Das Bundesheer soll künftig mehr zivile Aufgaben übernehmen, auch vorsorglich – etwa das Anlegen von Lagern für medizinische Ausrüstung im Falle einer Pandemie. Voraussetzung ist ein Beschluss des Ministerrats.

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Wien – Es ist kein Bunker. Das neue Bundeslagezentrum im vierten Untergeschoß des Innenministeriums wird topmodern ausgerüstet und auch gegen "äußere Einflüsse", etwa im Falle einer Atomkatastrophe, geschützt. Aber von einem Bunker könne man deshalb nicht sprechen, betont man im Ministerium.

Überhaupt schien die Darstellung des neuen Bundeskrisensicherheitsgesetzes ein bisschen am Kern des Vorhabens vorbeizugehen. Denn der Nichtbunker im Ministerium ist zwar sicher von logistischer Bedeutung, doch das Gesetz krempelt große Teile des staatlichen Handelns in Krisen um.

Noch am Mittwochvormittag verhandelten ÖVP und Grüne über letzte Details, am Nachmittag sollte der Entwurf dann an die Oppositionsparteien geschickt werden. Auch dem STANDARD liegt eine Fassung vor. Für die Verfassungsänderungen ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig, die Regierung wünscht sich eine möglichst breite Zustimmung. Die Pläne im Detail:

  • Krisendefinition Erstmals wird gesetzlich definiert, was eine Krise überhaupt ist. Vereinfacht gesagt legt das Gesetz fest: Krise ist dann, wenn eine "Gefahr außergewöhnlichen Ausmaßes" für Leben, Gesundheit, Ordnung, Sicherheit, Umwelt oder das wirtschaftliche Wohl entsteht oder droht – und der Staat dringend eingreifen muss. Dass das der Fall ist, muss die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats beschließen. Die Definition kann noch an Gewicht gewinnen: dann nämlich, wenn auch später beschlossene Gesetze sich darauf berufen – und etwa Grundrechtseingriffe damit begründet werden.
  • Bundeslagezentrum Die Einrichtung ist das Herzstück der Reform. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Koordination zwischen den unterschiedlichen Ministerien und Behörden im Krisenfall nicht gut funktioniert. Im Bundeslagezentrum sollen auch in Friedenzeiten permanent Lagebilder erstellt werden. Ergänzt wird die Arbeit von Fachausschüssen der jeweiligen Ministerien (etwa zu den Themen Energie, Umwelt, Sicherheitspolitik). Im Ernstfall wird im Lagezentrum dann die Krisenarbeit der Regierung koordiniert. Den Vorsitz führt dann jenes Regierungsmitglied, das fachlich zuständig ist – also der Gesundheitsminister in einer Pandemie, der Innenminister bei einem Terroranschlag.
  • Neue Stelle im Kanzleramt Direkt im Bundeskanzleramt wird ein neuer Job geschaffen: Eine Krisenberaterin oder ein Krisenberater soll der gesamten Regierung zur Seite stehen. Ein Bestellungsmodus ist noch nicht fixiert.
  • Neue Aufgaben für das Heer Das Bundesheer soll bald auch vorsorgen dürfen. Derzeit ist es dem Heer etwa nicht erlaubt, Lager mit medizinischem Material oder Lebensmittelvorräte für Krisen anzulegen. Das soll künftig möglich sein, Voraussetzung dafür ist aber ein Beschluss des Ministerrats. Und: Auch Übungen abseits der militärischen Landesverteidigung, etwa für Blackout-Szenarien, soll das Bundesheer in Zukunft abhalten können. Im Krisenfall soll die Infrastruktur des Heeres dann auch besser für zivile Zwecke verwendet werden können.

Der Föderalismus bleibt vom Krisensicherheitsgesetz übrigens unberührt. Wo Krisenbewältigung Ländersache ist, bleibt sie das – etwa im Katastrophenschutz. Aber auch im Gesundheitsbereich bleibt das föderale System unangetastet, auch wenn die Corona-Krise die eine oder andere Frage über dessen Effektivität aufgeworfen hat.

Mitte November will die türkis-grüne Regierung das neue Gesetz jedenfalls in Begutachtung schicken, bis dahin sucht man das Gespräch mit der Opposition. Benötigt wird die Zustimmung von SPÖ oder FPÖ. Der Beschluss des Krisensicherheitsgesetzes ist für Februar geplant. (Sebastian Fellner, 27.10.2021)