Hunderte Kinder, die die ersten Wochen des neuen Schuljahrs zu Hause mit "häuslichem Unterricht" verbracht haben, sind nach sechs bzw. sieben Wochen doch wieder in die Schule zurückgekehrt.

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Noch sind Herbstferien und alle Schulen verwaist. Vielerorts stellt man sich aber bereits die Frage, wie viele Kinder am 3. November tatsächlich wieder zum Unterricht erscheinen werden, denn es wird erwartet, dass nach der ersten offiziellen Auszeit im laufenden Schuljahr auch einige Kinder zurückkehren, die eigentlich von der Schule abgemeldet wurden. Zumal sich bereits nach den ersten paar Wochen gezeigt hatte, dass der "häusliche Unterricht" für hunderte Kinder nur eine kurze Alternativetappe in ihrer Schullaufbahn war.

DER STANDARD hat nun in den Bildungsdirektionen der Bundesländer erfragt, wie der aktuelle Stand ist. Es zeigt sich folgendes Bild: Bis Ende vergangener Woche nahmen knapp 580 der rund 7.700 abgemeldeten Pflichtschulkinder wieder am Regelunterricht in einer Schulklasse teil. Die Rückkehrquote liegt also bei 7,5 Prozent.

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Wiener Elternoffensive

Dabei gibt es jedoch auffällige Unterschiede: Wien sticht heraus, denn in der Bundeshauptstadt sind 40 Prozent der zu Semesterbeginn noch außerschulisch unterrichteten 870 Kinder wieder in die Schule zurückgekehrt. Aktuell sind also noch 517 Kinder im Hausunterricht. Deren Zahl könnte noch weiter sinken, hofft man in der Wiener Bildungsdirektion mit Verweis auf eine laufende Elterninformationsoffensive. Dazu gehören Elterngespräche, durchgeführt von der Schulpsychologie und Bildungsberatung, es wurden aber auch Briefe samt Fragebögen versendet sowie Online-Infoveranstaltungen in Form von Zoom-Meetings angeboten, die bei manchen den Weg zurück in den Regelunterricht ebnen könnten.

Bildungsdirektor Heinrich Himmer hielte das für sehr wünschenswert: "Den Kindern und Jugendlichen entsteht durch die Schulabmeldung ein großer Nachteil in Hinblick auf soziale, aber selbstverständlich auch schulische Kompetenzen. Schule sind wir alle, aber Unterricht, mit all seinen Vorteilen, den eine Klassengemeinschaft mit sich bringt, kann nur in einem Klassenraum stattfinden."

Häuslicher Unterricht ist nicht gleich Corona-Homeschooling

Als Grund für die Rückkehrentscheidung vieler Familien vermutet man in Wien teilweise Fehleinschätzungen, was "häuslicher Unterricht" tatsächlich bedeutet: "Einige Erziehungsberechtigte haben sich darunter Betreuung im 'Distance-Learning', ähnlich der Vorgangsweise im Schuljahr 2020/21, erwartet." Anders als im pandemiebedingten Distanzunterricht, der ja von den Schulen gehalten und unterstützt wurde, fällt das beim häuslichen Unterricht allerdings komplett weg. Eltern und Kinder sind auf sich gestellt.

Aus Sicht einiger Eltern seien zu Schulbeginn die Corona-Regelungen für die Schulen auch noch unklar oder nicht absehbar gewesen, was sie zum Abmelden bewogen habe. In einigen Fällen hätten schlicht private Überlegungen wie der Umzug in eine neue Wohnung oder auch Auslandsaufenthalte eine Rolle gespielt.

Ähnliche Beobachtungen berichtet die Bildungsdirektion Kärnten. Für die meisten Eltern seien "die Testsituation und die Ungewissheit einer 'Impfpflicht' der Beweggrund für die Abmeldung zum häuslichen Unterricht" gewesen. Aber: "Sie haben sehr schnell agiert und reagiert und deshalb die Anträge dann auch zurückgezogen. In einigen Fällen merkten die Eltern auch, dass die Kinder zu Hause bedrückt wirkten und sich im Klassenverband wohler fühlen und demnach wieder die Schule besuchen wollen."

Den Kindern fehlen die anderen Kinder

Auch im Burgenland berichteten Rückkehrereltern, "sie fühlten sich im häuslichen Unterricht oftmals überfordert und die Kinder unglücklich, da ihnen der Kontakt zu den anderen Schulkindern fehlt".

In Salzburg sah sich die Bildungsdirektion ursprünglich mit 445 Abmeldungen konfrontiert – mehr als viermal so viele wie in früheren Jahren. In Oberösterreich gab es sogar eine Verfünffachung der Schulabmeldezahlen (DER STANDARD berichtete). Knapp zwei Drittel (62 Prozent) betrafen Volksschulen, ein knappes Drittel (31 Prozent) Mittelschulen, sechs Prozent AHS und der Rest sonstige Schulformen.

16 Anträge wurden abgelehnt – aus formalen Gründen, erklärt Bildungsdirektor Rudolf Mair: "Das ist ein außerordentlich hochstehendes Recht." Das Schulpflichtgesetz sieht vor, dass die allgemeine, neunjährige Schulpflicht auch durch "Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht" erfüllt werden kann, sei es durch den Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder aber durch häuslichen Unterricht, der als Grundrecht in Artikel 17 des Staatsgrundgesetzes von 1867 verankert ist und keinerlei Beschränkungen unterworfen werden darf.

Gleichwertige Unterrichtsalternative

Untersagt werden darf der Alternativunterricht jedoch, wenn ein Kind eine Schulstufe wiederholen muss, dann darf es diese Extrarunde nicht zu Hause drehen. Auch außerordentliche Schülerinnen und Schüler müssen den Regelunterricht besuchen, sagt Bildungsdirektor Mair. Im Gesetz genannt werden explizit Kinder in Deutschförderklassen oder -kursen. Darüber hinaus können Schulabmeldungen in Österreich ohne Angabe von Gründen oder elterliche Eignungsnachweise erfolgen. Eltern haben das Fernbleiben ihres Kindes der Bildungsdirektion nur "anzuzeigen". Diese wiederum darf den Wunsch nach anderweitigem Unterricht nur untersagen, "wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist", dass die "geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist".

Zurückgezogen wurden im Bundesland Salzburg bis jetzt 17 Anträge. Man habe die Eltern auf diese Rücktrittsmöglichkeit hingewiesen, sagt Mair: "Häuslicher Unterricht ist ja kein Honigschlecken. Das ist schon eine Challenge, was man Kindern damit zumutet. Als Pädagoge tun mir persönlich die Kinder leid, weil sie keinen normalen Schulalltag haben. Schule ist ja auch Lebensraum, da ist die Peergroup, da findet Sozialisation statt."

Zuerst die Eltern, dann der Staat

Grundsätzlich rechnet Mair ohnehin damit, "dass das wieder abebben wird". Man solle nicht überreagieren: "In erster Linie sind es die Kinder ihrer Eltern, und erst in zweiter Linie kümmern wir uns als Staat um sie." Darum und mit Blick auf die Verankerung im Staatsgrundgesetz würde er die Regularien für häuslichen Unterricht auch "in keinster Weise einschränken". Wünschenswert wäre aus seiner Sicht aber ein Beratungsgespräch mit den Eltern vor der Abmeldung, "damit sie auch wissen, worauf sie sich und ihr Kind damit einlassen".

Aus Wien kommt der Wunsch nach Vorverlegung der Anzeigefrist für den häuslichen Unterricht auf das Ende des alten Schuljahres, um Schulen und Erziehungsberechtigten Planungssicherheit zu bieten.

Aus für Prüfungstourismus

Niederösterreichs Bildungsdirektor Johann Heuras pocht neben der Pflichtberatung noch auf "verpflichtende Zuweisung zu regionalen Externisten-Prüfungskommissionen". Eine "Verhinderung von Prüfungstourismus" steht auch in Kärnten im Zentrum. Die Prüfungsschulen werden gerade neu definiert. Die Externistenprüfung am Ende des Schuljahres daheim wird nur noch im zuständigen Wohnbezirk möglich sein. (Lisa Nimmervoll, 27.10.2021)