Vaxzevria, das Vakzin von Astra Zeneca, kann in sehr seltenen Fällen das Guillain-Barré-Syndrom auslösen.

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Laut den aktuellen Zahlen des neu gestalteten Impf-Dashboards des Gesundheitsministeriums entfallen in Österreich etwa 90 Prozent aller symptomatischen Covid-19-Erkrankungen auf ungeimpfte Personen. Alle vier in Österreich zugelassenen Impfstoffe verringern nachweislich die Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen, Übertragungen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle stark. Doch es gibt auch Berichte über seltene neurologische Komplikationen im Zusammenhang mit diesen Impfungen – Komplikationen, die auch nach Infektionen auftreten.

Aber wie häufig sind solche Erkrankungen des Nervensystems nach Impfungen gegen Covid-19 beziehungsweise nach einer Erkrankung? Und wie sehr können sie unsere kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen? Britische Forschende um Julia Hippisley-Cox (Uni Oxford) haben die erste Frage beantwortet, indem sie die bisher umfassendste Sammlung von neurologischen Komplikationen nach Impfungen in Großbritannien zusammentrugen.

Studie an 32 Millionen Engländern

Für ihre Studie untersuchten Hippisley-Cox und ihr Team an 32 Millionen Engländerinnen und Engländern, wie oft es zu Krankenhauseinweisungen wegen sieben verschiedener neurologischer Beschwerden in den 28 Tagen nach einer ersten Impfstoffgabe oder einer Covid-19-Erkrankung kam. Zur Erinnerung: In Großbritannien wurde fast ausschließlich mit den Vakzinen Comirnaty (Biontech/Pfizer) und Vaxzevria (Astra Zeneca) geimpft, während in Österreich fast nur mehr mRNA-Impfstoffe verabreicht werden.

In der am Montag im Fachblatt "Nature Medicine" erschienenen Studie ergeben sich bei den untersuchten Erkrankungen folgende Häufigkeiten: Nach der ersten Impfung von Vaxzevria bestand vor allem ein leicht erhöhtes Risiko für das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom, einer entzündlichen Erkrankung des peripheren Nervensystems, die relativ gut behandelt werden kann, in etwa fünf Prozent der Fälle aber auch zum Tod führt. Von dieser neurologischen Erkrankung waren in etwa 38 Menschen zusätzlich pro zehn Millionen betroffen.

Zudem wurde ein leicht erhöhtes Risiko für die Bell’sche Lähmung (besser bekannt als Fazialisparese oder Gesichtslähmung) registriert, das aber statistisch nicht signifikant war. Innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung mit Comirnaty (nicht aber mit Vaxzevria) dürfe es laut den englischen Daten ein erhöhtes Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall geben, und zwar in der Größenordnung von 60 zusätzlichen Fällen pro zehn Millionen Menschen. (Zur Einordnung der Zahlenwerte: In Österreich wurden noch nicht einmal sechs Millionen Menschen gegen Covid-19 erstgeimpft.)

Infektionen sind neurologisch riskanter

Vergleiche mit den neurologischen Komplikationen 28 Tage nach einem positiven Sars-CoV-2-Test fallen aber recht eindeutig zugunsten der Impfung aus. Bei allen sieben untersuchten neurologischen Störungen bestand nach CoV-Infektionen ein wesentlich höheres Risiko: Bei Enzephalitis, Meningitis und Myelitis wurden 123 zusätzliche Fälle pro zehn Millionen Menschen festgestellt, bei myasthenischen Störungen wie der Gesichtslähmung 163 zusätzliche Fälle pro zehn Millionen und beim Guillain-Barré-Syndrom 145 zusätzliche Fälle pro zehn Millionen Menschen.

Die Forschenden um Hippisley-Cox konnten ihre englischen Ergebnisse (insbesondere zum Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms nach einer Impfung mit Vaxzevria) in einer unabhängigen nationalen Kohorte von mehr als drei Millionen Menschen aus Schottland bestätigen. Sie gehen auch davon aus, dass sie in ähnlichen Größenordnungen auch für andere Länder Gültigkeit haben, und regen ähnliche großflächige Vergleichsstudien an.

Für Hippisley-Cox ist die Hauptbotschaft der Studie, dass die mit der Impfung in Verbindung stehenden neurologischen Erkrankungen sehr selten sind. "Es gibt aber überwältigende Evidenz dafür, dass die Impfung vor schweren Covid-19-Erkrankungen schützt."

Kognitive CoV-Langzeitfolgen

Bleibt die Frage, wie es mit kognitiven Problemen nach CoV-Infektionen aussieht. Antworten auf diese Frage liefert ein Team um Jacqueline Becker (Icahn School of Medicine at Mount Sinai), das an Covid-19-Patientinnen der US-Krankenhausgruppe Mount Sinai eine zahlenmäßig relativ kleine Studie durchgeführt hat, um ungefähre Häufigkeiten zu ermitteln.

Die Forschenden untersuchten anhand der Daten von 740 Personen (63 Prozent davon Frauen), wie hoch der Prozentsatz kognitiver Störungen je nach Schwere der Erkrankung war. Die am Freitag im Fachblatt "Jama" publizierte Untersuchung bestätigte recht eindeutig die Vermutung von Becker und ihren Kolleginn und Kollegen: Ehemalige CoV-Patientinnen und -Patienten mit einem Klinikaufenthalt waren bei den meisten kognitiven Einschränkungen deutlich häufiger betroffen als Menschen, die ambulant behandelt wurden.

Unterschiede nach Schweregrad

Generell litten die Patientinnen und Patienten am häufigsten unter Problemen damit, sich etwas zu merken oder sich an etwas zu erinnern – das betraf jeweils 25 Prozent der Studienteilnehmer. Danach folgten etwa Wortfindungsstörungen oder eine allgemein langsamere Geschwindigkeit bei der Verarbeitung von Informationen.

Besonders starke Unterschiede gab es bei Wortfindungsstörungen: Diese traten bei 13 Prozent der ambulanten Patienten, aber bei 35 Prozent der im Krankenhaus Behandelten auf. Bei Aufmerksamkeitsproblemen waren es fünf und 15 Prozent. Das Erinnerungsvermögen war bei zwölf Prozent der ambulanten und 39 Prozent der Patienten mit Klinikaufenthalt beeinträchtigt. Grundsätzlich entsprächen diese Ergebnisse jenen Erkenntnissen, die man über die kognitiven Folgen anderer Viruserkrankungen wie der Grippe hat. (tasch, 25.10.2021)