Usbekistan erlebte unter Präsident Schawkat Mirsijojew sanfte Reformen, doch von Demokratie ist noch wenig zu sehen.

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Mit 80,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 80,8 Prozent wurde Usbekistans Präsident Schawkat Mirsijojew im Amt bestätigt. Damit ist sein Ergebnis nur geringfügig schlechter als vor fünf Jahren. 2016 lagen sein Resultat und die Wahlbeteiligung jeweils knapp unter 90 Prozent.

Das beste Ergebnis unter den vier Herausforderern erzielte diesmal die einzige Frau im Rennen, Maksuda Warisowa, die laut Wahlkommission auf 6,6 Prozent der Stimmen kam. Der Nationalist Alischer Kadyrow, der im Vorfeld der Wahl mit der Forderung nach einer Einkommenssteuer für Arbeitsmigranten für Furore gesorgt hatte, wurde Dritter.

Gegenkandidaten als Staffage

"Es gab niemanden außer Mirsijojew, für den die Usbeken hätten stimmen können", meint der Zentralasienexperte und Gründer der Nachrichtenagentur Fergana, Danil Kislow. Die Gegenkandidaten seien von vornherein Statisten gewesen und hätten dem Staatsoberhaupt in die Karten gespielt, so Kislow.

Als positiv bewertete er gegenüber dem STANDARD die Tatsache, dass die Obrigkeit eine stärkere Transparenz an den Tag gelegt habe. So wurden auch ausländische und kritische Journalisten akkreditiert. Die Regierung habe "ein ideales Bild der Wahl demonstrieren" wollen, urteilt Kislow.

Milde Kritik

Das ist Taschkent zumindest teilweise gelungen. Die OSZE fixierte zwar Verstöße bei den Wahlen, die Kritik fiel aber verhältnismäßig milde aus: "Die gestrigen Wahlen demonstrierten, dass die jüngsten Reformen, infolge derer lang erhoffte Verbesserungen langsam eingeführt werden, noch nicht zu einer völlig demokratischen und pluralistischen Landschaft geführt haben", sagte der Chef der OSZE-Beobachtermission, der ÖVP-Politiker Reinhold Lopatka.

Die aus der GUS entsandten Beobachter hingegen stellten traditionell keine Mängel fest und lobten die Transparenz und den Verlauf der Abstimmung. Pikant: Die Präsidenten von Belarus (Weißrussland) und Russland, Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin, gratulierten Mirsijojew schon vor der Verkündung der Ergebnisse zur Wiederwahl.

Sanfte Reformen

Freilich: Als Überraschung kann der Sieg Mirsijojews eher nicht gelten. Zwar hat er in Usbekistan in den vergangenen Jahren vorsichtige Reformen eingeleitet, die dazu dienen sollten, das unter seinem Vorgänger Islam Karimow abgeschottete Land aus der Isolation zu führen und Investitionen zu generieren. Dazu lockerte der 64-jährige gelernte Landtechnik-Ingenieur auch die Zensur und ließ Debatten und Kritik zu. Eine echte politische Opposition gibt es im Land aber bis heute nicht.

Kritik und Widerstand gegen den autokratisch regierenden Mirsijojew kommen aus unterschiedlichen Lagern und sind völlig unstrukturiert. So wenden sich fundamentalistische islamische Kräfte gegen den säkulären Kurs Usbekistans. Die Islamisten haben angesichts der jüngsten Entwicklungen im Nachbarland Afghanistan einen gewissen Zulauf, sind aber zumindest bislang noch nicht organisiert.

Auf der anderen Seite fordern demokratische Kräfte die Zulassung des Poeten Muhammed Salich, der einst als schärfster Herausforderer von Diktator Karimow galt. Doch nachdem Salich inzwischen fast 30 Jahre im türkischen Exil lebt, ist er nach Ansicht politischer Beobachter auch keine ernst zu nehmende Gefahr für den Machtanspruch Mirsijojews.

Kislow vergleicht Mirsijojews Popularität mit der Wladimir Putins anno 2004. Der russische Staatschef habe bei den Wahlen vor 17 Jahren auch keine Konkurrenz gehabt und galt als Reformer. Mirsijojew steht nun vor einer ähnlichen Lage wie Putin damals. Laut Verfassung ist die nun beginnende Amtszeit seine letzte. Putin setzte damals zum Machterhalt zunächst auf eine Ämterrochade mit dem loyalen Dmitri Medwedew und später auf Verfassungsänderungen. Auch Mirsijojew werde seine Macht nach der Amtsperiode nicht freiwillig abgeben, ist Kislow überzeugt. (André Ballin aus Moskau, 25.10.2021)