald Fleischmann und Stefan Steiner; Finanzminister Gernot Blümel, seine Vorgänger Hartwig Löger und Josef Pröll; Ex-Vizeparteiobfrau Bettina Glatz-Kremsner, der frühere Öbag-Chef Thomas Schmid und die Abgeordnete Michaela Steinacker – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Auch die ÖVP selbst ist Beschuldigte gemäß Verbandsverantwortlichkeitsgesetz.

Als Verteidigungsstrategie gegen die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) versuchen Türkise, immer wieder Nadelstiche zu setzen, um das Vertrauen in die Arbeit der Behörden zu unterminieren. Das erfolgt teils durch diskussionswürdige Kritik, teils durch Unwahrheiten. Dieses Wochenende war es wieder so weit: Aufgewärmt wurde eine alte Geschichte, die sich mit dem Privatleben des fallführenden Staatsanwalts Gregor Adamovic beschäftigt. Die ÖVP stößt sich daran, dass dieser mit jener Wirtschaftsexpertin liiert ist, die für die WKStA Chats aus sichergestellten Smartphones auswertet.

"Fragwürdige Vorgänge"

Der ÖVP-Abgeordnete Wolfgang Gerstl, einst Fraktionsführer im Ibiza-Ausschuss, sieht hier "fragwürdige Vorgänge", weil angeblich Compliance-Regeln in der Justiz verletzt würden. In den Richtlinien dazu heißt es, dass sich Justizbedienstete nicht von "familiären" oder "emotionalen" Interessen leiten lassen dürfen. Damit ist freilich etwas anderes gemeint: zum Beispiel, dass ein Staatsanwalt nicht mit Beschuldigten oder Opfern in seinem Verfahren befreundet sein sollte.

Um in der Beziehung zwischen beigezogener Expertin und fallführendem Staatsanwalt einen Verstoß gegen die Compliance-Richtlinie zu sehen, müsste zweierlei zutreffen: erstens, dass der Staatsanwalt gegen die ÖVP voreingenommen ist und deshalb belastende Inhalte sucht. Zweitens, dass die Wirtschaftsexpertin die Auswahl der Chats manipuliert, um ihrem Partner dabei zu helfen. Die Angelegenheit wurde nach einer anonymen Anzeige, die offenbar aus ÖVP-affinen Justizkreisen stammte, bereits geprüft – und die Zusammenarbeit für unbedenklich erklärt. Abgesehen davon arbeiten an der Causa weit mehr Personen mit: Für die Chatauswertung ist prinzipiell Oberstaatsanwalt Matthias Purkart verantwortlich; geprüft werden die Ergebnisse dann noch von Gruppenleiter und WKStA-Spitze.

Twitter-Streit

Neuen Schwung erhielten die Angriffe, weil nun auch "Plagiatsjäger" Stefan Weber mitmischt. Er fokussiert sich schon seit Tagen auf die Wirtschaftsexpertin der WKStA und sucht – natürlich – ihre wissenschaftlichen Arbeiten. Dabei stellte Weber aber auch steile Thesen auf: etwa dass aus der WKStA vorab Infos zur Razzia in Kanzleramt und ÖVP an den deutschen Satiriker Jan Böhmermann gedrungen seien. Dokumente aus dem Strafakt zur Umfrageaffäre hatte Weber von "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk erhalten. Weber hatte ihn darum gebeten, Klenk die Dokumente bald danach über Whatsapp versandt – im Glauben, Weber wolle sich die Vorwürfe gegen Kurz anschauen.

Am vergangenen Wochenende griff nun das ÖVP-nahe Portal "Exxpress" Webers Recherchen auf – herausgegeben wird die Plattform bekanntlich von Eva Schütz, die unter der Kurz-Regierung mit Thomas Schmid im Kabinett von Finanzminister Löger war. Der "Exxpress"-Bericht schmeckte wiederum Klenk nicht, der Weber auf Twitter öffentlich angriff. Es folgte ein skurriler Schlagabtausch, der damit endete, dass Weber Klenk einen Verstoß gegen die Datenschutzgesetze vorwarf – weil Klenk einen ungeschwärzten Akt an Weber geschickt hatte. Über den Streit auf Twitter berichteten wiederum der "Kurier" und andere Medien.

ÖVP-Politiker Gerstl kündigte nun eine parlamentarische Anfrage dazu an. Das dürfte ein Vorgeschmack darauf sein, wie die Volkspartei im "ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss" agieren wird. Die WKStA hat die Angriffe jedenfalls bislang unbeschadet überstanden. (Fabian Schmid, 25.10.2021)