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Julian Assange hat schon öfter per Videoschaltung an den Anhörungen im Auslieferungsverfahren teilgenommen.

Foto: AP/Elizabeth Cook

Wikileaks-Gründer Julian Assange sitzt regungslos da, als in London der Rechtsstreit um seine Auslieferung in die nächste Runde geht: Bei dem Berufungsverfahren, das am Mittwoch begonnen hat, war Assange zunächst wegen seines schlechten Gesundheitszustands entschuldigt worden. Kurze Zeit später erschien er – zugeschaltet aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh – auf dem Bildschirm: abgemagert, mit langen weißen Haaren und offensichtlichen Schwierigkeiten, den Argumenten der US-Seite zu folgen.

Die USA kämpfen weiter für die Auslieferung Assanges. Am ersten Berufungstag versuchten sie die Bedenken, auf denen die erstinstanzliche Entscheidung der britischen Justiz fußt, zu entkräften. Eine Richterin hatte das Auslieferungsbegehren im Jänner mit Blick auf die zu erwartenden Haftbedingungen in den USA und Assanges angegriffene psychische Gesundheit abgelehnt.

Viele Versprechen der USA

Eric Lewis, der US-Staatsanwalt, wollte den High Court mit seinem "Paket voller Zusicherungen" überzeugen: Weder würde Assange bei einer Auslieferung in die USA umstrittenen "Special Administrative Measures" (SAM) ausgesetzt werden, noch müsse er eine verhängte Haftstrafe im Hochsicherheitsgefängnis ADX in Florenz, Colorado, abbüßen. Diese könnte er gar in seinem Heimatland Australien antreten. Garantiert werde Assange zudem eine "ausreichende medizinische Versorgung". Diese Zusicherungen wurden zu spät eingebracht, argumentierte darauf Assanges Verteidigung.

Auch dessen Gesundheitszustand wurde von US-Seite juristisch zerlegt. Sie zeigte sich über die Begründung vom Jänner, Assange könnte sich bei einer Auslieferung das Leben nehmen, verärgert. Der Fokus solle auf dem jetzigen Gesundheitszustand Assanges liegen, nicht auf dem "Risiko, dass sich dieser künftig verschlechtern könnte, wenn bestimmte Ereignisse eintreten oder nicht", argumentierte Lewis. Generell zweifeln die USA den Schweregrad der psychischen Erkrankung Assanges an – etliche Psychiater hatten bei Assange eine schwere Depression diagnostiziert.

Einer von ihnen wurde am Mittwoch zur Zielscheibe der US-Klägerseite. Michael Kopelman, Professor für Neuropsychiatrie in London, hatte in seinem Befund eine deutliche Suizidgefahr Assanges skizziert. Der US-Staatsanwalt stellte nun Kopelmans Glaubwürdigkeit infrage, weil er in seinem ersten Bericht nichts von Assanges "Familienleben" in der ecuadorianischen Botschaft erwähnte. Kopelman hatte diesen Aspekt nicht als relevant eingestuft, zumal er nach eigenen Angaben die Privatsphäre und Sicherheit der Familie und der beiden Kinder von Assange schützen wollte.

Kurze Verteidigung

Der Berufung sollte stattgegeben werden, hieß es dann am späten Mittwochnachmittag von US-Seite im Londoner High Court. Der Verteidiger Assanges, Edward Fitzgerald, musste sich mit etwa 30 Minuten Redezeit zufriedengeben. Am Donnerstag startet der zweite Tag des Berufungsverfahrens, an dem die Verteidigerseite ihre Argumente vorbringen wird. Bis zum Urteil dürfte es aber noch dauern: Dieses soll erst in einigen Wochen schriftlich vorliegen.

Die US-Justiz will Assange unter dem Spionageakt den Prozess machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Konkret vorgeworfen wird ihm, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material über US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan gestohlen und mit seinen Veröffentlichungen US-Informanten gefährdet zu haben. Assange und seine Anwälte weisen die Darstellung zurück: Er sei kein Spion, sondern ein Journalist, der Inhalte, etwa Belege für mutmaßliche US-Kriegsverbrechen, im Sinne der Pressefreiheit veröffentlicht hat.

Gesundheitsprobleme

"Ich mache mir große Sorgen um Julians Gesundheit", sagte Assanges Verlobte Stella Moris. Sie demonstrierte vor dem Londoner Gerichtsgebäude mit Unterstützern des Wikileaks-Gründers. Dabei waren unter anderem "Free Assange"-Plakate zu sehen. "Ich hoffe, die Justiz wird diesen Albtraum beenden, sodass Julian nach Hause kommen kann und die Vernunft siegt." Der gebürtige Australier sitzt seit mehr als zwei Jahren im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. An anderen Anhörungen hatte er mehrfach per Videoschaltung teilgenommen. (red, etom, 27.10.2021)