Vom goldenen Julius-Meinl-Logo, das ursprünglich der Silhouette des Sarotti-Mohren nachempfunden war, blieb – politisch korrekter – nur der Fez übrig.

Foto: apa/mackinger
Foto: apa/Mackinger

Schlagobers zum Törtchen? "Nein, das ist nicht aus, es gab nie welches." Und was, wenn jemand einen klassischen Einspänner bestellt? "Immer sagen: Gibt es nicht", erklärt der nette Herr hinterm Tresen der Café-Bar. Er würde aber rüber zur gegenüberliegenden Konditorei Aida gehen und für mich eine Portion Schlag holen, wenn ich sie denn dringend brauchte, bietet er kundenorientiert an.

Willkommen im neuen alten Meinl am Graben, der jetzt allerdings House of Julius Meinl heißt. Nach fünf Monaten Umbauarbeiten, die der Stammkundschaft durch ein Pop-up in der Maysedergasse erträglich gemacht wurden, feierte der Nobelsupermarkt in der Wiener Innenstadt vergangenen Freitag seine Wiedereröffnung.

Gleich am ersten Tag zu kommen ist vielleicht ein wenig unfair, aber die Deadline drängt. Noch haftet dem Laden der Charme des Unfertigen an. Zeitweise übertönt Baugerätelärm den Shoppingklangteppich, diese Mischung aus Arbeitswochenende-Smalltalk, Kassagepiepe und Rascheln der Einkaufssackerln. Letztere sind nun in ansprechendem Blau-Pink gehalten. Vom goldenen Julius-Meinl-Logo, das ursprünglich der Silhouette des Sarotti-Mohren nachempfunden war, blieb – politisch-korrekter – nur der Fez übrig.

Die gut sortierte Wein- und Spirituosenabteilung nimmt fast ein Drittel des oberen Stockwerks ein.
Foto: Julius Meinl am Graben Gmbh/Apa

Bier zur Begrüßung

Auch hinsichtlich der Gestaltung der 1.200 Quadratmeter Warenfläche gingen die Architekten Bernhard Hamann und Christian Politsch nach dem Motto "Weniger ist mehr" vor. Die ehemals dunkel verholzten, je nach Stimmungslage heimelig oder klaustrophobisch wirkenden Gänge wurden breiter und lichtdurchlässiger. Noch immer werden die Gesetze der Wirtschaftspsychologie auf den Kopf gestellt, indem die Obst- und Gemüseabteilung einem nicht wie in anderen Lebensmittelgeschäften direkt beim Eingang die Spendierhosen anzieht, sondern sich im hinteren Ladeneck befindet, nach den Eismarillenknödeln und der Imperialtorte.

Dass hier die Gäste nicht mit Zucchiniblüten und Minispargel begrüßt werden, sondern mit einer internationalen Bierselektion, sagt vielleicht etwas über Österreich aus, ganz bestimmt aber darüber, dass der Meinl am Graben eben keine x-beliebige Konsumkaschemme ist, sondern eine Institution. Namensgeber ist der 1824 im tschechischen Graslitz geborene Kaufmann Julius Meinl I., der durch seine eigens entwickelte Kaffeeröstmethode für Aufsehen sorgte und 1862 das nach ihm benannte Unternehmen gründete. Seit 1950 gibt es die beliebte Warenhandlung mit dem größten Feinkostsortiment Wiens.

Champagner und Dosenbier

Stichwort Einheimische: Nicht wenige scheinen ihre heutige Shoppingtour ganz genau geplant zu haben. Der Dom-Pérignon-Kisten-Schlepper, der proseccotrinkende Dieter-Bohlen-Doppelgänger, die Dame in Chanel-Stiefelchen mit Clotted Cream im Einkaufskorb: Man plaudert mit dem Personal über alte Zeiten und den, so der Tenor, gelungenen Umbau. Natürlich sind auch die Touristen schon wieder da, für die ein Meinl-Besuch gleichbedeutend ist mit jenem des Stephansdoms. Dass auch Stammkunden Fotos von der im Vergleich zu früher deutlich größeren Fischtheke machen, liegt am Anblick eines achtzig Zentimeter langen Thunfischkopfes, aus dem rückseitig das Fleisch recht martialisch herausquillt. Wer mag, erwirbt ad hoc das entsprechende Tatar.

Von dort geht es am üppigen Adventkalendersortiment weiter zum Herzstück des Geschäfts, einer freischwingenden Treppe, die so auch im Guggenheim-Museum stehen könnte. Schätzungsweise ein Drittel der Verkaufsfläche im ersten Stock dominiert die Wein- und Spirituosenabteilung, mit Highlights wie einer in einer Musikkassettenblechbox verpackten Veuve-Clicquot-Sonderedition. Die landet nicht in meinem Einkaufskorb, wie auch nicht das Aktivkohlepulver, die Disney-Prinzessinnen-Pasta und der weiße Trüffel für 7.490 Euro das Kilo. Stattdessen entere ich die Backwarentheke. Brot ist ja mittlerweile Luxusware mit eigenen Boutiquen – die überschaubare Auswahl durchschnittlichen Brotes beim Meinl kann mit der Konkurrenz nicht mithalten, ist aber sehr viel günstiger als bei Joseph, Öfferl und Co.

So sieht die Obst- und Gemüseabteilung eines Luxussupermarkts aus.
Foto: Julius Meinl am Graben Gmbh/Apa

Zurück im Erdgeschoß, beträgt die Kassawartezeit unter dem Midcentury-Kronleuchter kaum eine Minute. Bitte in dieser Zeit nicht aufs Telefon schauen, schließlich gibt es nichts Schöneres, als anderen Kunden in den Einkaufskorb zu linsen. Für Pâté und das, was nach einem üppigen Samstagsfrühstück aussieht, bezahlt das Paar weiter vorne in der Schlange satte 360 Euro. Das Gegenbeispiel sind die beiden Mittdreißiger mit ihren zwei Dosenbieren. Wie im "alten" Luxussupermarkt wird auch im runderneuerten House of Julius Meinl der Einkauf beim Bezahlen von einer Nadelstreifenblusenträgerin in gleich zwei Papiersackerln verpackt.

Improvisationstalent

Beschwingt steuert man danach die Mitnahmetheke mit Lasagne, Serviettenknödeln und Lachsbowls an. Leider wurden das Haubenrestaurant und die Weinbar im Zuge des Umbaus wegrationalisiert, aber bald soll es frisches Sushi geben. Der Wochenmenüplan verspricht für den heutigen Tag gebratenen Lachs und gefüllte Paprika. Der Topfenstrudel mit Vanillesauce ist leider aus. Stattdessen gibt es ein Pekannusstörtchen aus dem Obergeschoß von der Bäckereitheke, wobei anderen Gästen dieser Service nicht zuteilwird, sie werden auf die bescheidene Kuchenselektion der Tagesbar verwiesen (Millennium-Torte und Esterházy-Schnitte), die aktuell die einzige Möglichkeit für ein Essen vor Ort bietet.

Der Meinl am Graben wurde zu "House of Julius Meinl".
Foto: apa/Mackinger

Optisch macht diese Bar einiges her mit den im selben Farbton wie das Kaffeeservice gehaltenen blauen Kacheln und dem Holztresen, auf dem der STANDARD und die Kleine Zeitung aufliegen. Man muss halt damit klarkommen, dass sehr vieles heute nicht geht (Kartenzahlung) oder nicht verfügbar ist (Zitronen, Hafermilch, der erwähnte Schlag, nicht mal der Kundenbeleg, der angeblich per E-Mail nachgereicht wird).

Dafür verspricht ein Mann namens Charly "den besten Kaffee Wiens", wobei erwähnt werden muss, dass der Cappuccino aus einem High-End-Vollautomaten mit elektronischem Display kommt. Was soll’s – der neue alte Meinl ist trotzdem ein Ort, an dem mit Kritik, nicht aber mit dem Haushaltsbudget zu geizen ist. Nächste Woche soll dann auch die Schlagobersmaschine geliefert werden. (Eva Biringer, 27.10.2021)