In Omdurman, am anderen Ufer des Nils gegenüber der Hauptstadt Khartum, halten Soldaten vor einem Militärkrankenhaus und Regierungsbüros Wache.

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Khartum – Obwohl es im Sudan schon am Montag Schüsse auf Demonstranten gegeben hatte, gingen auch am Dienstag zahlreiche Menschen auf die Straße. Vor allem in der Hauptstadt Khartum machten die Menschen ihrem Ärger über die Machtübernahme des Militärs lauthals Luft.

Auf Fernsehbildern waren Straßenblockaden und brennende Reifen auf den Fahrbahnen zu sehen. Das Internet wurde zwischenzeitlich großflächig abgeschaltet, ebenso wie die meisten Telefonleitungen des Landes. Die Angst, dass die Armee die Kommunikationswege der Menschen gekappt hat, um ungehindert gegen politische Widersacher vorzugehen, ist sowohl im Land als auch international groß.

Flughafen geschlosen

Mindestens sieben Menschen sollen bereits tot sein, mehr als 140 seien verletzt, meldete eine Quelle aus dem sudanesischen Gesundheitsministerium Nachrichtenagenturen und dem TV-Sender Al Jazeera. Außerdem sollen Soldaten von Tür zu Tür gehen, um Anführer der Protestbewegungen in Haft zu nehmen, melden Journalisten vor Ort.

Der Flughafen in Khartum blieb geschlossen, internationale Flüge wurden abgesagt. Das Personal der Zentralbank streikt, und auch viele Ärzte im Land weigern sich, in einem von Soldaten kontrollierten Krankenhaus zu arbeiten – außer im Notfall, hieß es von Vertretern des Berufsstands.

Verhafteter Premier

Mit dem Militärputsch am Montag wackeln die Hoffnungen, dass der Sturz von Langzeitherrscher Omar al-Bashir vor zwei Jahren in einer demokratischen Zukunft müden könnte. Ein von der Armee und zivilen Kräften eingesetzter "Souveräner Rat" solle in der Übergangsphase als Präsidentschaft fungieren. Demnächst hätte General Abdelfattah al-Burhan den Vorsitz an einen zivilen Vertreter abgeben müssen.

Nun hat al-Burhan den Ausnahmezustand verhängt und Minister sowie Regierungschef Abdalla Hamdok verhaften und unter Hausarrest stellen lassen. Bei einer Pressekonferenz Dienstagmittag sagte der General, dass er den Premier bei sich zu Hause behalte. Das geschehe "zu seiner eigenen Sicherheit", wie al-Burhan anmerkte. Dienstagabend hieß es wiederum, Hamdok sei mit seiner Frau mittlerweile im eigenen Haus untergebracht. Ob der abgesetzte Regierungschef unter Hausarrest steht, blieb zunächst unklar.

Wahlen 2023

Offiziell heißt es, dass das Militär quasi reagieren musste, weil es große Uneinigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Politikern gegeben habe. Um nach außen zu zeigen, dass man nicht an der Macht bleiben will, hat General al-Burhan verlautbart, weiterhin am Fahrplan Richtung Wahlen 2023 festhalten zu wollen. Eine Technokratenregierung soll das Ruder übernehmen. Mit internationalem Widerstand habe man gerechnet, sagte der General bei seinem Statement. Die Staatengemeinschaft würde im Vorgehen des Militärs einen Coup sehen, "aber es sei keiner".

"Wir haben unseren Weg zu einem freien und friedlichen Staat begonnen, aber manche politische Mächte haben immer noch versucht, alle Macht in ihren Händen zu halten", sagte der General bereits am Tag davor: "Ohne Rücksicht auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gefahren." Tatsächlich befindet sich der Sudan in einer wirtschaftlichen Krise. Auch die Absetzung al-Bashirs hat an der Situation vieler nichts verbessert.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wollte noch am Dienstagnachmittag hinter verschlossenen Türen zusammentreffen, um über die Lage im Sudan zu beraten.

700 Millionen Dollar eingefroren

Die USA verurteilten das Vorgehen des Militärs bereits hart. Entfernten die Vereinigten Staaten den Sudan noch im Vorjahr von der Liste der Terrorunterstützer und machten so einen Schuldenerlass von 50 Milliarden Dollar möglich, hat Washington nun 700 Millionen Dollar an Wirtschaftshilfen eingefroren.

Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki, forderte von der sudanesischen Armee, dass sofort alle politischen Gefangenen wieder freigelassen werden. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell warnte, dass das Recht auf friedlichen Protest im Sudan gewahrt und ein Blutvergießen um jeden Preis verhindert werden müsse. (Bianca Blei, red, 26.10.2021)